Maria, die Frau aus Nazareth, gehört zu den faszinierendsten Gestalten und Symbolen des Abendlandes. Keine andere Frau hat durch die Kraft ihrer Symbolik Glauben, Denken und Fühlen der abendländischen Christenheit intensiver und nachhaltiger geprägt als Maria. In der Geschichte ihrer Verehrung spiegeln sich Einsichten und Erfahrungen, Träume und Sehnsüchte, Wege und Irrwege von Menschen, die überzeugt waren, dass ihnen Maria bei der Suche nach einem guten, sinnerfüllten Leben helfen könne.
Die Christenheit betet in Maria die Mutter des Mensch gewordenen Gottes und die höchste Fürsprecherin an. Das polnische Volk verehrt in seiner Nationalpatronin eine Gestalt, die in der jüngsten Revolution entscheidend mitgewirkt hat. Der niederländische Schriftsteller Cees Nooteboom ist fasziniert von der "Grossen Mutter, der Nachfahrin von Isis, Astarte und Aphrodite". Feministische Theologinnen sehen in der "geheimen Göttin des Christentums" die endlich wahrzunehmende "Weiblichkeit Gottes". Und der israelische Bibelwissenschaftler David Flusser zählt Maria-Mirjam zu den "unzähligen jüdischen Müttern, die ihre grausam gemordeten Kinder beweinen".
Klaus Schreiner hat in seinem erzählenden Geschichtswerk diese Frauengestalt porträtiert. Er hat aus dem überwältigenden Reichtum an Legenden, theologischen Deutungen, politischen, sozialen und kulturellen Überlieferungen und aus dem Schatz der Ikonographie der wohl am häufigsten gemalten Frau des Abendlandes geschöpft. Entstanden ist so das Bild einer im christlichen Kosmos und in der Lebenswirklichkeit als Protagonistin agierenden Gestalt, deren Faszination und Wirkungskraft heute ebenso stark sind, wie sie es zweitausend Jahre lang gewesen sind.