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Erschienen in Manuskriptform im Schulmaterial zum Internationalen Jahr des Riffes 1997 von IYOR-Deutschland.
Dieses Schulmaterial erscheint demnächst als Vollpublikation in PROFIL (vorauss. Bd. 12, 1997)
Der Artikel stellt einen Vorabdruck dar. Copyright beim Autor, auch für die Fotos.


Riffe im Weißen Jura der Schwäbischen Alb

(mit Exkursionsvorschlägen)

 

GÜNTER SCHWEIGERT, STUTTGART

Adresse des Autors:
Dr. Günter Schweigert, Staatliches Museum für Naturkunde, D-70191 Stuttgart

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DIE FELSEN DES ALBTRAUFS

In den meisten Gebieten der Schwäbischen Alb wird die Steilstufe des nördlichen Stufenrands ("Albtrauf") von massigen Kalkfelsen ohne deutliche Schichtung gebildet. Diese Kalke wurden vor etwa 150 Mio. Jahren zur Zeit des Oberen Jura in einem warmen, tropischen Meer gebildet. Wegen der hellen Farbe der Kalke wird die Gesteinsabfolge des Oberen Jura der Schwäbisch-Fränkischen Alb auch "Weißer Jura" genannt. Durch genauere Untersuchungen fand man heraus, daß es sich bei den massigen Felsen um Riffgesteine handelt, die aus den Resten von Kieselschwämmen und von eigenartigen "Algen"-Krusten aufgebaut werden.

Ähnliche Schwammkalke sind aus der Zeit des Oberjuras nicht nur aus Süddeutschland bekannt. Man findet sie auch in der Schweiz, in Frankreich, Spanien, Polen und Rumänien. Die jurassischen Schwammriffe erscheinen uns trotz deren weiter Verbreitung noch immer rätselhaft, denn es ist bis heute nicht gelungen, irgendwo auf der Erde moderne Schwammriffe zu finden, die mit den fossilen aus der Jurazeit vergleichbar wären. Aus diesem Grund können wir nur aus Indizien, die uns das Gestein und dessen Fossilinhalt liefern, indirekt über die Ablagerungsbedingungen Schlüsse ziehen.

WIE ENTSTEHT EIN SCHWAMMRIFF?

Meist handelt es sich bei den Schwammriffen um einzelne metergroße Riff-"Stotzen" inmitten einer normal gebankten Kalkmergel-Wechselfolge, die allmählich zu einem einheitlichen massigen Riffgestein zusammenwachsen können. Manchmal blieb das Riffwachstum auch in einem frühen Stadium stecken, und wir können dann das Anschwellen der Kalkbänke im Bereich des Schwammwachstums beobachten. Das Anschwellen der Kalkbänke kommt durch eine erhöhte Produktion von feinstem Kalkschlamm durch verschiedene Organismen (Bakterien, Algen, Muschelschalen) an Ort und Stelle sowie durch eine stärkere frühzeitige Verfestigung des Riffgesteins zustande. An vielen Stellen blieb die Grenze zwischen einem verschwammten Bereich und der benachbarten gebankten Ausbildung im Laufe längerer Zeiten ortsfest. In diesen Fällen beobachtet man die allmähliche Herausbildung eines immer ausgeprägteren Reliefs am zuvor noch weitgehend ebenen Meeresboden. Im Laufe der Oberjurazeit wurden die Schwammriffe immer mächtiger. Das Relief wurde durch die geringere Verdichtung (Kompaktion) bei der Verfestigung der Riffe in Bezug auf die dazwischenlagernden Bankkalke und Mergel verstärkt. Die Riffabhänge erscheinen uns deswegen heute steiler, als es zur Jurazeit der Fall war.

Abb. 1: Blick vom Knopfmacherfelsen auf das Obere Donautal und die Schwammriffe vor der Zementmergelschüssel von Schloß Bronnen. Die Schwammriffe zeichnen das Relief des Meeresbodens nach

Vielerorts kann man beobachten, daß es an den steilen Riff-Flanken bereits zur Ablagerungszeit zu untermeerischen Rutschungen oder sogar zu Abbrüchen von bereits verfestigtem Riffgestein gekommen ist. Das einstige Relief des Meeresbodens mit Höhenunterschieden von teilweise mehr als 50 Metern kommt heute, 150 Millionen Jahre nach seiner Entstehung, durch die Abtragung wieder zum Vorschein. Es gibt sich am Auf und Ab der die Täler begleitenden Felskränze zu erkennen. In den Balinger Bergen ist dies zwischen dem Lochenstein und dem Hörnle gut zu erkennen. Man spricht dort bildhaft von einer "Girlandenschichtung".


Abb.2: Schwammriff im Unteren Weißjura. Übergang in geschichtete Facies. Stbr. auf dem Plettenberg

Das Gebiet zwischen dem Hörnle und dem Plettenberg (Balinger Alb) steht unter Naturschutz. Die Hinweise auf den Informationstafeln sind unbedingt zu befolgen. Am besten erkennt man die Schwammriffe und ihre Lagerungsbeziehungen mit der Girlandenschichtung bei einer Wanderung auf den Plettenberg bei Balingen. Ein Betreten des dortigen Steinbruchs ist aus Sicherheitsgründen nicht gestattet. Fossilien aus dem Steinbruch sind im "Werkforum", dem Museum des Zementwerks Rohrbach in Dotternhausen ausgestellt.

 

DIE RIFFBILDNER DER SCHWAMMRIFFE.

Neben den ab und zu herauswitternden Kieselschwämmen waren, wie man heute weiß, auch Bakterien und andere Mikroorganismen beteiligt, die abgestorbene Schwämme am Meeresboden mit dicken Kalkkrusten überzogen. Die oberjurassischen Kieselschwämme traten mit becher- und tellerartigen Formen auf. Manchmal erreichten sie Durchmesser von fast 1 Meter! Sie besaßen ein Skelett aus Kieselnadeln, das bei der Gesteinsbildung in der Regel aufgelöst und durch Kalzit ersetzt wurde. Durch die Überkrustung ist es mitunter nicht einfach, die Schwämme als solche zu erkennen. Die mikroskopischen Erzeuger der Krusten (Bakterien, Blaualgen) kann man meistens nicht mehr sicher unterscheiden. Man spricht deswegen von "Mikrobolithen", das bedeutet "Mikrobengesteine". In den mikrobiellen Kalkkrusten lebten verschiedene kalkschalige Einzeller (Foraminiferen) und Röhrenwürmer mit kalkigem oder aus kleinen Partikeln zusammengeklebtem Gehäuse. Merkwürdigerweise findet man die Krusten immer nur auf den Oberseiten der Fossilien. Auf den Unterseiten der Kieselschwämme treten ganz andere Fossilgemeinschaften auf, wie zum Beispiel kleine Kalkschwämme, festgewachsene Armfüßer (Brachiopoden), kleine Muscheln und Moostierchen-Kolonien (Bryozoen). Man schließt aus der unterschiedlichen Besiedlung der Schwämme, daß zumindest einige der Mikroben, die für die Krustenbildung verantwortlich gemacht werden, vermutlich Licht zur Photosynthese benötigt haben. Kieselschwamm-Bildungen ohne Kalkkrusten sind im Weißjura der Schwäbischen Alb seltener oder treten kaum in Verbindung mit Riffstrukturen in Erscheinung.

Abb. 3: Kieselschwamm aus dem Mittleren Weißjura der Schwäbischen Alb. Höhe ca. 6 cm.

Abb. 4: Kieselschwamm aus dem Oberen Weißjura der Schwäbischen Alb; Skelettnadeln. Bildausschnitt: Länge (auf großem Bild, bitte auf kleines Bild klicken) ca. 1.5 cm

 

 

Im Verzahnungsbereich von kleinen Schwammriffstotzen mit der gebankten Fazies kann man in den etwas mergeligeren Partien eine außerordentlich reichhaltige Fauna finden, die aus meist kleinwüchsigen Arten besteht. Nach der berühmten Fundstelle am "Lochengründle", der Paßhöhe der Straße von Balingen zum "Lochen", bezeichnet man die fossilreichen Schichten als "Lochenschichten". Häufig sind darin verschiedene kleinwüchsige Armfüßer (Brachiopoden), Seeigelstacheln, die zierlichen Kelche einer kleinen Seelilie, die an Gewürznelken erinnern, kleine Kiesel- und Kalkschwämmchen und auch zahlreiche Ammoniten. Dieser Fossilreichtum beweist, daß das Nahrungsangebot im Bereich der Schwammriffe größer gewesen sein mußte als in den von Schwämmen unbesiedelten Bereichen. Auch am Lochengründle sind die Kieselschwämme häufig von mikrobiellen Kalkkrusten bedeckt ("mumifiziert").

Abb. 5: Kleine Brachiopoden (Armfüßer) aus den Lochen-Schwammkalken vom Lochengründle (vorwiegend Trigonellina loricata), Durchmesser eines Exemplars ca. 0,8 cm.

Bis heute wissen wir nicht genau, in welcher Tiefe sich die Schwammriffe gebildet haben. Man nimmt aber aus einer Vielzahl von Gründen an, daß die meisten Schwammriffe der Schwäbischen Alb in einer Tiefe unterhalb dem Einflußbereich von Sturmwellen entstanden sein müssen, in die nur noch wenig Licht vordringt (ca. 60-80 m). Typische Bewohner des Flachwassers, wie koloniebildende Korallen, dickschalige Muscheln, große Gehäuseschnecken oder Wirtelalgen, fehlen deswegen in den Schwammriffen.

 

DIE SCHWAMMRIFFE GEWINNEN DIE OBERHAND

Während in älteren Weißjura-Schichten nur in bestimmten Regionen der Schwäbischen Alb Schwammriffe vorkommen (Balinger Alb, Obere Donau), dehnen sich diese Bildungen in jüngeren Schichten immer weiter aus. Die in älteren Schichten noch deutlich sichtbare Architektur der einzelnen Stotzen geht immer stärker verloren. Es kommt zur Bildung des sogenannten "Massenkalk", der in zahlreichen großen Steinbrüchen (zum Beispiel im Gebiet der Oberen Donau, im Blautal oder auf der Heidenheimer Alb) zur Gewinnung von Straßenschotter, für die Zementherstellung oder für die chemische Industrie abgebaut wird. Neben Bereichen mit intensivem Schwammwachstum gibt es innerhalb der Massenkalke auch solche, in denen überhaupt keine oder nur ganz untergeordnet Schwämme nachgewiesen werden können. Dort besteht das Gestein vorwiegend aus nur mikroskopisch erkennbaren, rundlichen Partikeln. Teilweise scheint es sich bei diesen Partikeln um Bildungen von Bakterien oder um Kotpillen zu handeln. Gelegentlich findet man auch konzentrisch-schalig aufgebaute Kalkpartikel, sogenannte "Ooide". Daraus wird von manchen Forschern auf das Vorhandensein von ausgedehnten lagunenartigen Flachwasserbereichen geschlossen. Die Massenkalk-Felsformationen des Oberen Donautals, die neben Schwammriffen aus solchen Partikelkalken bestehen, können bis zu 150 Meter mächtig werden.

 

Bei einer Wanderung durch das Tal der Oberen Donau ist der Abschnitt zwischen Mühlheim und Dietfurt besonders zu empfehlen. An einigen Schichtfugen innerhalb der Felsen ist wiederum das Relief des jurazeitlichen Meeresbodens nachgezeichnet (Siehe Abb. 1)

 

DOLOMITISIERUNG VON SCHWAMMRIFFEN

Vielerorts kann man im Massenkalk selbst mit der Lupe keine Reste von Fossilien oder anderen Partikeln mehr erkennen. Das Kalkgestein unterlag nämlich häufig einer Dolomitisierung. Dabei wird durch magnesiumreiche Porenwasserlösungen das Kalzium im Kalkstein teilweise durch Magnesium ausgetauscht und somit der Kalzit in Dolomit umgewandelt. Bei diesem Vorgang werden Feinstrukturen und Fossilien unkenntlich oder ganz ausgelöscht. Eine eindrucksvolle Karstlandschaft, die aus solchen fossilleeren Dolomitfelsen besteht, ist das bekannte "Wental" auf der Ostalb zwischen Bartholomä und Steinheim am Albuch. Manche Dolomitgesteine wurden später erneut umgewandelt. Dann liegt der "Zuckerkörnige Lochfels" vor, ein grobkörniges, wie Kristallzucker glitzerndes Gestein, das nun völlig fossilleer ist. Im "Zuckerkörnigen Lochfels" kommt es zu einer besonders intensiven Kalklösung mit Bildung von Höhlen, Erdfällen und anderen Karsterscheinungen.

 

KORALLENKALKE AUF DER OSTALB

Im Verlauf einer Meeresverflachung im höheren Weißjura stellten sich da und dort, vor allem im Gebiet um Bad Urach und auf der Ostalb, Meeresbewohner des Flachwassers ein. Namentlich die Umgebung von Nattheim ist seit langer Zeit durch das Vorkommen von ausgezeichnet erhaltenen Riffkorallen und anderen Fossilien bekannt. Da die Schalen und Skelette dieser Fossilien häufig in Kieselsäure umgewandelt sind, findet man sie gelegentlich durch natürliche Verwitterungsprozesse freigelegt. Günstige Fundmöglichkeiten bestehen auf abgeernteten Äckern oder in Wäldern in den Wurzeltellern umgestürzter Bäume. Man kann den natürlichen Prozessen der Kalklösung aber auch auf künstliche Weise nachhelfen. Hierzu ätzt man den als fossilführend erkannten Kalk mit verdünnter technischer Salzsäure oder anderen schwachen Säuren weg, und die verkieselten Fossilien bleiben als unlöslicher Rückstand zurück. Das zur Jurazeit im Kalk gebundene Kohlendioxid wird so wieder in den atmosphärischen Kreislauf zurückgeführt. Die Bedeutung der heutigen tropischen Korallenriffe wird gerade bei dieser Präparationsmethode (siehe unten) klar, wenn man sich vergegenwärtigt, wieviel Kohlendioxid, das für den Treibhauseffekt in besonderem Maße verantwortlich ist, im Kalkstein fossiler Riffe gebunden ist! Die aktuelle direkte oder indirekte Zerstörung vieler Korallenriffe durch Umweltverschmutzung und ausufernden Unterwasser-Tourismus könnte so weitreichende Folgen für unser Weltklima besitzen und betrifft uns deswegen alle.

 

 

DAS RÄTSEL DER VERKIESELUNG

Trotz der relativ einfachen Methode, sich die Verkieselung der Fossilien für die Präparation zu Nutze zu machen, ist der Vorgang der Verkieselung an sich ein im Grunde noch immer nicht vollständig geklärtes Phänomen. In der Regel sind nur die Oberflächen der Fossilien und eine dünne Schicht darunter verkieselt. Untersuchungen ergaben, daß bei der Gesteinsdiagenese zunächst die kalkigen Skelette der meisten Fossilien vollständig weggelöst wurden, während die feinerkörnige Matrix erhalten blieb. Man kann sich dieses Gestein wie einen Schwamm vorstellen. Gesteine in einem solchen Zustand können unter Umständen zu einem Speichergestein für Erdöl oder Erdgas werden. Dies ist auf der Schwäbischen Alb aber nicht der Fall, weil die entstandenen Poren rasch wieder verfüllt, d. h. zementiert wurden und die Schichten außerdem seit der Jurazeit sehr oberflächennah liegen. In vielen Fällen besteht die Ausfüllung der Porenräume aus Kalzit, an manchen Stellen aber eben auch aus Kieselsäure. Als Quelle der Kieselsäure betrachtet man vor allem die im Meerwasser aufgelösten Skelettnadeln von Kieselschwämmen. Die gelöste Kieselsäure flockte offenbar bei einem geeigneten chemischen Milieu im Porenwasser wieder aus. In manchen Fällen ist die Verkieselung derartig perfekt, daß selbst feinste Einzelheiten, wie etwa Körnelungen auf den Oberflächen der Korallenskelette, wiedergegeben werden. Solche herausgeätzten Korallenstöcke sind dann auf den ersten Blick kaum von modernen Korallen zu unterscheiden.

 

Abgesehen von den berühmten Vorkommen bei Nattheim und zahlreichen weiteren Fundpunkten im Gebiet der Heidenheimer und Ulmer Alb kennt man Korallenkalke aus dem Oberjura der Schwäbischen Alb auch von einigen Gebieten der Mittleren Alb, darunter sind besonders die bekannteren Vorkommen von Wittlingen bei Bad Urach zu nennen. Mit etwas Glück kann man auf den abgeernteten Feldern im Herbst herausgewitterte verkieselte Korallen finden. Für die Suche empfiehlt es sich, eine geologische Karte oder Fachliteratur heranzuziehen.

 

KORALLENRIFFE AUS RIFFSCHUTT

Bei den Korallenvorkommen der Schwäbischen Alb handelt es sich nicht um Teile eines langgestreckten Riffgürtels, wie es das heutige Great Barrier Reef vor der Küste Australiens darstellt, sondern um kleine, isolierte Fleckenriffe, deren Durchmesser in den meisten Fällen 10 Meter kaum überschreitet. Der nahezu einzige Fall, in dem ein solches Riff sichtbar ist, kennt man aus einem alten Steinbruch bei Arnegg im Blautal. Dort sind die Korallen und ihre Begleitfauna sowohl im eigentlichen Riff wie auch in den Riffschuttbänken allerdings nur kalkig erhalten. In Arnegg bietet sich die Möglichkeit, den Übergang von einem Schwammriff in ein Korallenriff zu untersuchen. Der Wechsel ist sicherlich mit einer Verflachung des Meeres in Verbindung bringen. Dabei stellten sich allmählich günstigere Wachstumsbedingungen für Riffkorallen ein. In den ältesten korallenführenden Schichten im Steinbruch Arnegg findet man zusammen mit Kieselschwämmen eine fächerförmige Pionierart unter den Korallen, die an verhältnismäßig tiefes Wasser mit wenig Licht angepaßt war. In den höheren Schichten nimmt die Artenvielfalt dann rasch zu.

Die meisten fossilen Korallenriffe im Oberjura und auch die der Schwäbischen Alb bestehen nur aus einer Ansammlung von Riffschuttmaterial. Dies rührt daher, daß in den Riffgemeinschaften der Jurazeit die kalkabscheidenden Rotalgen noch weitgehend fehlten, die am Aufbau der modernen Korallenriffe in reicher Zahl mitbeteiligt und wesentlich für deren Stabilität gegenüber Brandung verantwortlich sind. Jurassische Korallenriffe waren deswegen sehr zerstörungsanfällig. In vielen Fällen ist von den Riffen nicht viel mehr übriggeblieben sein, als der in einzelnen Gesteinsbänken angereicherte Korallenschutt. Trotzdem konnte ein jurassisches Korallenriff bei steigendem Meeresspiegel oder einer Absenkung des Meeresbodens in die Höhe wachsen, denn der Schutt bot riffbewohnenden Organismen immer wieder einen geeigneten Hartgrund für eine erneute Ansiedlung. Oft wurde das Riffwachstum der Korallenbänke aber rasch durch eine Zuschüttung mit Kalkschlamm erstickt. Die Riffkorallen der Schwäbischen Alb hatten außer mit der mechanischen Belastung durch Sturmereignisse immer wieder mit feiner toniger Wassertrübe zu kämpfen. Darauf reagieren die meisten Korallenarten außerordentlich empfindlich. Zu derselben Zeit, als die Korallen wuchsen, wurden nämlich auch die mächtige Kalk-Mergel-Wechselfolge der "Zementmergel" abgelagert, die heute noch bei Heidenheim-Mergelstetten oder bei Schelklingen in großen Steinbrüchen für die Zementherstellung abgebaut werden.

 

Die großen Steinbrüche von Heidenheim-Mergelstetten können nur mit Genehmigung der Firma Schwenk-Zement, Heidenheim-Mergelstetten besichtigt werden. Aufgeschlossen sind gebankte Kalke und Mergel, die sich mit umkristallisierten Schwammriffen und Mikroben-Gesteinen verzahnen. Fossilien sind sehr selten.

 

ANPASSUNGEN AN VERSCHIEDENE BIOTOPE

Zur Bildung von Korallenriffen kam es immer nur dann, wenn die freischwimmenden Korallenlarven auf dem vorgegebenen stark gegliederten Meeresboden gegen Sedimentation geschütztere und flachere Bereiche vorfanden. Die Riffkorallen waren gezwungen, sich an sehr spezielle und kleinräumige Bedingungen anzupassen. So ist zu erklären, daß nahezu jede neu gefundene Korallenfundstelle ihre ganz eigene Faunenzusammensetzung besitzt. Auch besondere ökologische Anpassungen bestimmter Arten an unterschiedliche Riffbiotope können beobachtet werden. So konnten grazile Fächer einer ästigen Korallenart sicher nur in geschützten Stillwasserbereichen wachsen, während dieselbe Art bei stärkerer Wasserbewegung eine kompaktere Wuchsform entwickelte. In Vorkommen, die tieferen Riffbereichen mit geringerer Wasserbewegung entsprachen, treten häufig Korallen auf, die ausgesprochen dünne, flache Fächer ausbildeten. Solche Korallen waren an die optimale Nutzung der zur Verfügung stehenden geringeren Lichtmenge angepaßt. Das Licht ist für das Funktionieren der Photosynthese bei den mit den Korallen in Symbiose lebenden einzelligen Grünalgen (Zooxanthellen) notwendig. Bei manchen Arten, die im tieferen Wasser eine fächerartige Wuchsform besitzen, entwickelten sich im flacheren Wasser stabilere, massive Wuchsformen. Häufig sind früher solche unterschiedlichen, ökologisch bedingten Wuchsformen als verschiedene Arten aufgefaßt worden.

 

WER LEBTE IN EINEM JURASSISCHEN KORALLENRIFF?

Die jurassischen Korallenriffe zeichnen sich durch eine gegenüber normalen Schichten immens gesteigerte Artenvielfalt aus. Die Korallenfauna aus den Riffen und Schuttbänken der Schwäbischen Alb gehört in ihrer Gesamtheit weltweit zu den vielfältigsten und besterhaltenen aus dieser Zeit. Gegenwärtig kennt man bereits über 55 Gattungen mit mehr als 150 Arten. Neben Einzelkorallen sind verschiedenste Arten von Stockkorallen belegt.

Abb. 6: Korallenstock der Gattung Ovalastrea aus dem Korallenkalk von Gerstetten bei Heidenheim. Größe ca. 10 cm.

 

Abb. 7: Fossile Fächerkoralle Enallhelia aus dem Korallenkalk von Gerstetten. Höhe ca. 15 cm.

 

Kieselschwämme treten bisweilen auch in den Korallenriffen in Erscheinung, besitzen aber nicht dieselbe Bedeutung wie in den Schwammriffen. Die Kalkschwämme in den Korallenkalken sind dagegen wesentlich häufiger, artenreicher und großwüchsiger als in den Schwammriffen. Unter den Muscheln sind festgewachsene oder ursprünglich mit Byssusfäden festgeheftete Arten vorherrschend, während im Sediment grabende Muscheln nur untergeordnet auftreten. Auffälligerweise gehören großwüchsige Muscheln zu den größten Seltenheiten schwäbischer Korallenriffe, während sie in Korallenriffen des Fränkischen Juras (Kelheim bei Regensbug) häufig auftreten. Bohrmuschellöcher und andere Hinweise auf riffzerstörende Organismen findet man in der Regel nur in großen alten Korallenstöcken. Die Anbohrungen verminderten die Stabilität der Riffe. Bei den Schnecken dominieren in den schwäbischen Korallenriffen kleine, aber hübsch skulpturierte Arten. Von einigen wenigen Fundstellen kennt man auch große, dickschalige Turmschnecken aus der Gruppe der Nerineen mit einer faltigen Spindel. Besonders vielgestaltig ist der Aufwuchs auf Korallenstöcken und anderen Hartsubstraten. Man kennt verschiedene Armfüßer (Brachiopoden), kleine, festgeheftete Muscheln, Moostierchen-Kolonien, hirschgeweihartig verzweigte Kalkschwämme, und natürlich die kalkigen Bauten von Röhrenwürmern. Manche Röhrenwürmer sind von den Korallen umwachsen, woraus man auf eine Besiedelung zu Lebzeiten des Korallenstocks und vielleicht sogar auf eine gegenseitige symbiontische Beziehung schließen kann. Die Armfüßer treten mit speziell angepaßten Formen auf, die in Schwammriffen seltener sind oder fehlen. Besonders eine Art mit einer entenfußartigen Schalenskulptur kommt häufig in den Korallenkalken vor. Weitere typische Riffbegleiter sind verschiedene Stachelhäuter wie Seelilien, Seesterne und Seeigel. Ihre kalkigen Skelette sind jedoch in der Regel in die einzelnen Elemente zerfallen, die dann in gesteinsbildender Menge auftreten können. Seeigelgehäuse und die robusten Kelche von Seelilien findet man gelegentlich auch in vollständigeren Exemplaren.

Abb. 8: Seeigel Plegiocidaris aus dem Korallenkalk von Nattheim. Durchmesser ca. 5 cm.

 

Die versteinerten Schalen von aktiv schwimmenden Molluskengruppen wie Nautiliden und Ammoniten kommen im Korallenriffgestein nur als große Seltenheiten vor. Die Ammoniten spielen aber wegen ihrer Bedeutung als Leitfossilien für die genaue Altersdatierung der Korallenriffe dennoch eine wichtige Rolle. Reste von Wirbeltieren (Fische, Reptilien) oder von Krebsen sind merkwürdigerweise in den Korallenkalken des Schwäbischen Juras kaum vorhanden. Sie sind aufgrund ihrer phosphatischen oder chitinigen Skelette gegenüber den kalkigen Resten von Korallen und Mollusken weniger gut überlieferungsfähig. Daß sie aber in den jurassischen Korallenriffen mit Sicherheit ebenfalls vorhanden waren, läßt sich anhand der Funde in anderen Fossillagerstätten aus derselben Zeit belegen. So kennt man aus dem Nusplinger Plattenkalk der westlichen Schwäbischen Alb eine artenreiche Fisch- und Krebsfauna.

 

Das Stuttgarter Naturkundemuseum betreibt seit 1993 eine wissenschaftliche Grabung in den oberjurassischen Plattenkalken von Nusplingen (Zollernalbkreis). Die Wanderwege zu der Grabungsstelle sind ausgeschildert ("Geologischer Steinbruch"). Bei Interesse an Führungen an der Grabungsstelle wende man sich an die zuständigen Museumsmitarbeiter (Dr. Dietl, Dr. Schweigert).

 

Zähne und Flossenstacheln von Haien oder Reste von Krokodilen und Meeresschildkröten fand man gelegentlich auch im sogenannten "Brenztal-Trümmeroolith", einem früher in Schnaitheim bei Heidenheim abgebauten Riffschuttgestein, das in flachem Wasser abgelagert wurde. Dies läßt sich an Sedimentstrukturen wie Schrägschichtung, Flachwasser anzeigenden Fossilien wie den Wirtelalgen (Gruppe kalkabscheidender Grünalgen) und den Kalkooiden, das sind millimetergroße, konzentrisch-schalig aufgebaute Kalkpartikel, erkennen. Kalkooide bilden sich heute beispielsweise im flachen Wasser bei den Bahamas.

 

Der aufgelassene Steinbruch am "Moldenberg" bei Schnaitheim zeigt eindrucksvoll den Gesteinsaufbau des Brenztal-Trümmerooliths. In herumliegenden Blöcken kann man entsprechende Fossilien finden. Zur Vermeidung von Unfällen halte man sich unbedingt von den Bruchwänden fern!

 

Das Gesamtbild der Fauna und Flora jurassischer Korallenriffe muß also trotz der quantitativ erfaßbaren Fossilien bei der Ätzpräparationsmethode unvollständig bleiben und aus anderen Gesteinen ergänzt werden.

 

VOM KALKSTEIN ZUM KORALLENSTOCK

Die Ätzpräparation wurde im Laufe der letzten 20 Jahre am Staatlichen Museum für Naturkunde in Stuttgart zunehmend perfektioniert. Heute stammt das allermeiste neu aufgesammelte Material aus großen Riffschuttblöcken, die bei Haus- und Straßenbauten auf der Heidenheimer Alb zum Vorschein kamen. Die fossilführenden Korallenkalkblöcke werden mittels einer Aufhängevorrichtung in einen großen Kunststoffbehälter mit verdünnter Salzsäure eingetaucht. Die Salzsäure löst den zwischen den verkieselten Fossilien vorhandenen Kalk weg, so daß der Block nach und nach seinen Inhalt preisgibt. Natürlich muß der Ätzvorgang ständig überwacht werden, damit eine zu heftige Kohlensäure-Entgasung nicht zur Zerstörung der Objekte führt. Die Verkieselung beschränkt sich außerdem oft nur auf die äußerste Schicht der Fossilien, während deren Inneres kalkig erhalten ist. Um ein Eindringen der Salzsäure über kleine Risse und Spalten in das Innere der Fossilien zu verhindern, werden gefährdete Partien mit einem Gemisch aus flüssigem Bienenwachs und Paraffin bestrichen. Durch die abdichtende Wirkung des Wachses wird der Ätzvorgang in diesen Bereichen unterbunden. Die herausgeätzten Fossilien können dann von dem Block nach und nach abgepflückt werden. Kleinere Stücke fallen einfach ab und sammeln sich ebenso wie mikroskopisch kleine verkieselten Fossilien (z. B. Schwammnadeln) am Grund des Salzsäurebehälters an. Die Fossilien werden anschließend zur Neutralisierung einige Zeit in klares Wasser gelegt. Danach werden sie getrocknet und später noch in eine Lösung aus Wasser und Holzkaltleim getaucht, wodurch bruchempfindliche Objekte stabilisiert werden. Durch geschickte Vorgehensweise beim Ätzen ist es sogar möglich, eine ganze Riffgemeinschaft im Verband freizulegen. Mit Hilfe dieser Korallenkalk-Ätzmethode wurden prachtvolle Fossilien freigelegt, wie sie in dieser Vollständigkeit und Schönheit von der natürlichen Verwitterung nie erreicht worden ist.

 

Die Ätzpräparation wird zu bestimmten Terminen am Stuttgarter Naturkundemuseum demonstriert (Info Museumspädagogik oder Monatsprogramm). Ein kleiner Teil der herausgeätzten verkieselten Fossilien aus den Korallenkalken von Nattheim und Gerstetten sind in der Schausammlung ausgestellt. Daneben befinden sich in der Magazinsammlung mehr als 30.000 Fossilien aus den Korallenkalken der Schwäbischen Alb.

Copyright beim Autor; aufs Web gebracht von Reinhold Leinfelder, 24.10.1997


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