Auf dem Weg in die Marktwirtschaft

Wirtschaftswissenschaftler der FU unterstützen Vietnam beim Aufbau eines modernen Bankwesens


Während alle Welt die rasanten Wachstumszahlen der chinesischen Ökonomie bestaunt, vollzieht sich, fast unbemerkt, in der selben Region ein durchaus vergleichbar beeindruckender Prozeß nachholender wirtschaftlicher Entwicklung - Vietnam setzt dazu an, ein weiterer Tiger Südostasiens zu werden.

Erst das stufenweise Aufheben der Boykottmaßnahmen gegen Vietnam durch die USA, deren Begründung von Jahr zu Jahr schwieriger nachzuvollziehen waren und sind, hat das Land verstärkt in das Interesse der Weltöffentlichkeit rücken lassen.

Der Beschluß zu einem Systemwandel in Vietnam geht jedoch bereits auf das Jahr 1986 zurück, der Geburtstunde der Politik Doi Moi, der Erneuerung. So wurde die vollständige Privatisierung der Landwirtschaft bis Ende der 80er Jahre erfolgreich umgesetzt. Während das Land noch 1988 Reis importieren mußte, um seine 72 Millionen Menschen zu ernähren, ist Vietnam heute der drittgrößte Reisexporteur der Welt. Noch vor Reis stellt Rohöl die größte Exporterlösquelle dar.

Das besondere der Entwicklung Vietnams ist der eigenständige Beschluß zum Übergang von einer Planwirtschaft hin zu einer Marktwirtschaft asiatischer Prägung. Zuvor war der Versuch gescheitert, die vietnamesische Kriegswirtschaft in eine funktionierende Planwirtschaft umzuwandeln. Ständig steigende Inflationsraten, die auch durch insgesamt drei Währungsreformen nicht zu bremsen waren, führten letztendlich zu einer Aushöhlung der Planwirtschaft durch sich etablierende Schwarzmärkte für Güter und Dienstleistungen.

Vor diesem Hintergrund ist die 1989 in Gang gesetzte Reform des Bankenwesens, die mit dem Übergang von einem ein- zu einem zweistufigen System begann, zu verstehen. Anders als beispielsweise in zahlreichen Ländern Lateinamerikas wurde der Vorrang der Geldwertstabilität für einen Prozeß erfolgreicher ökonomischer Entwicklung von Beginn an akzeptiert.

Die Kontakte mit der Freien Universität gehen auf das Jahr 1991 zurück, als Hansjörg Herr, Mathilde Lüken - Klaßen und der Autor zum ersten Mal nach Hanoi reisten, um dort mit Experten der vietnamesischen Regierung und dortigen Hochschulkol-legen an einem Seminar zum Thema "Die Rolle der Geld- und Wechsel-kurspolitik im Entwicklungsprozeß" teilzunehmen.

Seit 1993 gilt Vietnam als sogenanntes Schwerpunktland der deutschen entwick-lungspolitischen Zusammenarbeit. Diese bevorzugte Einordnung ist auf den Wunsch einer Fortführung der engen Kontakte der ehemaligen DDR mit Vietnam durch die BRD zurückzuführen. Im Januar 1994 wechselten beide Länder eine völkerrechtlich bindende Note, deren Inhalt die Zusammenarbeit beider Länder bei der Reform des Bankenwesens festlegt. Als ausführende Partner-Organisationen fungieren die Staatsbank von Vietnam und die deutsche Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ). Ziele des Projektes sind u.a. der Aufbau eines Devisenmarktes, eines Bankenverbandes und eines Dealing-Room der Staatsbank sowie der Aufbau einer Wertpapierbörse. Das Hauptziel des Projektes besteht in der Entwicklung und Einführung von Instrumenten zur indirekten Geldsteuerung.

Ebenfalls im Januar 1994 wurde ein Drittmittelprojekt der FU mit der GTZ im Rahmen des obigen Projektes für zunächst zwei Jahre geschlossen. Das FU-GTZ-Projektbüro, in dem sowohl deutsche wie vietnamesische Kollegen unter Anleitung von Prof. Hajo Riese arbeiten, ist für die inhaltliche Planung des Projektes, die Auswahl von Experten, sowie die Durchführung von Aktivitäten im Rahmen des Projektes in Deutschland und Vietnam verantwortlich.

Die Projektgestaltung läuft in Abstimmung und Koordination mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) sowie der Weltbank. Weitere Unterstützung leisten Partnerorganisationen wie die Deutsche Bundesbank, die Landeszentralbank Berlin-Brandenburg sowie zahlreiche Banken. Enge Kontakte bestehen zum Salomon Center an der Stern School, New York University. Prof. Ingo Walter, Direktor der Stern School und ehemaliger Inhaber der Stiftungsprofessur der Deutschen Bundesbank an der FU, kümmert sich im Rahmen dieses Projektes intensiv um den Bereich 'Kapitalmarkt' und war bereits vor Ort.

Im August 1994 wurde das GTZ-SBV-Projektbüro in Hanoi eröffnet. Der Leiter des Büros, Dr. Carlos Jahnsen, ist ebenfalls ein Absolvent des FU-Fachbereichs Wirtschaftswissenschaft. Im Oktober 1994 führten Prof. Hajo Riese, Dr. Mathilde Lüken-Klaßen und der Autor ein Seminar zum Thema "Geld- und Wechselkurspolitik im aktuellen Stadium des vietnamesischen Entwicklungsprozesses" in Hanoi durch, an dem neben Mitarbeitern der Staatsbank und des Finanzministeriums auch Kollegen der dortigen Hochschule für das Bankenwesen teilnahmen.

Aufgrund des sehr erfreulichen Projektverlaufs hat die GTZ bereits den Wunsch nach einer Verlängerung des Drittmittelprojektes mit der FU über das Jahr 1996 hinaus erkennen lassen.

Andreas Hauskrecht


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