Antifaschismus in der DDR

Mythos und Realität


Die DDR erhob den Anspruch, der "antifaschistische", und damit der moralisch bessere deutsche Staat zu sein. In der DDR, so die offizielle Lesart, werde das Vermächtnis der Widerstandskämpfer gegen die NS-Diktatur verwirklicht. Was ist heute, mehr als fünf Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer, von diesem Anspruch noch übrig geblieben ?

Der "Antifaschismus", der als Begriff in der kommunistischen Bewegung der zwanziger Jahre entstanden war, wurde in der SBZ und der DDR nach 1945 in großem Maße instrumentalisiert. Dies zeigte sich schon in der unmittelbaren Nachkriegszeit. Spontane "Antifa-Ausschüsse", die sich im Mai 1945 in einzelnen Städten und Gemeinden gebildet hatten und möglicherweise lokal oder regional das Machtmonopol der KPD in Frage gestellt hätten, wurden auf Weisung der sowjetischen Militärregierung schon bald nach ihrer Gründung aufgelöst. Der unbedingte Machtanspruch der Exil-KPD, jüngst vom SED-Projektverbund der FU erneut dokumentiert, führte jedoch nicht zur nur Zwangsvereinigung von KPD und SPD, sondern auch zu direkten Repressionsmaßnahmen gegen jene, die noch kurz zuvor gegen die NS-Diktatur gekämpft hatten. So wurde etwa Horst von Einsiedel, der 1940 Mitglied des Kreisauer Kreises war und auch in Verbindung mit führenden Repräsentanten der "Roten Kapelle" stand, im Oktober 1945 von der sowjetischen Geheimpolizei verhaftet. Er kam 1948 im Internierungslager Sachsenhausen unter bis heute ungeklärten Umständen ums Leben. Oder Robert Zeiler: Der junge Sozialdemokrat, vor 1945 als rassisch Verfolgter im KZ Buchenwald inhaftiert, fand sich 1946 im Internierungslager Buchenwald wieder. Es war dasselbe Lager, aber andere Bewacher. Machtsicherung und Systemstabilisierung waren für die SED durchgängig wichtiger als der Umgang mit dem Erbe des Widerstands. Dies zeigte sich vor allem in der Tätigkeit des Ministeriums für Staatssicherheit. Robert Havemann, Widerstandskämpfer in der Berliner "Europäischen Union", deswegen vom NS-Regime zum Tode verurteilt und Haftgenosse von Erich Honecker im Zuchthaus Brandenburg, wurde über Jahrzehnte hinweg von der Staatssicherheit bespitzelt. Da war es aus Sicht des MfS nur konsequent, zum Vorgang Havemann auch dessen Volksgerichtshofsakten von 1943 bis 1945 zu nehmen. Um den KPD-Führer Ernst Thälmann wurde ein besonderer Mythos kreiert. Dabei verschwieg die SED allerdings, daß konkrete Befreiungspläne für Thälmann Mitte der dreißiger Jahres auf Weisung der Moskauer KPD-Führung nicht realisiert worden waren. Verschwiegen wurden auch Details über den Mord an Thälmann 1944, während dagegen die bundesdeutsche Justiz scharf dafür kritisiert wurde, daß der "Thälmann-Mörder" nicht verurteilt wurde. Seit Anfang der 60er Jahre sammelte das Mielke-Ministerium in der gesamten DDR Akten aus der NS-Zeit, die in irgendeiner Art und Weise nachrichtendienstlich auswertbar waren. Bald sollte bei der Hauptabteilung IX/11 das umfangreichste NS-Archiv Deutschlands entstehen, das aber nur für Mitarbeiter des MfS zugänglich war. Nicht einmal den Historikern der DDR standen diese Materialien zur Verfügung. Heute befinden sie sich in der Obhut des Bundesarchivs, Außenstelle Dahlwitz-Hoppegarten. Noch 1986 erschien zum Beispiel das Buch "In einer Front. Junge Deutsche an der Seite der Sowjetunion im Großen Vaterländischen Krieg" mit einem großen Foto von Sophie Scholl auf dem Titelbild im Militärverlag der DDR. Ihre Prozeßakten und die ihres Bruders Hans galten als verschollen, lagen aber tatsächlich im Archiv der Hauptabteilung IX/11. "An der Seite der Sowjetunion" lassen sich Hans und Sophie Scholl jetzt gewiß nicht mehr darstellen. Christiane Moll hat dies jüngst in ihrem instruktiven Aufsatz in einem Sammelband der FU-Forschungsstelle Wider-standsgeschichte herausgearbeitet .

Was bleibt also in der Rückschau vom Antifaschismus der DDR? Eine Staatsideologie, die tagespolitischen Opportunitäten untergeordnet wurde. Mißbraucht wurde aber auch der gute Wille all derer, die in der DDR lebten, den Antifaschismus ernst nahmen und von der SED-Führung systematisch und zynisch getäuscht wurden.

Johannes Tuchel


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