Prof. Dr. Eberhard Sandschneider besetzt verwaiste Stelle für Politik Chinas

Politikwissenschaftler und Chinaexperte

,,Kratzig, aber wasserdicht``, so beschreibt der neue Chinaexperte der FU, Prof. Dr. Eberhard Sandschneider, den chinesischen Regenmantel, der inmitten der sonst europäischen Ausstattung der Ihnestraße 22 befremdlich erscheint: ein aus braunem Bast geflochtenes Kleidungsstück, das noch heute von chinesischen Bauern getragen wird.  Auf den ersten Blick könnte man es für eine Vogelscheuche halten, hinge es nicht an der frisch renovierten Wand des Bürozimmers des seit 1. Oktober 1998 an der FU tätigen Professors für Politikwissenschaft und Sinologie.
Die Entstehung dieser neuen Professorenstelle hat eine kuriose Vorgeschichte: Denn es handelt sich nicht um eine Stelle, sondern eigentlich um ursprünglich zwei Stellen, die die jetzt erfolgte C 4-Besetzung erst möglich machten. Sandschneider übernimmt die seit fünf Jahren unbesetzte Professur ( C 3-Professur) für ,,Politik Chinas`` im Ostasiatischen Seminar (OAS) der FU.  Damit tritt er die Nachfolge von Kuo Heng-yü an. Gleichzeitig ist er Leiter der ,,Arbeitsstelle Politik Chinas und Ostasiens`` am Otto-Suhr-Institut. Die von Prof. Jürgen Domes 1967 gegründete Arbeitsstelle widmet sich der gegenwartsbezogenen China- und Ostasienforschung. Sie soll neben Lehre und Forschung die Frage nach der Anwendung wissenschaftlicher Ergebnisse in der Praxis thematisieren und umsetzen. Außergewöhnlich an dieser neu eingerichteten Professur ist jedoch nicht nur die doppelte Besetzung an zwei Instituten, sondern auch die Tatsache, daß Sandschneider am OSI eine 23 Jahre lang verwaiste Stelle wieder besetzt.
Wie kommt man dazu, sich mit chinesischer Politik zu beschäftigen? Bei dieser Frage lächelt Sandschneider. Eigentlich, so Sandschneider, war er ein ganz `normaler' Student der Politikwissenschaft mit den Nebenfächern Klassische Philologie, Anglistik und Geschichte. Dann lernte er seinen akademischen Lehrer und Doktorvater Jürgen Domes kennen, der 1975 von Berlin nach Saarbrücken gewechselt war und an der Universität des Saarlandes ebenfalls eine Arbeitsstelle Politik Chinas aufgebaut hatte. Begeistert von den Vorlesungen, wandte sich der Politologiestudent nun dem ostasiatischen Raum und insbesondere der chinesischen Politik zu. Dem Studium der chinesischen Sprache folgten ein längerer Aufenthalt in Taiwan und seit Mitte der achtziger Jahre regelmäßige Forschungsreisen nach China und in andere ostasiatische Länder.
Sandschneider beschäftigt sich mit der Frage, weshalb autoritäre politische Systeme des 20. Jahrhunderts in sich zusammenfallen bzw. sich verändern (Systemwandel). Vor allem interessiert ihn der Vergleich von Systemen, z. B. zwischen China und Taiwan (Vergleichende Transformationsforschung). Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Frage, wie sich unter Transformationsbedingungen die Außenpolitik der betroffenen Länder und ihre Stellung im internationalen System verändert.
Sandschneider, der bislang an der Universität Mainz lehrte und forschte, liegen drei Dinge besonders am Herzen: Erstens will er dazu beitragen, einen Brückenschlag zu leisten zwischen politikwissenschaftlichen Fragestellungen und ihrer chinaspezifischen Anwendung.  Dabei soll zweitens das politisch-soziologische Wissen über das heutige China nicht nur der Forschung, sondern auch außeruniversitären Bereichen zur Verfügung gestellt werden. ,,Die Beratung der Wirtschaft ist``, so Sandschneider ,,wegen des starken wirtschaftlichen Interesses am ostasiatischen Raum zunehmend gefragt.`` Außerdem nimmt für Sandschneider die Lehre einen besonderen Stellenwert ein: Die späteren Berufschancen seiner Studierenden sind ihm ebenso wichtig wie die  Vermittlung wissenschaftlichen Arbeitens. ,,Es ist mir manchmal lieber``, meint Sandschneider, ,,einem Studenten bei der Berufszielplanung auf die Sprünge zu helfen, als eine Stunde lang an einem Artikel über chinesische Politik zu schreiben.`` Als ein Ausdruck der Bemühungen, das asienspezifische Profil der FU stärken zu helfen, will Sandschneider sich künftig in der  FU Sommeruniversität mit einem Kurs über chinesische und ostasiatische Politik engagieren.
Wie es ihm an der FU gefällt: ,,Spitze! das Arbeitsklima ist hervorragend``, schwärmt Sandschneider.  ,,Ich bin auf allen Ebenen mit großer Offenheit und viel Hilfsbereitschaft aufgenommen worden.`` Viel Unterstützung verdanke er vor allem den Verwaltungen der beiden Fachbereiche. Als Herausforderung empfindet der engagierte Dozent die mit seiner Berufung verbundenen Erwartungen der Fachbereiche, den Anspruch der FU auf Interdisziplinarität und die Förderung ihrer internationalen Beziehungen.

Irmelin Ehrig


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