Medick 1996

Medick, Hans:
Weben und Überleben in Laichingen, 1650-1900.
Lokalgeschichte als Allgemeine Geschichte.
(= Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, Band 126,
708 Seiten.)
Zwei Bände. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1996.

Die Neuerscheinung wurde vom Verlag folgendermassen vorgestellt:

Hans Medicks Buch zur Geschichte von Laichingen, einem ländlichen Ort auf der Hochfläche der Schwäbischen Alb, ist eine mikrohistorische Untersuchung einer lokalen Gesellschaft. Von der Diskussion über die sogenannte Proto-Industrialisierung ausgehend steht zunächst die hausindustrielle Leineweberei im Vordergrund, gesehen im lokalen und in überlokalem Zusammennhang. Qualitätsvolles handwerkliches Weben in Verbindung mit kleiner Landwirtschaft sicherte jahrhundertelang das Überleben. Untersucht werden die Besonderheiten der Ökonomie, soziale Strukturen, generative Verhaltensweisen, die Alltagskultur bis hin zur Bedeutung von Kleidung, Kleiderfarben und Buchlektüre, ebenso aber die Eigentümlichkeiten des Laichinger und des württembergischen Pietismus, die ihm eigene Frömmigkeit. Auf der Grundlage von Gewerbefleiss und kleinem Eigentum formte die religiöse Mentalität eine beharrungs- und anpassungsfähige Überlebenskultur.

Das mikroanalytisch genaue Eingehen auf Handlungen und Lebensgeschichten einzelner Personen, generell auf vieles Einzelne in der Geschichte dieses württembergischen Leineweberorts nimmt Lokalgeschichte ernst. Diese wird aber fortlaufend mit übergreifenden Frage- und Problemstellungen verknüpft. Lokalgeschichte und zugleich umfassende Problemgeschichte: in diesem Spannungsfeld eröffnen sich neue Einsichten in historische Prozesse, erschliessen sich Zusammenhänge der allgemeinen Geschichte. Das gilt für die Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, für historische Demographie und Kulturgeschichte, nicht zuletzt für die Frömmigkeits- und Kirchengeschichte.

Der Band gliedert sich in folgende Kapitel:

  1. Proto-industrielles Handwerk und privilegiertes Handelskapital in der 'politischen Ökonomie' Altwürttembergs. Das Leinengewerbe des ländlichen Fleckens Laichingen und das Handelskapital der Stadt Urach im Spannungsfeld von 'freyem Handel' und staatlich reglementierter Abhängigkeit
  2. Proto-industrielles Handwerk in einer ländlichen Gesellschaft. Sozial-ökonomische Bedingungen der langlebigen Dynamik des Laichinger Leinengewerbes
  3. Die longue durée einer proto-industriellen Dynamik und ihre Träger. Strukturelle und konjunkturelle Entwicklungsbedingungen des Laichinger Leinengewerbes 1722-1914
  4. Leben und Sterben. Das Regime der Mortalität
  5. Die Kultur des Ansehens in einer ständischen Gesellschaft. Kleidungsaufwand, Kleidung und Kleiderfarben im 18. und frühen 19. Jahrhundert
  6. Erbauliche Lektüre und lutherischer Pietismus. Buchbesitz und Religiosität am Ende der Frühen Neuzeit 1748-1820
  7. Postscriptum: Die sogenannte 'Laichinger Hungerchronik'. Ein Beispiel für die 'Fiktion des Faktischen' und das Problem der Überprüfbarkeit in der Darstellung von Geschichte.

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