Romanische Philologie
Fremdes in fremden Sprachen
Gast - Fremder - Feind, daß diese Begriffe zusammengehören können, weisen Sprachwissenschaftler am lateinischen Wort hostis nach. Mit dem neuen Forschungsprojekt "'Fremd' im Deutschen und in anderen Sprachen - Sprachwissenschaftliche Annäherungen an ein kulturwissenschaftliches Schlüsselwort", am Fachbereich Neuere Fremdsprachliche Philologien der FU, soll eine bereits begonnene semantische Analyse des Lexems (Wortschatzeinheit) fremd jetzt weitergeführt werden. Das Projekt wird von der Volkswagen-Stiftung im Rahmen ihres Forschungsschwerpunktes "Das Fremde und das Eigene - Probleme und Möglichkeiten Interkulturellen Verstehens" mit knapp 140 000,- DM gefördert.
Das kulturwissenschaftliche Schlüsselwort fremd wird am FU-Institut für Romanische Philologie in den nächsten zwei Jahren Mittelpunkt des sprachwissenschaftlichen Interesses des Professors für Romanische Philologie, Prof. Dr. Jürgen Trabant und der Wissenschaftlichen Mitarbeiterin am Institut für Romanische Philologie, Brigitte Jostes, sein. Um zu klären was fremd denn bedeutet, werden die Sprachen in ihrem Forschungsprojekt nicht als Vehikel oder Instrumente des Miteinander-Sprechens - über Kultur- und Sprachgrenzen hinweg - betrachtet. Vielmehr sollen die Sprachen selbst unter der Lupe der Sprachwissenschaft zum Sprechen gebracht werden. Schließlich verändern oder erweitern Wörter nie zufällig ihre Bedeutungen, ihren Gebrauch. Es sind die Menschen, die ihre Sprachen machen und verändern. So kann zum einen das Adjektiv fremd dem Adjektiv eigen gegenüberstehen: So steht das Fremdkapital dem Eigenkapital gegenüber. Des weiteren kann fremd den Adjektiven bekannt und vertraut gegenüberstehen: Ist ein Mann fremd, so ist er uns unvertraut. Daß wir es hier mit zwei Bedeutungen zu tun haben, zeigt sich darin, daß das fremde Kapital nie zugleich das eigene sein kann und auch durch innige Vertrautheit nicht zum eigenen wird, daß der eigene Mann aber durchaus mal fremd sein kann, ohne daß er dabei aufhören würde, der eigene Mann zu sein. Merkwürdig wird das Innenleben dieses Wortes dort, wo es die Bedeutung seltsam hat: Denn was wir als fremdartig bezeichnen, könnten wir oft auch eigenartig nennen. Und plötzlich stehen sich fremd und eigen nicht mehr gegenüber wie heiß und kalt, sondern nebeneinander wie mild und lau. Jemand, der sehr eigen ist, erscheint eben seltsam und damit fremd. Was nicht dazugehört ist eben häufig unbekannt, und Unbekanntes erscheint oft als seltsam. Nun ist die Verbindung nicht-zugehörig, unbekannt, seltsam eine mögliche. Andere Sprachen zeigen andere Verbindungen: So stand das griechische Wort xenos zunächst für den Gast, später dann für den Fremden und noch später für den Söldner. Auch das lateinische Wort hostis, das zunächst den Gast bezeichnete, stand später für den Fremden. Als das Wort hospes an die Stelle von hostis trat, übernahm hostis die Bedeutung Feind. Gast-Fremder-Feind, auch diese sprachliche Verbindung gibt Auskunft über mögliche Erfahrungen und Wahrnehmungen des Anderen und Fremden. Daß all diese Verbindungen immer im direkten Zusammenhang mit der jeweiligen Kultur- und Geistesgeschichte stehen, zeigen die sprachlichen Entwicklungen im frankophonen und anglophonen Afrika: Das französische Wort étranger sowie das englische Wort stranger werden dort - quasi umgekehrt - in der Bedeutung "Gast" gebraucht.Englisch, Französisch, Griechisch und Latein: Was wir als Fremdsprachen bezeichnen, sind gerade die Sprachen, die zwar nicht unsere eigenen, uns aber dennoch nicht allzu fremd sind. Das haben sie eben mit dem Fremdkapital gemeinsam. Wahrhaft unbekannte Sprachen bezeichnen wir daher doch lieber als fremde Sprachen. In dem jetzt beginnenden Forschungsprojekt wird nicht nur den Verbindungen nachgespürt, die sich in unseren Fremdsprachen finden, sondern auch denen, die sich in fremden Sprachen aufzeigen lassen.
Die fremde Sprache, die den Berlinern zumindest räumlich am nächsten ist, ist das Türkische. Im Türkischen gibt es sprachlich eine enge Verbindung zwischen dem Wilden und dem Fremden. So treffen wir in den Wörtern für Wildschwein und Fremdsprache auf dasselbe Wort yaban. (Diese Verbindung ist uns nicht ganz fremd, man denke nur an wildfremd ).
Um diesen Ausblick auf die fremden Sprachen auch fundiert durchführen zu können, werden im Frühjahr 1999 Sprach- und Kulturwissenschaftler als Vertreter verschiedener Einzelsprachen nach Berlin zu einer Tagung geladen.
Brigitte Jostes
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