Gesundes Vieh - gesundes Fleisch?

Gestreßte Tiere - kranke Menschen


Ist die Kuh gesund, freut sich der Mensch


Die heutigen Maßstäbe für die Produktion von Nahrungsmitteln tierischer Herkunft wurden von Faktoren wie wachsender Bevölkerung, Wünschen der Verbraucher nach günstigem Fleisch und somit sinkenden Preisen, hohen Kosten, Konkurrenz auf dem Weltmarkt und Subventionierung der Landwirtschaft geprägt. Die Leistungsfähigkeit aller Produktionsfaktoren einschließlich der Nutztiere mußte entsprechend gesteigert werden, und bei vielen Nutztierarten zeigten sich schnell Belastbarkeitsgrenzen in Form erhöhter Krankheitsanfälligkeit, Leistungseinbußen oder Mängeln in den von ihnen stammenden Nahrungsmitteln. Als Beispiel sei hier PSE-Fleisch (das wässrige, blasse in der Pfanne schrumpfende Kotelett) von überzüchteten bzw. gestreßten Schweinen angeführt.

Die Ansprüche der Verbraucher nach günstigem Fleisch wurden so zunächst erfüllt, wobei sich aber die Produzenten teilweise über geltende Gesetze, ethische Wertvorstellungen und Qualitätswünsche der Verbraucher, aber auch über die Grenzen der Leistungsfähigkeit der Tiere hinwegsetzen konnten. Emotionen lassen sich daher leicht erwecken, wenn es darum geht, daß der Mensch den ihm anvertrauten Lebewesen übermäßige Leistungen abverlangt. Beispiele hierfür sind erwiesenermaßen aufretende Mißstände bei Zucht, Haltung, Transport und Schlachtung. Gesundheitliche Bedenken, die den Fleischkonsum senken, werden z.B. ausgelöst durch BSE beim Rindfleisch, Hormon- und Antibiotika-Rückstände oder zuviel Fett (Angst vor zuviel Cholesterin), obwohl Auswirkungen nicht immer nachweisbar sind.

Andererseits sind heute Tier- und Umweltschutz sowie die Forderung nach rückstandsfreiem Fleisch von einwandfreier hygienischer, mikrobieller und substantieller Beschaffenheit zu marktwirtschaftlich wichtigen Größen geworden. Auf seiten der Produktion können die Uhren aber nur langsam wieder auf eine maßvolle Produktionsweise zurückgestellt werden. Beim Verbraucher bleibt Unsicherheit gegenüber den Nahrungsmitteln, die auch infolge der unübersichtlichen und nur stichprobenartig kontrollierbaren Produktion schwerlich ausgeräumt werden kann. Und auf seiten der Produzenten besteht weiter die Angst vor absatzmindernden Skandalen und stetig sinkendem Fleischkonsum. Wie aber können das Vertrauen der Bevölkerung zurückgewonnen und gleichzeitig maßvolle Produktionsweisen umgesetzt werden? Die Aufklärung der Bevölkerung ist die eine Seite, die Überzeugung der Landwirte, Viehhändler und Schlachtbetriebe auf die berechtigten Forderungen der Gesellschaft einzugehen, die andere. Hierzu müssen die heute längst bekannten Erkenntnisse über die Auswirkungen mangelhafter Produktionsweisen mit Hilfe politischer Unterstützung in die Betriebe getragen werden. Es müssen vertrauenswürdige Fachleute herangezogen werden, die die Zustände anhand wissenschaftlicher Erkenntnisse und praktischen Erfahrungen beurteilen können. Nur in Zusammenarbeit mit den jeweiligen betroffenen Berufsgruppen kann etwas erreicht werden. Deutliche Grenzen für die Belastbarkeit der Tiere müssen gesetzt und eingehalten werden.

Ein Beispiel für diese Vorgehensweise liefert das bsi, das Beratungs- und Schulungsinstitut für schonenden Umgang mit Zucht- und Schlachttieren der Erna-Graff-Stiftung für Tierschutz, Berlin, das in Zusammenarbeit mit der Außenstelle Schwarzenbek des Fachbereichs Veterinärmedizin der FU seit drei Jahren die Mißstände auf den Gebieten Tiertransport und Schlachtung von Schweinen und Rindern erforscht und Lösungsmöglichkeiten erarbeitet. Es kann von allen beteiligten Berufsgruppen über Tierschutz bei Transport und Schlachtung befragt werden und bietet hierzu Schulungen an. Es gibt Hilfestellung bei der Konstruktion von Verladeeinrichtungen, Transportfahrzeugen, Stall-, Zutriebs- und Betäubungseinrichtungen und ist an der Entwicklung besonders schonender Schlachttechnik beteiligt. Es erarbeitet Meßverfahren, die die Grenzen der Belastbarkeit der Tiere am Schlachthof deutlich erkennbar machen und Mangel in der Fleischqualität aufzeigen. Ziel des Instituts ist es, so dem Tierschutz einen höheren Stellenwert bei der Produktion tierischer Lebensmittel zu verschaffen. Die Optimierung der Produktionsweisen darf nicht mehr zu Lasten der Tiere gehen, wenn das Motto: Gesunde Tiere - gesundes Fleisch in die Tat umgesetzt werden soll.

Gerhard von Mickwitz

Prof. Dr. Gerhard von Mickwitz, ehemaliger Leiter der Außenstelle Schwarzenbek des FB Veterinärmedizin der FU, ist der Initiator des "Beratungs- und Schulungsinstituts für schonenden Umgang mit Zucht- und Schlachttieren.


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