Sparmaßnahmen

Bibliotheken: Lesefrust durch Verlust


Angesichts einer sich prekär entwickelnden Finanzsituation und einem allgemein größer werdenden Einspardruck auf die öffentliche Hand, werden auch die FU-Bibliotheken von massiven Kürzungen nicht verschont. 1996 haben sie real nur noch zwischen 90% und 50% ihrer Vorjahresetats für Sachmittel zur Verfügung, so daß eine Aufrechterhaltung des bisherigen Standards unmöglich ist.


Endzeitstimmung im Zeitschriftenlesesaal des OSI: Jedes Kreuz steht für eine Abbestellung

Aufgrund der üblicherweise langen Kündigungsfristen für Periodika werden Gelder fest gebunden, so daß zunächst vor allem der Erwerb von Monographien betroffen ist. Neuerscheinungen können nur noch in geringem Umfang beschafft werden.

Die Auswirkungen für die Benutzer werden sich indes ganz unterschiedlich zeigen. Kurzfristig kündbare Zeitschriften werden schon bald Lücken hinterlassen. Ebenso Monographien in systematisch geordneten Fachbibliotheken mit entsprechend schnellem Zugriff. In der Universitätsbibliothek (UB), in der Bücher chronologisch aufgestellt werden, wird nach Einschätzung ihres Leiters Dr. Ulrich Naumann deren Fehlen in etwa zwei Jahren massiv auffallen, weil dort die Nachfrage regelmäßig erst nach entsprechenden Zitierungen erfolgt.

Der Durchschnittsbenutzer würde momentan recht wenig von den drastischen Einsparungen bemerken, gäbe es nicht einige Bereichsbibliotheken, die plakativ auf ihre Auszehrung aufmerksam machen. So wird der Besucher des Zeitschriftenlesesaales am Otto-Suhr-Instituts (OSI) mit vielen Grabkreuzen konfrontiert: eines pro Abbestellung. 436 von 609 Zeitschriften- und 90 von 116 Zeitungsabonnements, also gut 75% dieser Periodika, mußten gekündigt werden.

Dr. Ulf Paepcke, Leiter der Medizinischen Bibliothek des Universitätsklinikums Benjamin Franklin (UKBF), befürchtet ein Abrutschen seiner Bibliothek in die Mittelmäßigkeit. Sein Buchetat von 145.000 DM im Jahr 1995 sank auf 50.000 DM in diesem Jahr. Am OSI empfindet die Leiterin Sabine Zehrer die ca. 40%igen Einsparungen als einen erheblichen "Eingriff in Forschung und Lehre". Am Fachbereich Rechtswissenschaft errechneten die Leitungen der Abteilungen I und II der Bibliothek, Gisela von Lampe und Ernst-Otto Schmeißer, Einbußen in Höhe von 51%. Stark nachgefragte Bände stehen nicht mehr in den Regalen, sondern bei der Bibliotheksaufsicht, die die Bücher gegen Vorlage des Benutzerausweises herausgibt. Die Juristen müssen in Zukunft u.a. auf 178 Loseblattsammlungen im Öffentlichen Recht verzichten, es verbleiben bei der landesrechtlich geregelten Materie nur die Sammlungen für Berlin / Brandenburg und Nordrhein-Westfalen. Etatkürzungen von 43% gegenüber dem Vorjahr hat die Leiterin der Publizistik-Bibliothek, Katharina Mensing, zu bewältigen. Bitter ist, daß Preissteigerungen bei Periodika den Spareffekt durch Abbestellung fast wieder zunichte machen.

Die Kompensationen sind überall recht ähnlich und werden durch phantasievolle Initiativen ergänzt. Die UB koordiniert beratend den Zeitschriftenbestand der FU-Bibliotheken, damit entbehrliche Mehrfachbestellungen vermieden werden. Die Bibliothek des UKBF hat mit 12 anderen medizinischen Bibliotheken einen Verbund zum Austausch von Zeitschriftenartikeln eingerichtet. Die Hochschullehrer des Instituts für Publizistik und Kommunikationswissenschaft ließen ihrer Bibliothek eine 10%ige Umlage von allen Haushaltskonten zukommen.

Doch es gibt in diesen finsteren Zeiten auch einen Lichtblick: Von den zunächst 20% der Sachmittel, die angesichts der Haushaltsrisiken vorbeugend zurückbehalten wurden, können jetzt 15% zur Verfügung gestellt werden, weil die Tarifabschlüsse vergleichsweise niedrig ausfielen.

Bettina Borsdorf /Joachim Liebers


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