Osteuropa-Institut
Neue Wege Berlins nach Osteuropa
Auf die selbstgestellten, vielfältigen neuen Aufgaben als "Kompetenzzentrum"
für Ost-West-Kontakte ist Berlin auch im Jahre 9 nach dem Mauerfall
nicht besonders gut vorbereitet. Das ist das -vorläufige - Ergebnis
von Recherchen, die Studenten des Kompaktseminars "Berlin - Kompetenzzentrum
für Ost-West-Kontakte?" bei Prof. Dr. Klaus Segbers am Osteuropa-Institut
machten. Obwohl die Forscher ausdrücklich darauf hinweisen, daß
die bisherigen Recherchen kaum die Hälfte aller möglichen Anlaufstellen
umfaßt, können sie erst einmal feststellen, daß "es keine
koordinierte Berliner Ostpolitik gibt". Es fehlt das Geld für eine
programmatische Ostpolitik und der mögliche Nutzen für die Stadt
wird oftmals nicht gesehen. Auch die Zusammenarbeit scheint eher aus der
Not geboren, viele Projekte werden erst durch die EU initiiert und nicht
zuletzt verdrängt in einigen Bereichen Südostasien den Osten
Europas.
Mit "inhaltlichem Interesse und journalistischem Hunger", so Seminarleiter
Segbers, ermittelten die Studenten Grunddaten und Sachverhalte: Gibt es
- über verschiedene Senatsstellen verstreut - so etwas wie ein Konzept
für eine "Berliner Ostpolitik"? Was bedeutet die Städtepartnerschaft
Berlin-Moskau ? Wie steht Berlin da im Direktvergleich mit anderen Städten
günstiger geographischer Ausrichtung (etwa Wien)? Was sind die ausländerrechtlichen
Grundlagen für Arbeiter/innen, Touristen, Geschäftsleute aus
Osteuropa? Welches Interesse haben Berliner Firmen, die in Osteuropa investieren
und aktiv werden, und was zieht umgekehrt osteuropäische Firmen nach
Berlin?
Auch gesellschaftliche und kulturelle Aspekte werden untersucht: Sind
die in der DDR sprachlich und anders einschlägig Ausgebildeten heute
eine positive "Ressource" für Kontakte nach Osteuropa? Wie präsentiert
sich osteuropäische Kultur? Wie werden Entwicklungen dort wissenschaftlich
erfaßt?
Natürlich sind nicht alle diese Fragen in einem Seminar abzuhandeln.
Die beteiligten Studenten sind allerdings vom Recherchefieber gepackt und
wollen das Thema weiter bearbeiten - sogar außerhalb regulärer
Seminare und ohne "Schein-Perspektive". Dieses erfreuliche Engagement soll
in einer Art Zukunftswerkstatt gebündelt werden, von wo aus auch viele
neue Kontakte in die Stadt geknüpft und wichtige Hinweise für
die künftige Funktion des Osteuropa-Instituts und auch des Fachbereichs
Politische Wissenschaft erwartet werden.
Für die Stadtpolitik könnten die Arbeiten Hilfen sein, denn
"auch diesseits jedes übertriebenen Metropolen-Enthusiasmus", so Segbers,
"gilt es für Berlin doch, die neue Rolle zu gestalten und anzunehmen.
Die Lage Berlins in Mitteleuropa ist ein Pfund, mit dem bedacht gewuchert
werden kann". Anregungen von außen sind bei Wissenschaftlern und
Studierenden ausdrücklich erwünscht. Kommentare, Ergänzungen
und Hinweise können an die Fax-Nr. 838 36 16 oder per e-mail: segbers@zedat.fu-berlin.de
an Klaus Segbers geschickt werden.
Anne Schillo