Bebildertes Stichwortskript zum Vorlesungsteil 5:
Jungpaläozoikum (Karbon, Perm)

von Reinhold Leinfelder, LMU


Verwenden Sie zusätzlich die Schwarz/Wei8- Abbildungen (pdf , 3.4 MB) und Farb-Abbildungen (pdf, 3,6) zu diesem Kapitel zur weiteren Erläuterung.

4. JUNGPALÄOZOIKUM (Karbon, Perm)

Übersicht: (Beiblatt 34, 40, 43)

Karbon:

Perm:

Gliederung:

5.1 Entwicklung des Lebens im Jungpaläozoikum

5.1.1 Marines Leben

Karbon und Perm z.T. ähnlich Devon, jedoch viele Ausnahmen:

Riffassoziationen:

Mollusken-Crinoiden-Gemeinschaft am Fuße von Riffmounds des Karbon.
Aus McKerrow: Ökologie der Fossilien.

im Einzelnen:

Echinodermen:

Crinoiden extrem verbreitet im Unterkarbon: überall Crinoidenkalke. Gewisser Korallenersatz? Auch im Perm sind Echinodermen verbreitet. Perm von Timor: Blastoideen (Timoroblastus), Crinoideen, erste moderne Seeigel aus 20 Plattenreihen (Miocidaris).

Brachiopoden:

wichtig, nicht nur im Riff:

Besiedlung neuer Lebensräume mit neuen Strategien (Blatt 44).

a) Leben auf Weichboden: Productiden (mit Liegestacheln)
b) korallenartiges, zementiertes Wachstum: Richthofenien (nur Perm): Riffe, z.B. im Sosio-Kalk in Sizilien (höh. U. Perm).

Normale Brachiopoden ebenfalls rel. häufig. Übergangszeit: noch Spiriferiden (Neospirifer, Karbon), schon viele Terebratuliden (Dielasma).

Sonstige marine Fauna

Ammoniten (Ammonoidea): Wieder erholt nach Oberdevon-Krise (Clymenien weg, Anarcestiden weg). Rediversifizierung, Goniatiten erneut große Vielfalt. Stärkere Fältelung der Lobenlinie, aber fast alle noch glattschalig, auch kugelige Formen. Leitfossilien (Blatt 38, 43, 44).

Lobenlinie verkompliziert sich.

neue Gruppen:




Gastropoden: vergleichbar Devon

Bivalven: manche Formen häufig, relativ rasche Entwicklung; übernehmen langsam Brachiopoden-Environments ->

Pseudomonotis, Pteriaceen Schizodus-Typ

Foraminiferen: zum ersten Mal gesteinsbildend (ab O.Karbon), zum ersten Mal Großforaminiferen: Fusulinen, sehr gute Leitfossilien (Großforaminiferen immer benthisch, warmes Flachwasser); 500 Arten im Perm (vgl. Blatt 43).

Erste Formen: Endotyhyra > O.Karbon nichtperforierte Gehäuse > Perm perforierte Gehäuse, zunehmende Septenfältelung

O. Perm Neoschwagerina etc.
U. Perm Parafusulina
Pseudofusulina
Pseudoschwagerina
O. Karbon Tricites
Fusulina
Fusulinella
U. Karbon Millerella
Endothyra

Conodonten: Leitfossilien. v.a. Arten von Gondolella und Neospathodus.





Fische: ähnlich Devon


5.1.2 Terrestrisches Leben

Landpflanzen

Sehr gute Erhaltung in Kohlesümpfen (wenn nicht zu stark inkohlt). Für Kohlebildung enormer Anfall organischen Materials:
mehrere Kubikmeter Pflanzen -> 1 Kubikmeter Kohle

Übersicht:

Wichtigste Pflanzen

Lepidodendron Sigillaria Glossopteris



Abb. oben/unten aus Stanley



1. Florensprung: im Namur (d.h. an internationaler Grenze Unter-/Oberkarbon): Aussterben vieler Arten, Weiterentwicklung der Samenfarne zu echten Gymnospermen (Nacktsamer):

  1. Cordaiten: Coniferenvorläufer, bis 30 m Höhe, bildeten schon Wälder (Cordaiten nur O.Karbon bis unterstes Perm)
  2. echte Coniferen ab Oberkarbon: Walchia

2. Florensprung: Grenze Unter-/Oberperm: Nadelbaumdominanz (sehr mesozoischer Charakter, deshalb auch als Beginn des Mesophytikums bezeichnet). Coniferen oft mit Jahresringen (akzentuiertes Klima mit Klimakontrasten); auch noch Samenfarne von Bedeutung (z.B. Glossopteris).

Tiere des Festlandes (auch aquatisch)

Süßwassermuscheln: In Kohlesümpfen wichtig (z.B. Carbonicula, Anthracosia)

Insekten:

Fische, siehe oben (marin)

Amphibien:

keine modernen Gruppen, v.a. Labyrinthodontier (= Stegocephalen), bis 6 Meter, einige wohl komplett auf Land (bis auf Fortpflanzung): Schutzschuppen.
Unterperm: Eryops (carnivor), Branchiosaurus
z.T. biostratigraphische Gliederung mit Fährten (Rotliegendes)

Oberperm Amphibien stark abnehmend, von Reptilien verdrängt.


Dachschädler-Amphib Eryops (aus Stanley)

Reptilien

    1. Pelycosaurier: Dimetrodon (U. Perm), Edaphosaurus, wichtige Räuber, können Beute zerreißen, noch kaltblütig, ab er evtl. schnelle Aufheizung durch Rückensegel möglich. (Abb. aus Stanley)

    2. daraus: Therapsiden: ab höherem Perm, z.B. Lycaenops: (Abb. aus Stanley)

Therapsiden in hohen Paläobreiten auf Gondwana (Oberperm von S.-Afrika) (aus Stanley).


5.2 Paläogeographische Entwicklung

5.2.1 Generelle Züge (Folien 40, 43)

Golonka-Karte: Unterkarbon (zum Vergrößern anklicken) Golonka-Karte: Oberperm (zum Vergrößern anklicken)

Weitere Weltkarten siehe Farbskript.

Unterkarbon:

Oberkarbon:

Perm:

Perm-/Trias-Grenze: Größtes Artensterben der Erdgeschichte an der Perm-/Trias-Grenze


5.2.2 Regionale Beispiele

5.2.2.1 Karbon:

Zentraleuropa:

wollen Sie zur Wiederholung nochmals die entsprechenden Abbildungen fürs Mittlere Paläozoikum sehen?


Hinweis: "Orogene Phasen" (sensu Stille) sind oben nur als Annäherung gebraucht. Tatsächlich sind diese nicht isochron, sondern erstrecken sich jeweils über einen längeren Zeitraum. Die Sudetische Phase ist z.B. hier als übergeordneter Begriff für viele lokale Kompressions- bzw. Diskordanzereignisse verwendet.

Steinkohlevorräte: Steinkohle Mitteleuropa: 114 Mrd t, ca. 20% Weltvorrat.

Abfolge im Rhenoherzynikum (geht in subvariszische Saumsenke über) (vgl. Beiblatt 38):

Westphal C Velen
Dorsten
B Horst
Essen
A Bochum
Witten
O. Namur Spröckhovel-Schichten

> 100 Flöze, v.a. Westphal. Kohlen zuerst paralisch, später limmnisch.

Nachtrag (vom 13.6.03): demnächst erscheint eine neue Arbeit zur Terrantektonik der europäischen Varisziden. Wir liegen mit unseren Annahmen davon nicht sehr weit weg. Die Arbeit fokussiert insbesondere auf die Terrane südlich des Armorikanischen Terrans (d.h. südlich des Saxothuringikums. Nach dieser Arbeit kollidiert im Karbon eine gesamte Kette verbundener Terrane mit dem europäischen Kontinent und nicht unbedingt Gondwana selbst. Diese, als "Hunic terranes" bezeichnete Gondwana-Terrankette hat gewisse Ähnlichkeiten zum späteren Gondwana-Terranverbund Cimmeria (siehe Trias), d.h. sie wandern ebenfalls von Gondwana nach Norden.

Schauen Sie sich die Schlüsselabbildungen sowie das Abstract der Arbeit an und lesen ggf. nach Erscheinen in Tectonophysics den ganzen Artikel!


Geologische Karte des Grundgebirges von Mitteleuropa.
Anklicken des Bildes vergrößert die Karte und zeigt zusätzlich ein geologisches Querprofil.
Aus Franke (2002).


aus Franke (2002).

Kantabrien (Blatt 42):

eigenständiges Gonwana-Terran, welches im Karbon kollidiert.

Nordamerika:

5.2.2.2 Globale Vorschau: Permokarbon bis Mesozoikum

Zusammenfassend zu oben und Vorschau auf restliche Erdgeschichte:

Auf 'Kratonen': ab Zechstein bis Kreide: Meeresspiegel mehr oder weniger kontinuierlich steigend > epikontinentale Überflutungen (z.B. Süddeutschland):

Gleichgewichtsverhältnisse zwischen:

z.T. modifiziert durch Klima (arides Klima: kaum siliziklastischer Eintrag).

Generell mehr Epikontinentalmeere in Europa. In nordamerika wegen mesozoischen Orogenesen am W-Rand anderer Trend. Gondwana lag generell zu hoch für marine Ingressionen (von Ausnahmen abgesehen).

5.2.2.3 Regionale Beispiele: Perm

Europa

vgl. Ziegler-Karten: (O. Devon) | Visé | Westphal | Permokarbon | Rotliegend | Zechstein (Kurspasswort notwendig)

(oder direkt mit Legende hier: (spezielles Passwort notwendig).

Übersicht: Europa im Perm

SW-Deutschland, Mitteldeutschland:

Zu Abb. unten:

Intramontane Senken im Variszischen Gebirge; teils Relikte von Faltenmulden, teils kontinentale Strike-Slip-Becken. (vgl. Blatt 45).

Typusgebiet: Saar-Nahe-Becken.

zu Abb. unten: Lithostratigraphische Gruppengliederung im Typusgebiet des Saar-Nahe-Beckens:

Weitere Hinweise zur Lithostratigraphischen Typusgliederung (vgl. mit Abb. oben rechts):

Norddeutschland, Nordsee:

a) Rotliegendes:

Im Nordseebereich viel äolisch, sowie salinare Endseen: -> Speichergesteine, Abdichtung z.T. durch Evaporite oder strukturell. Muttergesteine jünger (v.a. Kimmeridge-Clay): erst spätere Strukturierung.

Rotliegendspeicher z.B.

b) Zechstein:

vgl. Übersichtszeichnung: Europa im Perm.

Fünf Salzzyklen im südlichen permischen Becken:

Zechsteinkalk: bis ca. Main nach Süden; in Hessen, Thüringen, Polen, England weit verbreitet. > 100 Arten mit Algen-Bryozoen-Stromatolith-Riffen.

Kupferschiefer: max. 2% Kupfer (in Schwarzschiefern): früherer Abbau z.B. Mansfeld,Ostharz; Richelsdorf, Hessen.

Faziesgeometrie für Z1:

Genrelle Faziesgeometrie eines theoretischen, vollständigen Zyklus vom Beckenrand (links) zum Becken (rechts):

Im südl. Nordsee-Becken Salze bereits im Rotliegenden. insg. > 1500 m Evaporite!

Speichergesteine: v.a. Zechsteindolomit (Schelffazies), v.a. in Polen und England

Salze -> spätere Halokinese: wichtige Fallen. Aufstieg ca. ab Oberjura.

Alpen:

Perm v.a. in Ostalpen, Karnischen Alpen, Dolomiten (s. Blatt 43).

Abb. oben: permische Schichtfolgen in Nördlichen Kalkalpen (heute Ostalpin) und Südalpen (Dolomiten, Karnische Alpen). Abb. oben: heutige Struktur der östlichen Alpen. Zur Lage von Ostalpin, Karnischen Alpen und
Südalpin zur Permzeit siehe Weltkarten (Anlagen).

Zur näheren paläogeographischen Entwicklung der Alpen (inkl. paläogeographischer Karten) vgl. die Kapitel zu Trias, Jura, Kreide



Ural: Einengung und Auffaltung:

Nordamerika:

Schrägluftbild des Delaware-Beckens
zum Vergrößern bitte anklicken
(aus Stanley)

Paläogeographische Skizze für Nordamerika im Perm

Delaware-Becken wichtiges Ölbecken (Texas, N-Mexiko) mit Capitan Reef (siehe Abb. rechts): Kalkschwamm-Algen-Bryozoen-Zementkrusten-Riff.

Sehr einfaches Oilplay:

Gondwana

Situation vom Kambrium bis in den Jura hinein ähnlich:

  • iam allgemeinen Meeresvorstöße nur randlich
  • nur selten marine Vorstöße entlang Trennfugen der späteren Kontinente (z.B. O. Karbon: Eurydesma-Schichten, Callovium bis Kimmeridge: Madagaskar-Straße)
  • ausgedehnte Inlandseisfelder: Oberordoviz in Sahara-Region. Oberkarbon-Perm: Südafrika, Antarktis, Indien, Südamerika etc.
  • weite intrakratonische, terrestrische Becken: Oberkarbon - Jura (-Kreide) mit mächtigen Siliziklastikaserien, an Basis Tillite, auch Kohlen. Viele Wirbeltierfunde.
  • Ab Trias, v.a. ab Jura Vulkanite als Vorboten des Zerbrechens. Indien auch Alttertiär (Dekkan-Trappe).


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letzte Änderungen 13.04.2003 durch R. Leinfelder