Vergangenheitsbewältigung

"Wir haben viel über die FU gelernt,
nicht aber über die DDR"


Die Auseinandersetzung um den Einfluß von Stasi und SED auf die Freie Universität war heftig. Doch außer Anschuldigungen einerseits und Rechtfertigungen andererseits, gab es nur wenig zu erfahren. Das sollte sich ändern: Anfang Mai lud der Fachbereich Politische Wissenschaft die Streitenden an einen Tisch. Neben der Frage, ob die FU durch die SED gesteuert wurde (- wozu es nichts Neues gab - d.Red.), sollten dabei auch Grundprobleme (selbst)kritischer DDR-Forschung diskutiert werden.

Gerd Glaeßner, ehemals Professor am OSI und jetzt an der Humboldt-Universität, betonte, daß die alte DDR-Forschung in der Bundesrepublik nicht so unkritisch gewesen sei, wie das heute vornehmlich von Wissenschaftlern des SED-Forschungsverbundes an der FU behauptet werde. Hermann Rudolph, Herausgeber des Tagesspiegels und wie Glaeßner einer aus der alten Garde der DDR-Forscher, verwies zudem darauf, daß es früher zunächst darum gegangen sei, Material zu sammeln, räumte jedoch ein: "Der Umgang mit Zahlen und Statistiken aus der DDR war zu unkritisch". Die Forschung insgesamt war es nicht, so Glaeßner.

Als Vertreter des Forschungsverbundes bekräftigte Klaus Schroeder hingegen noch einmal die Kritik an einem "verharmlosenden Bild der DDR", welches die "politische Verfaßtheit völlig ausblendete". Aufgrund "der Gnade der späten wissenschaftlichen Beschäftigung" (....) von alten Irrtümern verschont, glaubt Schroeder der DDR-Wirklichkeit mit einem "totalitären Ansatz" (Schroeder) am ehesten gerecht werden zu können. "Die Gnade", der sich Schroeder selbst versichert, bedeutet freilich, das realsozialistische Experiment "lediglich vom Ende, das heißt von seinem Scheitern zu sehen" und den Lebensalltag der Menschen weitestgehend außer acht zu lassen, wie Rudolph anmerkte.

Für den Beobachter aus Übersee, Professor Konrad Jarausch, ist indes die deutsche Aufgeregtheit unverständlich. Jarausch, der derzeit am Zentrum für Zeithistorische Studien in Potsdam arbeitet, beklagte den "überzogenen Ton" in einer Auseinandersetzung, in der "es weniger um Sachfragen, als vielmehr um Personen, um Generationskonflikte, um Hochschulpolitik und um kulturelle Hegemonie geht."

Die Redner in der anschließenden Diskussion schienen denn auch darum zu wetteifern, Jarauschs Analyse nachträglich zu bekräftigen. Da ging es um alte Erfahrungen während der Zeit der NOFU (Notgemeinschaft für eine Freie Universität), um Träume von einst und Realitäten von heute, und es nützte wenig, daß Professor Peter Steinbach bemüht war, die Diskussion in andere Bahnen zu lenken. Resümierend darf man wohl mit Jarauschs Worten sagen: "Wir haben viel über die FU gelernt, nicht aber über die DDR."

Holger Heimann


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