Die Qualifizierungsmöglichkeiten für Frauen und Männer an den Hochschulen sind formal grundsätzlich gleich. Dennoch: die realen Erfolgschancen für Frauen sind geringer als die der Männer.
Ausschlaggebend sind dafür objektive Schwierigkeiten der Frauen, die dadurch verstärkt werden, daß Vorurteile aufgrund des traditionellen Geschlechterstereotyps dazu führen, daß diejenigen, die über Stellenbesetzungen entscheiden, bei Frauen eine geringere wissenschaftliche Leistungsfähigkeit vermuten. Diese den Frauen häufig nur unterstellte Schwierigkeit wissenschaftlicher Karrieren aufgrund ihrer familiären Situation oder vermuteter zukünftig einzugehender familiärer Bindungen und der traditionellen Konsequenzen daraus geht eindeutig zu Lasten der wissenschaftlich tätigen Frauen. Einerseits erfolgt eine Benachteiligung von Frauen in Absehung ihrer zukünftigen Lebensweise, nur aufgrund weiblicher Geschlechtszugehörigkeit, andererseits führt sie in Voraussehung der zukünftigen Aufgaben und Konflikte aufgrund der zukünftigen Familienrolle zu einer Aufkündigung des Generationenvertrages, der auch für den Wissenschaftsbereich die Verantwortung für die gesellschaftliche Regeneration verlangt.
Das ist im Kern auch ein Resultat der Studie, "Wissenschaftliche Werdegänge von Frauen an der Freien Universität Berlin - Erfolgsfaktoren und -hemmnisse für Wissenschaftlerinnen im Sonderprogramm des Berliner Abgeordnetenhauses zur Frauenförderung", die als Begleituntersuchung zum Sonderprogramm zur Frauenförderung von mir durchgeführt wurde. Ergebnisse dieser Untersuchung, die keine Repräsentativität beanspruchen, sind veröffentlicht in: Arndt, Marlies u.a. (Hrsg.): "Ausgegrenzt und mittendrin - Frauen in der Wissenschaft" (edition sigma, Berlin 1993).
Damit mehr Frauen um die, durch die ab Mitte der 90er Jahre beginnende Emeritierungswelle, freiwerdenden Professuren mit ihren männlichen Kollegen konkurrieren können, hatte das Berliner Abgeordnetenhaus im Jahre 1989 finanzielle Mittel für Qualifizierungsstellen - ausschließlich für Wissenschaftlerinnen - zur Verfügung gestellt. (Der FUB kamen aus diesem Programm ursprünglich 43 C1- und C2-Stellen zu.)
Im Rahmen meiner Untersuchung über die Effizienz bzw. Nichteffizienz dieses Programms wurden die wissenschaftlichen Werdegänge der Stelleninhaberinnen auf frauenspezifische Benachteiligungen hin analysiert. Dabei ergab sich, daß Benachteiligungen die Wissenschaftlerinnen der verschiedenen Fächergruppen unterschiedlich stark treffen: Die Gruppe der befragten Medizinerinnen hatte fast ausnahmslos vorweggenommen, daß die Entscheidung für die medizinische wissenschaftliche Laufbahn die für Mutterschaft ausschließt. Allein die täglich zu verrichtende 12- bis 15-stündige Arbeitszeit wurde, neben anderen Gründen, dafür angeführt. Für die Naturwissenschaftlerinnen stellte sich die Alternative nicht so scharf einander ausschließend, obgleich nur die Optimistischen unter den Befragten bei einem 10- bis 14-Stunden-Arbeitstag, dem Angewiesensein auf Labortätigkeit, Berufs- und Familienleben als zu vereinbarende Welten ansahen. Bei den Geistes- und Sozialwissenschaftlerinnen stellte sich das Problem der Unvereinbarkeit nicht so drastisch dar, weil ihr Arbeitsplatz ihnen relativ flexible Gestaltungsmöglichkeiten bietet, worin eine Chance für das Nebeneinander von Kindererziehungs- und wissenschaftlicher Berufsarbeit gesehen wurde. Gleichwohl fühlen sich die meisten durch subtil wirkende Vorurteilsstrukturen als Frauen benachteiligt.
Was können die hier sehr komprimiert vorgeführten Ergebnisse bewirken?
Sie sollten erstens denjenigen, die Frauenförderung noch immer für ein ideologisches Zeitgeistgewächs halten, ein Nachdenken über die unterschiedlichen Schwierigkeiten von Frauen und Männern bei der Verfolgung einer wissenschaftlichen Karriere nahelegen; zweitens die Grundlage dafür sein, daß die Hochschule so umgestaltet wird, daß Traditionsbrüche, die sich beispielsweise durch die Veränderung von Geschlechterrollen zeigen, nicht nur theoretisch reflektiert werden (z.B. durch Frauenforschung), sondern gleichzeitig in ihren positiven Auswirkungen praktisch umgesetzt werden können; drittens die Rahmenbedingungen des wissenschaftlichen Arbeitens und Fortkommens so gestalten helfen, daß die Vereinbarkeit von Familien-, Kindererziehungsarbeit und Wissenschaft als Beruf für Frauen und Männer gleichermaßen möglich wird.
Die Hierarchie bei der Besetzung wissenschaftlicher Positionen an der FU, nach Angaben des Büros der Frauenbeauftragten: 4,3 Prozent der C4-Professuren sind mit Frauen besetzt ; bei der Gesamtzahl aller Professuren, also C2 bis C4, sind sie mit 9,5 Prozent vertreten, beim wissenschaftlichen Mittelbau sind sie mit 37 Prozent (als Vollzeitbeschäftigte) tätig, so der Stand vom Februar ; bei den Studierenden lag der Frauenanteil im Sommersemester 1995 bei 52,9 ( siehe auch: 2. Bericht der Frauenbeauftragten der FU: "Männerförderung und Gleichstellungspolitik an der Universität").
Verbirgt sich hinter dieser Hierarchie nicht immer noch eine ungeheure Vergeudung von Bildungsreserven? Das Problem des nicht genutzten Bildungsreservoirs war seinerzeit Anstoß für die Bildungsreform in der Bundesrepublik Deutschland. Es ist ein noch immer aktuelles Thema für die Rolle der Frauen im Wissenschaftssystem.
Elisabeth Böhmer
Elisabeth Böhmer ist Diplom-Soziologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Zentraleinrichtung (ZE) zur Förderung von Frauenstudium und Frauenforschung an der FU. Ihre neueste Veröffentlichung, "Di e Stellung der Frauenforschung an der Universität", ist zu beziehen über die ZE.