Etwa 30 Millionen Menschen benutzen die weltweiten Computernetze - 95 Prozent der User sind Männer

Neue Medien ohne Mädchen?


Rund sieben Millionen Bundesbürger, das sind etwa elf Prozent der Bevölkerung ab 14 Jahren, beschäftigen sich regelmäßig in ihrer Freizeit mit dem Computer. Im Vergleich zu den Frauen ist der Anteil der Männer dreimal so hoch. Differenziertere Untersuchungen belegen, daß Mädchen sich weniger für Technik interessieren als Jungen, was aber nicht mit einem geringeren Interesse am Computer korreliert. Etwa 30 Millionen Menschen benutzen die weltweiten Computernetze, 95 Prozent der User sind Männer. Was ist es, das die Frauen und Mädchen abhält, sich so intensiv wie die Jungen und Männer mit den neuen Medien zu befassen?


Technikeuphorie auch bei Mädchen

Alle Diskussionen um eine geschlechtsspezifische Herangehensweise an die neuen Techniken haben oftmals zu der Schlußfolgerung geführt, daß Jungen mit ihrer Technikeuphorie die Mädchen in ihrer Zugehensweise auf die Technik und in der Benutzung der Technik behindern und demotivieren. So entstanden geschlechtsspezifische Unterweisungen für Frauen und Mädchen. Allerdings sehen einige Wissenschaftlerinnen in der Aufhebung der Koedukation die Gefahr, daß das soziale Lernen, das in der Auseinandersetzung der Geschlechter stattfindet, zu kurz kommt. So weisen Untersuchungen darauf hin, daß reine Mädchenkurse bei gleichem Stoff und gleichen Ergebnissen als minderwertig gelten.

Die Distanz von Mädchen zur Technik ist schon in früher Kindheit durch spezielle Sozialisation begründet. Zum Beispiel wird den Mädchen der Zugang dadurch erschwert, daß sie in ihrer Kindheit kaum Tech-nikspielzeug erhalten und eher personenbezogen als objektbe-zogen lernen. Insofern ist es dringend notwendig, daß Mädchen und Frauen Technikver-ständnis und logisches Den-ken genauso lernen können wie Jungen. Dazu muß ihnen ein gleichberechtigter Zugang zu den entsprechenden Medien ermöglicht und die Vielfalt von Nutzungsmöglichkeiten eröffnet werden, um ihren unterschiedlichen Interessen entgegenzukommen. Ein primär technikorientierter Zugang, wie er heute oftmals in Schulungen immer noch praktiziert wird, ist in jedem Falle zu vermeiden. Ein anwendungsbezogener Zugang, der die neuen Medien als echtes Hilfsmittel für die Lösung unterschiedlicher Probleme erkennbar werden läßt, eröffnet die Chance, die Interessen beider Geschlechter anzusprechen. Wenn sich allerdings Lehrende in Naturwissenschaft und Technik immer noch zu Äußerungen hinreißen lassen wie "Mädchen lernen, Jungen verstehen's" (vgl. Leserbrief einer Schülerin, Spiegel Nr. 21/1996), dann wird deutlich, daß vor allem Lehrerinnen und Lehrer den Anforderungen der Koedukation nicht gewachsen sind und hier in ihrer Ausbildung Defizite zu konstatieren sind. Denn wie sollen sie verändernd auf die Geschlechterrollen in den Klassenzimmern einwirken, wenn sie selbst keine Vorstellung davon haben, wie sie sich als Mann oder Frau gegenüber dem eigenen und dem fremden Geschlecht verhalten (vgl. Leserbrief von G.Amend, Spiegel Nr. 21/1996)?

Das Leitbild für das nächste Jahrtausend müssen autarke Benutzerinnen und Benutzer neuer Medien sein. Wir brauchen ebenso kompetente wie kritische Konsumenten, die keine Angst vor neuen Technologien haben. Weder Wirtschaft noch Gesellschaft können es sich dabei leisten, eine Hälfte auszugrenzen.

Bernhard Koerber / Ingo-Rüdiger Peters

Ingo-Rüdiger Peters ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Fachdidaktiken im Arbeitsbereich Lehrerfortbildung Informatik. Bernhard Koerber ist Leiter der Serviceeinrichtung Datenverarbeitung des Zentralinstituts für Fachdidaktiken.


Ihre Meinung:

[vorherige [Inhalt] [nächste


Zurück zur -Startseite