Traditionsreiche Brüche

Das OSI feiert fünfzigsten Geburtstag



Das Otto-Suhr-Institut in der Ihnestraße 22 (Foto: Enrico Straub)

,,Das OSI`` heißt die Festschrift zum vierzigjährigen Jubiläum schlicht und schnörkellos. Und das ist typisch. Denn wer sich an der Freien Universität immatrikuliert, weiß meist nach wenigen Tagen, daß sich hinter der fast kosenden Abkürzung das ,,Otto-Suhr-Institut``, Fachbereich Politische Wissenschaften verbirgt. Vom gegenwärtigen Wissenschaftssenator Peter Radunski, zum früheren Kohl-Berater Horst Teltschik bis hin zu Dietrich Stobbe, Walter Momper und Klaus Böger haben viele der Berliner Politiker- und Journalistengarde am OSI studiert oder gelehrt, was nicht verwundert, gehört das OSI zu den größten westeuropäischen politikwissenschaftlichen Instituten. Reibungsfrei ist die nunmehr fünfzigjährige Geschichte des OSI nicht verlaufen, vielmehr gab es ,,erhebliche Auseinandersetzungen und Umwege, bis sich die Politikwissenchaft als voll akzeptierter Bestandteil im universitären Fächerkanon etablieren konnte``, heißt es in einer Schrift des OSI in geübter Form der Selbstreflexion.
Das Versagen der politischen Elite während des Nationalsozialismus und der Mißbrauch der Politikwissenschaften als Herrschaftsinstrument nach 1945 veranlaßten den SPD-Politiker und späteren Regierenden Bürgermeister  Otto Suhr schon 1947 an eine Wiedergründung der  1920 etablierten und 1933 gleichgeschalteten Deutschen Hochschule für Politik zu denken. ,,Politik als Wissenschaft`` hieß die Devise. Dabei sollte die neue DHfP in erster Linie als Erwachsenenbildungsstätte für politische Angelegenheiten gelten, um künftigen Lehrern, Verwaltungsangestellten, Politikern und Journalisten das Funktionieren der Demokratie  zu vermitteln. Mitten im Blockadewinter und kurz nach der Gründung der Freien Universität wurde die DHfP mit einem Festakt in der Cäcilienschule am 15. Januar 1949 feierlich im Beisein des späteren Bundespräsidenten Theodor Heuss als autonome Hochschule eröffnet. Oberbürgermeister Ernst Reuter führte den späteren Namensgeber des OSI, Otto Suhr, in seine neue Aufgabe als Direktor der Hochschule ein. Es zeichnete den besonderen Geist der DHfP von Beginn an aus, daß die Gründungsväter wie Otto Suhr, Carl Dietrich von Trotha, Gert von Eynern, Otto Heinrich von der Gabelentz, Ernst Tillich und Martin Draht sich alle im Widerstand gegen Hitler engagiert hatten. Später kamen zurückgekehrte Emigranten wie Ernst Fraenkel, Ossip K. Flechtheim und Richard Löwenthal an das OSI und prägten durch ihre Persönlichkeit, ihre Brillianz in der Lehre das Bild der Hochschule.
Eine Rechnung allerdings ging nicht auf: Statt Berufstätigen immatrikulieren sich ,,Vollstudenten``. ,,Diese Menschen, vor allem die aus dem Osten kamen, hatten erlebt, was Politik für das Schicksal des Einzelnen, der Familie, der Nation bedeutet. Im Osten waren sie mit Schlagwörtern gefüttert worden. Bei uns wollten sie nun ernsthaft studieren, ,,wie es eigentlich in Wirklichkeit war``, erzählte der Gründungsprofessor Gert von Eynern während des zehnjährigen Institutsjubiläums.


Der Namensgeber des Instituts. (Foto: Pressestelle, Archiv)

Die Vollstudenten trieben den ,,Verwissenschaftlichungsprozeß`` der Hochschule voran. Nach jahrelangem Tauziehen wurde die Hochschule 1959 in die Freie Universität integriert. Dank amerikanischer Spenden erfolgte 1962 die Einweihung des neuen Institutsgebäudes in der Ihnestraße 21. Für wissenschaftliches Renomee sorgte die seit 1959 herausgegebene ,,Politische Vierteljahresschrift``, zum Publikumsschlager wurde das Fischer-Lexikon ,,Staat und Politik``, dessen Artikel überwiegend von Institutsangehörigen stammten.
Den Jahren der Konsolidierung folgten Jahre der Eskalation. Das OSI wurde ab Mitte der sechziger Jahre Hochburg der Studentenbewegung, Fraktionskämpfe und Auseinandersetzungen vergifteten für Jahre das Klima am Otto-Suhr-Institut und rissen tiefe Gräben. Auf Betreiben des damaligen Direktors des Instituts und Professor für Politische Philosophie, Alexander Schwan, erhielt das OSI als erste deutsche Hochschulinstitution eine neue Reformsatzung mit Drittelparität von Professoren, Studenten und der Mittelgruppe ,,einschließlich der nichtwissenschaftlichen Arbeiter und Angestellten``. Der damalige FU-Präsident Rolf Kreibich verhinderte, daß sich Linke und Liberale Professoren spalteten. In den achtziger Jahren treten die Grabenkämpfe in den Hintergrund . Das OSI kämpft mit dem Problemen der Massenuniversität, überfüllten Seminaren und Vorlesungen, bürokratischen Strukturen und fehlenden Geldern. Heute hat sich das OSI mit seinen rund 4000 Studierenden und 34 Professoren notgedrungen verkleinert, mit dem Erfolg, daß die Struktur des Fachbereiches überschaubarer, die Lehre effizienter gestaltet wird. So wurde ein Mentorenprogramm eingerichtet, um Studienanfänger zu betreuen, seit 1992 wird eine neue Diplomprüfungs- und Studienordnung erlassen. Bei der Einwerbung von Drittmitteln nimmt das OSI eine Spitzenstellung ein und besticht durch sein breites, in Deutschland einzigartig breitgefächertes Studien- und Forschungsangebot. An keinem anderen Institut sei es möglich, politische Ökonomie, Ökologie und die Strukturen der Weltgesellschaft so zu studieren wie in der Ihnestraße, sagt der scheidende Dekan Elmar Altvater jüngst. Zumal sich das OSI renoviert im neuen Kleide zeigt.


In der Hochphase der Studentenbewegung. ( Foto:  Pressestelle, Archiv)

Felicitas von Aretin


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