Wenn jemand am 31. Dezember Geburtstag hat, möchte man ihn für janusköpfig halte.
Egon Lodder, seit 25 Jahren Verwaltungsleiter des Otto-Suhr-Instituts, hat am 31. Dezember Geburtstag, aber er ist nicht janusköpfig in dem Sinne, daß man seine Blickrichtung nicht ausmachen könnte. Das hätte etwas von einer Zweideutigkeit, die Egon Lodder ganz fernliegt. Geradlinigkeit und ein ebenso unerschütterliches wie unaufdringliches Pflichtbewußtsein zeichnen diesen fast mit seinem Institut verwachsenen "obersten Diener" seiner Verwaltung aus. Immer war er zur Stelle, immer freundlich, immer suchte er nach Auswegen im Dickicht unüberschaubarer Vorschriften und schier ausweglos erscheinender Sparauflagen. Seine lange Erfahrung hatte ihn gelehrt, daß die Suppen nie so heiß gegessen werden, wie man sie kocht. So entwickelte er eine Art naturwüchsiger Resistenz gegenüber unsinnigen Forderungen oder Zumutungen, seien sie aus dem Institut, oder aus der zentralen Universitätsverwaltung gekommen.
Richtig wütend oder außer Kontrolle habe ich ihn nie erlebt, aber manchmal merkte man doch ein leichtes Beben, wenn Ansprüche oder Reklamationen allzu sehr von Unkenntnis oder Willkür zeugten. Er war sich nie zu schade, Arbeiten zu erledigen, die eigentlich nicht seines Amtes waren - das Wichtigste war schließlich, daß der Betrieb klappte.
Egon Lodder hat sich aufgerieben in seiner Arbeit. Daß er kurz vor seinem Ausscheiden aus dem Amt noch schwer erkrankt ist, hängt hoffentlich nicht zu eng damit zusammen. Jetzt ist er auf dem Weg der Besserung, und wir wünschen ihm von Herzen, daß es so weiter geht.
Mit Beginn seines Ruhestands am 1. Juni 1995 verliert das Otto-Suhr-Institut ein "Urgestein". Wir sind ihm in tiefem Dank verbunden und denken in Wehmut an seine große Zuverlässigkeit, seine Hilfsbereitschaft und seine stete Freundlichkeit zurück. Er hat es verdient, nun einen neuen und geruhsameren Lebensabschnitt zu beginnen.
Gesine Schwan
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