"Schlecht, Schräg und genau richtig"

" Ich würde es jeder Frau wirklich empfehlen. Es ist einfach ein anderes Gefühl, wenn man mal ein Gential zwischen den Beinen hat", lacht Namjira auf die Frage hin, wieso sie sich seit kurzem als Mann verkleidet auf Bühnenshows präsentiert. Die ausgebildete Tänzerin hat seit kurzem ihre Leidenschaft für Drag entdeckt. „Es ist eben einfach spannend eine andere Ebene auch mal mitzukriegen“.

Im Jahr 2015 spielen die Themen Genderzugehörigkeit und Genderpolitk eine immer größer werdende Rolle. Aber soll man sich stur seiner, von der Geburt an vorgegebenen Genderrolle fügen? Namjira ist da anderer Meinung. Ihre Devise lautet:"Habt Spaß! Spielt mit eurem Leben, spielt mit eurer Sexualität und mit euren Grenzen".

Aber was verleitet eine junge Frau dazu sich als Mann zu schminken und mit Nummer wie "I'm Just a Sweet Transvastite", das Publikum ins Grübeln zu bringen, ob sich ein Mann, oder eine Frau auf der Bühne befindet? Namjiras Antwort darauf ist simpler als gedacht - "Don't dream it! Be it!"

Video from Goth-United

Let's Make Up !

M an kann sich kaum vorstellen wie viel Make Up benötigt wird, um ein weibliches Gesicht zunächst einmal in ein männliches zu verwandeln. Stirn, Kiefer, Nase und Wangenknochen werden mit dunklem Puder hervorgehoben, um männliche Kanten im Gesicht zu erzeugen. Und Gesicht ist nicht gleich Gesicht, für jede Figur kreiert Namjira ihr eigenes Make Up. "Man ist ja auch noch sein eigener Make Up Artist. Würde ich immer mein ganzes Make Up mitnehmen, bräuchte ich sicher nen Trolli".

Aber eine Sache darf natürlich nicht fehlen:Glitzer

Ich muss noch nen Eyeliner ziehen – ach nein! Ich bin ja ein Mann Namjira
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Mehr als eine Stunde dauert allein das Make Up für Franka. Aber damit ist die Verwandlung noch nicht komplett. Neben dem Kostüm gibt es noch eine Sache die fehlt - und zwei Dinge, die zu viel sind. Mit Sportstape werden die Brüste weggebunden und das sogenannte "Packing" wird in der Hose für einen männlich aussehenden Schritt positioniert. "Frauen lassen sich oft über Männer aus, wenn sie breitbeinig sitzen. Ich nicht. Weil ich weiß, es ist eben einfach sehr viel angenehmer."

Nach getaner Arbeit stellt "Franka" zufrieden fest Schlecht und Schräg

Das ist auch so ein Moment, vor dem man keine Angst haben darf. Nämlich, dass man einfach mal Scheiße aussieht. Namjira

Franka - Die Kunstfigur

M ännerfiguren sind im Drag meist weniger schillernd als weibliche Figuren und genau das hat Namjira gestört. Aus diesem Grund sucht sie sich Figuren aus, die mehrere Facetten haben und - neben übertrieben männlichen - auch weibliche Kennzeichen haben. Und genau so ist Franka Furter entstanden.

Copyright Jascha Photographer

Der Name "Franka Furter" sollte einigen zumindest teilweise bekannt vorkommen. Denn Namjiras erste Drag Nummer ist eine Hommage an die Figur "Frank N Furter" aus dem Kultfilm "The Rocky Horror Picture Show". "Franka ist im Endeffekt Frank N Furter, der eben jetzt von einer Frau dargestellt wird, die einen Mann darstellen will, der eine Frau darstellt." Namjiras Grinsen wächst, als sie erzählt, warum sie sich bei dieser Rolle für einen sogenannten "Metadrag" entschieden hat: "Eine Drag Queen ist bekannt, und ein Drag King, aber mit Franka ist das Gendergewusel dann perfekt."

"Und ich frag mich: Warum"

P ompöses Make Up und ein Glitzerkostüm übernehmen einen großen Teil der Arbeit, aber noch nicht alles. Körpersprache, Mimik und Gang müssen komplett neu entwickelt werden für perfekte Authentizität. Ist die Figur fertig, ist der Mensch dahinter kaum wieder zu erkennen. "Wenn ich das Kostüm trage, schlüpfe ich in die Rolle" erklärt uns Namjira. "Man nimmt eine andere Körpersprache an, und es ist auch eine Schutzfunktion, weil man den privaten Menschen dahinter nicht immer zeigen möchte".

Video from Goth-United

Im Drag gilt es, einmal jemand anderes zu sein. Unabhängig von Geschlecht und Herkunft und abseits von jeglichen Tabus. Hemmungen und Scham verschwinden hinter Glitzer und Rüschen. Es gilt, jemanden darzustellen, der man sein will, oder auch nicht sein will. Es sind schillernde Augenblicke auf der Bühne, bei denen man zeigen kann, was in einem steckt, was man sich erarbeitet hat und was man aus sich machen kann. "Die Figur geht vielleicht mit "BÄÄM" auf die Bühne, aber der Mensch in dem Kostüm hat natürlich trotzdem weiche Knie" verrät uns Namjira. Nichtsdestotrotz ist Drag noch immer verpönt und hat einen eher negativen Ruf in unserer Gesellschaft. Namjira kritisiert, dass Menschen zu Halloween oder Karneval sich nur noch oberflächlich verkleiden. Es gilt nur noch hübsch oder sexy zu sein. "Die Leute trauen sich einfach nicht mehr, hässlich und verrückt zu sein. Und ich frage mich: warum..."

Don't dream it! Be it! Namjira


Impressum

Autoren, Texte, Bilder und Audio:
Mara Dell
Diep Anh Pham

Ein Projekt des Instituts für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Freien Universität Berlin in Zusammenarbeit mit dem Medieninnovationszentrum Babelsberg (MIZ).

Mit freundlicher Unterstützung von Jascha Photographer, Goth United und Namjira




Potsdam, Berlin ­ November, 2015

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