Die Berliner Politik besinnt sich auf ihren "Standortfaktor Wissenschaft"

Radunski will Hochschulen Studiengebühren schenken


Gibt es eine Trendumkehr in der Berliner Wissenschafts- und Hochschulpolitik? Vieles spricht dafür, wächst doch in jüngster Zeit die Zahl der Politiker, die vor ungebremstem Sparen in diesem Bereich warnen. Was die Universitätsleitungen seit Jahren betonen, daß nämlich die Wissenscha ft das wichtigste Kapital der weitgehend auf Dienstleistungen ausgerichteten Hauptstadt sein wird, dämmert allmählich auch denjenigen selbsternannten Sparkomissaren, die trotz aller eindringlichen Appelle zur Mäßigung bisher auch den Kollaps der Hochschulen riskiert hätten, um die Landesfinanzen innerhalb ihres starren Zeitrahmens zu konsolidieren.

Den ausschlaggebenden Impuls für die neuerliche Besinnung auf den Stellenwert der Wissenschaft verdanken die Hochschulen vermutlich ausgerechnet Finanzsenatorin Fugmann-Heesing (SPD), die immer noch Rationalisierungsreserven in den Hochschulen sieht: 160 Mio. DM im kommenden Jahr. Vor dem Hintergrund der Sparmaßna hmen des laufenden Haushaltsjahres - die FU hat 411 Stellen (davon 180 Tutorenstellen) streichen müssen - warnte FU-Präsident Gerlach vor einem "Totalangriff auf die Funktionsfähigkeit der Berliner Universitäten". Außer dem korrigierte er die Annahme der Senatorin dahin gehend, daß es sich bei den ins Visier der Haushälter geratenen "konsumtiven" Landeszuschüssen nicht ausschließlich um flexibel zu handhabende Sachmittel, sondern zu 70 bis 80 Prozen t um Personalmittel handelt.

Schützenhilfe kam - wie zu erwarten - von Bündnis 90 / Die Grünen. Daß sich aber sogar Wissenschaftssenator Radunski kategorisch weigerte, die vorgesehenen Kürzungen mitzutragen und sich auch grundsätzliche Argumente der Uni versitäten zu eigen machte, verwunderte doch viele, zumal er unlängst noch öffentlich die bisherigen Einsparungen rechtfertigte. Rückendeckung erhielt Radunski von der CDU-Fraktion und auch vom Regierenden Bürgermeister Diepgen, d er vor den Folgen einer Fortführung der bisherigen Kahlschlagpolitik warnte. Die Politik werde den Hochschulen künftig Planungssicherheit geben, versicherte er.

Eben das reklamieren die Universitäten seit vielen Jahren, doch Senator Radunski will sie an Bedingungen knüpfen. Für die Dauer von fünf Jahren sollen die Hochschulen von größeren Kürzungen verschont bleiben, wenn sie M aßnahmen zur Verbesserung der Lehre umsetzen. Im Herbst will er ihnen ein Konzept vorstellen. Nach den bisherigen Vorstellungen des Senators könnten das Lehrdeputat erhöht oder auch Professoren zu besonderen Betreuungs- oder Mentorenaufgab en verpflichtet werden. Die Ausbildung müsse "transpa renter" werden, so daß sie innerhalb der Regelstudienzeit abgeschlossen werden könne. Das schließe auch "Zwänge wie Zwischenprüfungen" ein.

Vor allem bei den Studierenden dürfte Radunskis Absicht auf energischen Widerstand stoßen, Studiengebühren in Höhe von bis zu tausend Mark pro Semester einzuführen. Die Universitäten sollen diese Einnahmen zweckgebunden zur Verbesserung der Studienbedingungen und zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses erhalten. Selbst bei einem Alleingang Berlins befürchtet er keinen drastischen Rückgang der Bewerberzahlen. Zur Kasse gebeten werden sollen nur Studierende im Grundstudium. Etwa die Hälfte müsse bei der vorgesehenen sozialen Staffelung überhaupt zahlen, glaubt Radunski. Geschätzte Einnahme: Fast der jährliche Sparbetrag.

Uwe Nef


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