Um die Bewilligung zu erhalten, dramatisiert der US- Prädident die Situation in Südosteuropa zu einem globalen Kriegszenario, in dem der Wille einer Minderheit "mit Gewalt der Mehrheit gegenüber geltend gemacht wird". Da die politische Stimmung im Lande inzwischen deutlich antitotalitär und antisowjetisch ist, wird die Erklärung seiner politischen Zielsetzung als programmatische "Truman-Doktrin" aufgefaßt und akzeptiert: "Ich bin der Ansicht, daß wir den freien Völkern beistehen müssen, ihr eigenes Geschick auf ihre Weise zu bestimmen. Ich glaube, daß unser Beistand in erster Linie in Form von wirtschaftlicher und finanzieller Hilfe gewährt werden sollte, eine Hilfe, die wesentlich ist für die wirtschaftliche Stabilität und ordnungsgemäße politische Entwicklung."
US-Präsident Harry S. Truman spricht vor dem amerikanischen Kongreß |
Mit diesem amerikanischen "Radikalenerlaß" versucht sich die Truman-Regierung innepolitische Glaubwürdigkeit zu sichern; sie leistet damit Tendenzen der Subversionshysterie Vorschub, die sich bald darauf im Komitee für unamerikanische Aktivitäten des Abgeordnetenhauses regen.
Nach dem Scheitern der Moskauer Außenministerkonferenz plant Ehard eine Konferenz der Ministerpräsidenten aller deutschen Länder als Initiative zur Bewahrung der Einheit der Nation. Während der Vorbereitungen stellt sich heraus, daß den Länderchefs aus der Französischen Besatzungszone eine Teilnahme nur gestattet ist, wenn nicht über politische Fragen zur deutschen Einheit verhandelt wird. Man vereinbart folglich eine Tagesordnung zu den Problemkreisen Ernährungsnot, Wirtschaftsnot und Flüchtlingsnot. Vorbesprechungen der Ministerpräsidenten der fünf Länder in der Sowjetischen Besatzungszone sowie innerhalb der SED-Führung resultieren in einer anderen Verhandlungsstrategie. Als die kaum noch erwarteten Vertreter der Ostzonen-Länder am 5. Juni überraschend in München eintreffen, verlangen sie, als ersten Verhandlungspunkt die "Bildung einer deutschen Zentralverwaltung" anzusetzen. Da die westlichen Ländervertreter sich nicht imstande sehen, gegen den Vorbehalt der französischen Besatzungsmacht zu entscheiden, reisen die Ministerpräsidenten aus der Sowjetischen Besatzungszone noch am selben Tage wieder ab.
In der Macht der Konferenzteilnehmer liegt es damals wahrscheinlich nicht, den Fortgang der deutschen Spaltung aufzuhalten. Immerhin zeigt die Entscheidung, der bedingten Verhandlngsbereitschaft der ostzonalen Konferenzteilnehmer weniger Gewicht beizumessen als der verordneten Beschränkung der Ministerpräsienten aus der Französischen Zone, daß man auf westlicher Seite für eine Initiative zur Bewahrung der Einheit der Nation nicht sehr viel riskieren will. Jedenfalls ist man sich der Konsequenz bewußt, daß ein Scheitern gemeinsamer Verhandlungen "die Spaltung Deutschlands bedeute" (Ehard).
Holzschuhverkäuferinnen im kriegszerstörten Berlin |
Bezug nehmend auf das kurz zuvor von Präsident Truman verkündete Engagement der USA in Griechenland und der Türkei, sieht der sowjetische Kommentator in Marshalls Vorschlägen "im Grunde genommen denselben Trumanplan der Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten". Die Befürchtung, eine Integration der osteuropäischen Staaten in das geplante Wiederaufbauprogramm könnte möglicherweise die Kontrolle der sowjetischen Politik über die eigene Einflußsphäre in Frage stellen, ist angesichts der von den USA bevorzugten Methoden der wirtschaftlichen Zusammenarbeit nicht ganz abwegig.
Während der bald darauf in Paris beginnenden Gespäche kommt es zu keiner Annäherung der Standpunkte. Am ersten Juli erhält Molotow ein Telegramm aus Moskau, das ihn veranlaßt, die britisch-französischen Vorstellungen zum Wiederaufbau Europas im Rahmen des Marshall-Plans zurückzuweisen. Entsprechend der sowjetischen Besorgnis über die wirtschaftliche Überlegenheit der USA lehnt er ein gemeinsames Wiederaufbauprogramm als "zur Beseitigung der wirtschaftlichen Unabhängigkeit führend" und deshalb "mit der Wahrung der nationalen Souveränität unvereinbar" ab.
Auch die Regierungen der osteuropäischen Staaten sagen ihre Teilnahme zunächst zu. Sie werden dann jedoch von Moskau unter Druck gesetzt und zur Absage veranlaßt. Jugoslawien, Rumänien, die Czechoslowakei, Ungarn, Albanien, Polen und selbst Finnland sagen ab. Damit erweist sich, über wieviel Souveränität die unter sowjetischem Einfluß stehenden Regierungen tatsächlich verfügen. Ihr erzwungener Verzicht auf westliche Wirtschafthilfe und europäische Zusammenarbeit vertieft die Teilung des europäischen Kontinents erheblich.
Propaganda gegen den Marshall-Plan während der Herbstmesse in Leipzig |
In einer Artikelserie des amerikanischen Journalisten Walter Lippmann, die sich mit Kennans Eindämmungskonzept kritisch auseinandersetzt, charakterisiert der Autor den Ost-West-Gegensatz als "Cold War". Die zunächst von der "New York Herald Tribune" veröffentlichten Artikel erschienen noch im selben Jahr als Buch: Walter Lippmann - The Cold War, New York 1947.
Oberst Tulpanow im Gespräch mit Vertretern der Verwaltung in Berlin, 1947 |
Das Präsidium des II. Parteitages der SED im September 1947 im Berliner Admiralspalast |
Trotz ihrer Strategie, eine Ausdehnung der US-Wirtschaft auf den europäischen Märkten möglichst zu beschränken, ist die sowjetische Führung lange Zeit unschlüssig, wie sie sich gegenüber der erfolgreich eingeleiteten amerikanischen Offensive verhalten soll. Erst im September erklärt sie sich deutlich. Eine Tagung kommunistischer Parteiführungen in Polen, an der auch Delegationen der französischen und italienischen KP teilnehmen, bietet dem sowjetischen Chefideologen Shdanow Gelegenheit, den Marshall-Plan als einen "Plan zur Versklavung Europas" zu verurteilen. Er sei Ausdruck eines "aggressiven, unverhüllt expansionistischen Kurses", den die USA, "die Hauptkraft des imperialistischen Lagers", in Europa verfolge. Die neue Entschiedenheit, die "Expansionsgelüste" des Kapitals zurückzuweisen, führt auch zu einer Kritik am bisherigen Verhalten der großen kommunistischen Parteien in Frankreich und Italien. Hatten diese in der unmittelbaren Nachkriegszeit eine Volksfrontpolitik des gemeinsamen Wiederaufbaus verfolgt, Sozialisierungsforderungen zurückgewiesen und durch Regierungsbeteiligungen zur innenpolitischen Stabilisierung beigetragen, so werden sie nun aufgefordert, sich wieder auf die revolutionären Grundlagen der kommunistischen Bewegung zu besinnen und sich der von den USA gesteuerten Politik ihrer Länder zu widersetzen. Shdanow nutzt die Gründungskonferenz des KOMINFORM zur weiteren Verdeutlichung der sowjetischen-kommunistischen Position. Wenn Präsident Truman im März von unvereinbaren "Lebensweisen" einer "freien" westlichen und einer "unfreien", sowjetisch-dominierten Welt gesprochen hatte, so sah er nun zwei sich unversöhnlich gegenüberstehende Lager: Das "Friedenslager" der sozialistischen Staatenwelt sei bedroht von dem Lager des "aggressiven amerikanischen Kapitalismus".
Clay bezeichnet die Rede als den ersten öffentlich vor deutschen Zuhörern vorgetragenen Angriff eines offiziellen Besatzungsvetreters gegen eine andere Besatzungsmacht; er verlangt eine offizielle Entschuldigung, die jedoch seitens der Sowjetischen Militäradministration nicht in der gewünschten Form erfolgt.
Ein Referat des Amerikaners Melvin Lasky über "Kulturelle Freiheit", worin die UdSSR als totalitäre Diktatur bezeichnet wird, ruft scharfe Erwiderungen der sowjetischen Deligierten hervor. Der Schriftsteller Günther Weisenborn erinnert später: "Noch ging der Traum vom großen Gespräch um. Ein Kongreß der Gehirne, ein Orchester der Temperamente war geplant. Aber bald wurde die große Sprachverwirrung deutlich. Es gab viel Unruhe, es gab Spiegelfechtereien, es gab Mißtrauen, Zorn, ja Haß."
Geplant ist eine Informationskampagne zum besseren Verständnis von amerikanischer Politik und Demokratievorstellung sowie zur Bekämpfung der sowjetischen Propaganda in Deutschland. Im Zuge dieser propagandistischen Gegenmaßnahmen räumen die Amerikaner auch der deutschen Presse größere Freiheiten im Umgang mit dem politischen Gegner ein.
Johannes R. Becher, der Präsident des Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschlands |
Die Aufnahme des Stückes, das Offizieren der Deutschen Wehrmacht wieder einen Bühnenauftritt ermöglicht, ist zunächst umstritten, doch entwickelt es sich dann zum größten Theatererfolg der Nachkriegszeit. Der darin abgehandelte Konflikt zwischen soldatischer Ehre und der Pflicht zum Widerstand fügte sich passend in die bald beginnende Diskussion um die Rehabilitiereung der deutschen Soldaten.
Die von den kommunistischen Parteien und Gewerkschaften unterstützten Streiks sind Bestandteil der neuen KOMINFORM-Strategie, die den Marshall-Plan als Angriff auf das sowjetische Sicherheitssystem in Osteuropa interpretiert und folglich darauf aus ist, daß von den USA angebotene Wiederaufbau-Programm auch in Westeuropa innenpolitische zu diskreditieren. Wegen des Kulturbundverbots wendet sich dessen Präsident Johannes R. Becher in einem offenen Brief an PEN-International und UNESCO.
In Erwartung einer zunehmenden Verhärtung der Positionen in der Deutschen Frage haben die Westmächte schon begonnen eine ihnen genehme Lösung vorzubereiten. So verabreden sich die drei westlichen Außenminister unmittelbar nach Schluß der Konferenz, demnächst ohne die Sowjetunion, aber mit Vertretern der Benelux-Staaten wieder in London zusammenzutreffen. Im Februar des kommenden Jahres tritt die vereinbarte Sechs-Mächte-Konferenz erstmals zusammen.
Die von der SED initiierte Volkskongreßbewegung zielt darauf ab, auch bürgerliche Kreise für eine außerparlamentarische Volksvertretung zu gewinnen, um durch sie Einfluß auf das Parteiensystem zu nehmen. Die LDP kann für das Vorhaben gewonnen werden, die für die Ost-CDU zuständige Parteiführung in Berlin - insbesondere die Vorsitzenden Jakob Kaiser und Ernst Lemmer - lehnt eine Teilnahme jedoch entschieden ab. Während seiner zweitägigen Verhandlungen verabschiedet der Volkskongreß eine an die Londoner Außenministerkonferenz gerichtete Resolution zur Wiederherstellung der deutschen Einheit. Die Kongreßresolution soll von einer Delegation in London den Außenministern der vier Mächte übergeben werden, die Britische Militärregierung erteilt dieser jedoch keine Einreisegenehmigung. Auch ein am 15. Dezember von Sowjetaußenminister Molotow gestellter Antrag, die Delegation zu empfangen, bleibt erfolglos.
Jacob Kaiser spricht 1947 im Berliner Friedrichstadtpalast |
Ernst Lemmer auf einer Wahlveranstaltung der CDU in Westberlin, 1956 |