Was als zentraler
Aspekt des Denkens des Gleichen an den Tag tritt, ist die Wiederholung.
Die Wiederholung eröffnet einen Raum zwischen den Doppeln, zwischen
den >Gleichen<: das Und. In diesem Raum, in diesem Dazwischen entsteht
die Zeit, die sozusagen zwi-schen dem Doppel und demjenigen, was sich in
dem Doppel wieder-holt, vermittelt.
So wird die Zeit
zum Prüfstein der Frage: Was ist der Mensch? Durch die Zeit gerät
dasjenige, was sich als ein Doppel wieder-holen läßt zum Gleichen
und gerade nicht zum Selben. So beschreibt Foucault in der Wiederholung
den zentralen Wechsel von der Identität von Differenz und Identität
hin zur Differenz von Identität und Differenz: Die Zeit, die sich
in der Wiederholung einstellt, hindert den Menschen daran, zu sich zu kommen,
identisch mit sich selbst zu sein.
Das Verschwinden
des Menschen zeichnet sich so ab in den Wiederholungen, in einem Denken
des Gleichen und ist der Zeit geschuldet. Mit diesem Verschwinden eröffnet
sich für Foucault jedoch eine Leere, die "[..] nichts mehr und nichts
weniger [ist, J.W.] als die Entfaltung eines Raums, in dem es schließlich
möglich ist, zu denken." * |
*
Michel Foucault: a.a.O., S. 412. |
Doch ergeben sich in Bezug auf diese Leere
Fragen, da sich mit den Ausführungen zum Ursprung Möglichkeiten
des Habhaftwerdens der Zeit einzustellen scheinen, in einem zeitlosen Riß
das Denken zu sich kommen soll: Ist die Leere, die nach Foucault einen
Raum entfaltet, in der das Denken wieder möglich ist, tatsächlich
dieselbe Leere, dasselbe Nichts, von dem aus Nietzsche den Menschen zu
denken sucht und den Übermenschen findet? Oder anders formuliert:
Ist Foucault tatsächlich bereit, wie dies Gilles Deleuze in seinen
Ausführungen zu dem Werk Foucaults beschreibt, die Frage nach dem
Menschen mit dem Übermenschen zu beantworten?
Es liegt zunächst nahe, den Riß,
den Foucault in seinen Ausführungen zum Zurückweichen
und zur Wiederkehr des Ursprungs beschreibt, als eine Weise des
Denkens zu fassen, die zum einen nicht hinter die gezogene Linie von einer
Differenz von Identität und Differenz zurückfällt; die aber
zum anderen eben auch einen Ausweg zu bieten scheint aus dem Hin- und Hergewogen-Werden,
dem Oszillieren in Wiederholungen, dem Anthropologischen Schlaf
(Foucault). Das Aufwachen aus diesem Schlaf wäre dann durch eine Tötung
der Zeit zu erreichen, um diese zu begründen.
So greift dann auch Deleuze in seinem
Aufsatz: Der Mensch, eine zweifelhafte Existenz auf die Metapher
von dem Riß zurück, um das von Foucault geforderte Denken in/aus
einer Leere zu explizieren: "Tatsächlich fordert uns die Analytik
der Endlichkeit nicht dazu auf, die Wissenschaft vom Menschen zu betreiben,
sondern vielmehr dazu, ein neues Bild des Denkens zu entwerfen:[...] ein
Denken, das von sich aus in Beziehung zum Dunkel steht und in seiner ganzen
Länge von einem Riß durchzogen wird, ohne den es sich doch nicht
entfalten könnte. Dieser Riß kann nicht beseitigt werden, weil
er selber der höchste Gegenstand des Denkens ist: der Mensch vermag
ihn weder zu beseitigen noch zu kitten, weil er im Menschen das Ende des
Menschen oder der Ursprung des Denkens ist. Das Cogito eines aufgelösten
Ich ..." ** |
**
Gilles Deleuze: Der Mensch, eine zweifelhafte Existenz, in Gilles Deleuze,
Michel Foucault: Der Faden ist gerissen, Berlin 1977, S. 17 u. 18. |
Doch gibt Foucault am Ende des 9.Kapitels
einen Hinweis, daß dieser Schlaf mit keinem anderen Mittel überwunden
werden kann, "[...] als das anthropologische Viereck bis in seine
Grundlagen hin zu zerstören." *** Hier
scheint es zumindest so, daß Foucault eben auch den Riß nicht
als einen Ausweg anerkennt, zumal dieser auf eine Linie verweist, die vom
Menschen zum Übermenschen verläuft. Man hat den Eindruck, daß
Foucault die Frage nach dem Menschen selbst verwerfen muß, will er
nicht mehr nur anderen Ausformun-gen, die nach dem Tode des Menschen ihren
Auftritt haben werden, das Wort reden. Die Hoffnung, die Deleuze in die
Ankunft einer neuen Form - nach Gott und nach dem Menschen - setzt, und
sei die Hoffnung auch nur, "[...] daß sie [die Form, J.W.] nicht
schlimmer sein wird als die beiden vorausgehenden." ****,
ist seine eigene, nicht diejenige Foucaults. Der Raum, der durch die Zeit
ersteht und derjenige, in dem Foucault ein neues Bild des Denkens
verortet, sind dann nicht dieselben.
Wenn also der
Tod des Menschen die Wiederkehr des Anfangs der Philosophie ist, so
stellt sich an dieser Stelle die Frage: Was ist Philosophie?
Kann diese sich
noch nach der Ordnung der Dinge in irgendeiner Form um den Menschen
bemühen? |
***
Michel Foucault: a.a.O., S. 411.
****
Gilles Deleuze: Foucault, Frankfurt a.M. 1997, S. 189. |
|
|
|