Samuel Fischer-Gastprofessur für Literatur an der FU eingerichtet

Ein Tabubrecher?


Der russische Autor Vladimir Sorokin hat am 27. April 1998 für das Sommersemester 1998 seine Gastprofessur am Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der FU aufgenommen.
Sorokin ist als erster Lehrbeauftragter im Rahmen der Samuel Fischer-Gastprofessur für Literatur an die FU eingeladen worden. Der S. Fischer Verlag hat gemeinsam mit dem Deutschen Akademischen Austauschdienst, dem Veranstaltungsforum der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck und der Freien Universität die Samuel-Fischer-Gastprofessur eingerichtet. Mit Beginn dieses Sommersemesters wird jeweils für ein Semester eine Autorin oder ein Autor an das Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft der FU eingeladen. Mit der Einladung des russischen Autors möchte die FU, als eine der östlichsten großen deutschsprachigen Universitäten, ihre Beziehung zu den osteuropäischen Ländern betonen und fördern. Die neue Poetik-Professur soll der Vermittlung und kritischen Reflexion der Literaturen der Welt dienen -und zwar nicht nur im universitären Bereich: Die Initiatoren möchten das akademische und literarische Leben in Berlin bereichern und über Berlin hinaus internationale Brücken für die Literaturwissenschaft bauen.
Wer ist dafür besser geeignet als ein Autor, der seine Brücken bereits geschlagen hat? Bei Vladimir Sorokin bestand nämlich bis vor kurzem die paradoxe Situation vor, daß seine Werke in Deutschland verbreitet, in seiner Heimat Rußland aber nur in Abendgesellschaften vorgetragen und im Samisdat, im Selbstverlag, vertrieben wurden. Während 1993 die meisten seiner Bücher bereits in deutscher Übersetzung vorlagen, erschienen sie in Rußland erst innerhalb der letzten eineinhalb Jahre.
Nach einem abgeschlossenen Ingenieurstudium der Petrochemie arbeitete der heute Dreiundvierzigjährige zunächst als Buchillustrator. Anfang der siebziger Jahre kam Sorokin zu den Moskauer Konzeptionalisten und ihrem ästhetischen Programm: 'Subversion durch Affirmation'.  Sein erster Roman 'Norma' ('Die Norm') erschien 1979/80. Seither hat er eine Vielzahl an Romanen, Theaterstücken und Hörspielen veröffentlicht. Sein letzter Roman 'Roman', an dem er von 1985 bis 1989 arbeitete und der fast 700 Seiten umfaßt, brachte ihm den Ruf ein, "die reinste Literatur zu schreiben, die man je gelesen habe". Aber ein Schreiber einfacher Literatur ist Sorokin deshalb nicht: Tabubrüche sind hauptsächlicher Bestandteil seiner Werke, wobei die Bandbreite der Tabubrüche alle menschlichen Perversionen umfaßt. So folgt in "Roman" einer auf fünfhundert Seiten beschriebenen russischen Idylle hundertdreißig Seiten Sex, Gewalt und Folter.
Neben dem "Moskauer Konzeptualismus", 'Monastirskij', 'Rubenstejn', 'Prigov' wird sich der russische Autor in seinem Seminar auch mit der Medizinische Hermeneutik beschäftigen.
 

Das Seminar (in russischer Sprache) findet montags von 18.00 bis 20.00 Uhr im Großen Seminarraum des Instituts für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft, Hüttenweg 9, 14195 Berlin, statt.

Iris Kampf 
 


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