Zum ersten Mal seit zehn Jahren - also seit dem Beginn des "Dualen Systems" - wurde im Auftrag der WDR-Medienforschung eine repräsentative Befragung zum Fernsehverhalten Jugendlicher durchgeführt. Dabei wurden bundesweit 1.186 14-29jährige vom Kölner Medienforschungsinstitut RESULT telefonisch befragt.
Wie bereits durch die Fernsehnutzungsdaten der Gesellschaft für Konsum-, Markt- und Absatzforschung (GfK) bekannt, zeigt die Befragung die klare Bevorzugung privater Programmanbieter: Der Lieblingssender bei 14-19jährigen sowie bei 20-29jährigen ist RTL, gefolgt von Pro 7. Auf dem dritten und dem vierten Platz in der Gunst der Jüngeren folgen etwa gleichrangig die Musiksender MTV und Viva; die ARD rutscht auf Platz 5. Bei der Gruppe der 20-29jährigen spielen die Musiksender nurmehr eine marginale Rolle; auf Platz 3 steht die ARD - mit deutlichem Abstand folgt auf dem vierten Platz das ZDF.
"Ich entscheide, was ich sehen will."
Das Lieblingsgenre - mit großem Abstand vor anderen - ist der Spielfilm, gefolgt von Musikvideos in der Gruppe der 14-19jährigen bzw. Magazinen und Reportagen bei den älteren Befragten. Bei beiden Gruppen sind Spielshows und Quizsendungen am unpopulärsten.
Die "klassischen" Eigenschaften eines öffentlich-rechtlichen Senders wie "informativ", "vermittelt Wissen" und "glaubwürdig" werden von den meisten Befragten vor allem der ARD zugewiesen, allerdings sei sie auch "altmodisch" und "lehrerhaft". Auf den Lieblingssender RTL treffen - vor allen anderen Sendern - die Eigenschaften "unterhaltend", "anspruchslos", "vielseitig", "reißerisch" und "deckt Mißstände auf" zu. MTV und Viva sind nach dem Urteil der Jugendlichen mehr als andere Sender "angesagt", "flippig", "jung" und "hektisch". Pro 7 ist vor allen anderen "sympathisch". Das ZDF hingegen ist in der Wahrnehmung dieser Zielgruppe offenbar schwach konturiert; ihm wird keine Eigenschaft zugewiesen, die es stärker als andere Sender prägt. Seine höchsten Nennungen erhält es tendenziell bei den gleichen Eigenschaften wie die ARD.
Daß RTL mehr als andere "Mißstände aufdeckt" und hier sogar vor den ·ffentlich-rechtlichen rangiert, liegt an der Schwerpunktnutzung privater Magazine. Laut Befragung werden sowohl bei den 14-19jährigen als auch bei den 20-29jährigen die drei über RTL ausgestrahlten Magazine "Explosiv", "Stern-TV" und "Spiegel-TV" mit Abstand am häufigsten gesehen. Demgegenüber fallen die öffentlich-rechtlichen Magazine in der Akzeptanz deutlich ab.
Um zu prüfen, ob das Image eines Senders einen stärkeren Einfluß auf die Programmauswahl als die konkrete Einzelsendung hat, wurde gefragt, wie die Jugendlichen vorgehen, wenn sie ein Fernsehprogramm einschalten. Die jüngeren Befragten gaben als häufigstes Auswahlverhalten an (44,7%), daß sie "zuerst ihren Lieblingssender einschalten". Bei den 20-29jährigen ist das an erster Stelle genannte Verfahren (bei den Jüngeren an zweiter Stelle): "Ich entscheide, was ich sehen will und wähle den Sender, wo so was am ehesten läuft." Beide Vorgehensweisen zeigen, daß dem Image eines Senders große Bedeutung zukommt. Ein eindeutiges Profil erhöht die Chance, daß das Programm vom Zuschauer ausgewählt wird.
Fazit: Jugendliche sind vorrangig privat orientiert, doch besteht ja für die Öffentlich-rechtlichen nicht der gleiche Druck wie bei privaten Programmanbietern, im Blick auf Werbekunden besonders die jugendlichen Zielgruppen anzusprechen. Da jedoch zu vermuten ist, daß bestehende Programmbindungen auch in höherem Alter aufrecht erhalten werden, müssen die öffentlich-rechtlichen Sender darauf bedacht sein, stärker auf die Sehbedürfnisse Jugendlicher einzugehen, um sie langfristig an sich zu binden.
Claudia Schmidt