Filmwissenschaft an der Freien Universität
Ist der Zug abgefahren?
Als vor 100 Jahren die Einfahrt eines Zuges in die Station La Ciotat die Zuschauer in Panik aus dem Saal trieb, hatte der Film als Medium einen Kampf aufgenommen, der ihn über lange Jahre hinweg beschäftigen sollte: den Kampf um die Anerkennung
als eigenständige Kunstform. Diesen gleichen Kampf scheint heute die Filmwissenschaft noch einmal ausfechten zu müssen, in modifizierter Form: den Kampf um die Anerkennung als eigenständige Wissenschaftsdisziplin. Die Produktion von Filmbil
dern hat längst exorbitante Ausmaße angenommen, die Reflexion hinkt - besonders im deutschsprachigen Raum - noch immer hinterher - und wird nicht selten mit Mißtrauen beobachtet. Die Etablierung der Film- und Fernsehwissenschaft am Insti
tut für Theaterwissenschaft unter Leitung von Professor Karl Prümm und Professor Karsten Witte war ein hoffnungsvoller Ansatz, diesem Mißstand entgegenzuwirken und der Filmwissenschaft hierzulande ein Zentrum zu schaffen, das inzwischen in
ternationale Anerkennung gefunden hat. Die Berufung Karl Prümms nach Marburg und der Tod Karsten Wittes haben ein Loch gerissen, das dieser Entwicklung ein jähes Ende zu bereiten droht. Die momentane Schwächung scheint günstige Vorauss
etzung, um die noch junge Wissenschaftsdisziplin aus dem geisteswissenschaftlichen Fächerkanon der FU zu verbannen. Die stets wachsende Bedeutung der audio-visuellen Medien in unserer Gesellschaft jedoch fordert geradezu ihre Stärkung. Berlin mi
t seinen zahlreichen filmkulturellen Einrichtungen bietet dafür Voraussetzungen wie kein anderer Ort in diesem Land. Die Filmwissenschaft an der FU hat kein Äquivalent an einer anderen Berliner Hochschule. Sie abzuschaffen wäre ein anachron
istischer Schritt ohnegleichen.
Ralf Dittrich
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