Realist und Philanthrop:

Wolfram Fischer


"Sir, I have the honour of informing you, that you have been this day Elected a Member of the American Philosophical Society held at Philadelphia, for promoting useful knowledge."

"Das", so der 67jährige Dr. Dr. Wolfram Fischer über diese seine jüngste Mitgliedschaft, "ist nicht so wichtig. Es ist im wesentlichen eine Ehre." Seit 1964 ist er Professor für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der FU, seit 1990 Vorsitzender der Historischen Komission zu Berlin, 1992 Gründungsmitglied der Berlin - Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und seit 1995 Mitglied der Academia Europaea.


Wolfram Fischer

1947 begann er Germanistik, Geschichte und Philosophie zu studieren, stellte dann aber fest, "daß mir die Geschichte am meisten liegt, weil es da mehr um Realitäten geht als in der Literatur". So promovierte er nach sieben Semestern im Fach Geschichte. Danach hatte er allerdings das Gefühl, daß ein Historiker der Neueren Geschichte entweder Rechts- oder Wirtschaftswissenschaft brauche, um die Welt der Geschichte wirklich verstehen zu können. Wolfram Fischer entschied sich für die Wirtschaftswissenschaft. Ausschlaggebend war nicht nur, daß es zwar viele Rechtshistoriker gäbe, die Kombination Wirtschaft und Geschichte aber kaum jemand mache. Auch reizte ihn die Herausforderung: "Ich hatte das Gefühl, Jura könnte ich studieren, bei der Wirtschaft war ich nicht so sicher - da hab ich das gemacht." Neben Tübingen, Göttingen und London hörte er Wirtschafts- und Sozialwissen-schaft auch an der FU, wo er 1954 sein zweites Studium mit der Promotion abschloß.

In Berlin lernte er auch seine Frau kennen. Schon damals, bei Spaziergängen in Dahlem, träumten die beiden: "Da möchten wir einmal wohnen." Es verging aber noch ein Jahrzehnt, bis er 1964 den Ruf auf eine Professur am Fachbereich Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der FU annahm. Dazwischen lagen Arbeitsstationen an der TH Karlsruhe, der Universität Münster sowie 1960 seine Habilitation in Heidelberg.

Mittlerweile ist das Institut für Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsgeschichte der FU das größte für dieses Fach in der Bundesrepublik. Hier beschäftigt man sich "- unwissenschaftlich ausgedrückt - damit, wie die Menschen ihr täglich Brot verdienen." Dabei kann man entweder mit einem "makroökonomischen" Ansatz die Entwicklung der Volkswirtschaft über 50 bis 100 Jahre verfolgen oder mit einem "mikroökonomischen" kleinere Strukturen untersuchen, beispielsweise, indem man Unternehmensgeschichte betreibt oder die Geschichte einzelner sozialer Gruppen analysiert. "Wissenschaftlich bedeutsamer ist der erste Ansatz. Aber", so fügt er hinzu, "mehr Spaß macht der mehr am Menschen orientierte zweite."

Daß er Berlin seit über 30 Jahren trotz einer Reihe von Gastaufenthalten in den USA, Großbritannien, Kanada und Israel, trotz vieler Angebote anderer Universitäten treu geblieben ist, begründet er mit dem liberalen Klima an der FU, der schönen Lage des Campus, der interessanten politischen Situation der Stadt und nicht zuletzt "bot die FU viel" in den Bleibeverhandlungen. Und so konnte er einen der bedeutendsten Augenblicke seines Lebens unmittelbar erleben: Den Fall der Berliner Mauer.

Gabriele AndrŽ


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