Den Marlene-Dietrich-Platz erleben
Konstellationen im Stadtraum
Zusammenfassung: In dieser essayistischen Arbeit setze ich mich mit der Wechselwirkung von räumlicher Gestaltung und dem Handeln der Menschen am Potsdamer Platz in Berlin auseinander. Dieser Text beruht auf einer Diplomarbeit im Fach Soziologie, er ist jedoch nicht im strengen Sinne soziologisch – im Mittelpunkt steht weniger rein Gesellschaftliches als vielmehr der konkrete, körperliche Raum und das darin stattfindende Geschehen. Dieses Geschehen wird mittels dichter Beschreibungen, Fotografien und Grafiken eingefangen und in Auseinandersetzung mit Konzepten von Lefebvre, Sennett, Bourdieu, Foucault und anderen kritisch analysiert. Das Ergebnis dieser Untersuchung am Marlene-Dietrich-Platz in Berlin ist zwar nicht völlig eindeutig, aber in seiner Tendenz eher bedrückend: Dieser Raum wird von Konstellationen geprägt, in denen Passivität und eine höchst subtile Kontrolle dominieren. Die Grenzen des an diesem Ort normalen und erwünschten Verhaltens lassen sich nur wenig verschieben, anschließend kehren sie schnell wieder in ihre ursprüngliche Position zurück.
English version: You can read a summary of this study which was written for my presentation at the biannual congress of the German Sociological Association (DGS) in October 2002.
Autor: Lars Frers (2001)
Erstgutachter: Helmuth Berking
Zweitgutachterin: Gabriele Althaus
Diese Arbeit steht unter der
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Inhalt
- Einleitung
- Wege zum Potsdamer Platz
- Menschen, Dinge, Architektur – Konstellationen
- Passivität und Kontrolle. Grenzen und Verschiebungen.
- Literatur
Einleitung
Ein paar kurze Vorbemerkungen zu meiner Motivation, einen konkreten Ort wie den Marlene-Dietrich-Platz und den Potsdamer Platz in Berlin zum Thema meiner Abschlussarbeit zu machen und diesen Ort in der folgenden Weise zu beschreiben und zu analysieren.
Einerseits habe ich mich in der Planung dieser Arbeit und in meiner Feldforschung am Vorbild der qualitativ vorgehenden amerikanischen Stadtsoziologie orientiert: Ich wollte möglichst nah an den Gegenstand und meine Erkenntnisse aus direkter teilnehmender Beobachtung vor Ort gewinnen. Nur durch diese Nähe zum Objekt konnte ich die große Komplexität des Geschehens überhaupt einfangen. Bei der Durchführung und Interpretation meiner Beobachtungen hat meine Ausbildung in der konversationsanalytischen Methode mir sehr dabei geholfen, auch kleinen Details die hoffentlich angemessene Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.[1]
Auf der anderen Seite habe ich mich den größten Teil meines Studiums intensiv soziologischen und sozialwissenschaftlichen Theorien gewidmet. Mein wissenschaftlicher Zugang zum Gesellschaftlichen
war somit vor allem ein theoretischer und ich habe mich immer wieder mit verschiedenen sowohl allgemeinen als auch auf die Stadt bezogenen Modellen und Konstruktionen beschäftigt. In dieser Beschäftigung und vor allem in der Beschäftigung mit dem Stadtraum habe ich dann zunehmend das Bedürfnis entwickelt, mich über die abstrakte Ebene hinaus mit konkreten und lokalen Phänomenen wie dem Projekt Potsdamer Platz zu beschäftigen – auch wenn das Konkrete lange Zeit abschreckend komplex für mich war.
Mein Vorgehen im Text hat etwas andere Gründe. Ich schreibe diese Arbeit aus einer zur Wissenschaft distanzierten Position, wofür ich wiederum zwei Gründe angeben möchte. Zum einen hat mich die Beschäftigung mit der Wissenschaftssoziologie dazu veranlasst, der Produktion wissenschaftlich legitimierten Wissens und den damit verbundenen argumentativen Strategien etwas skeptischer gegenüberzustehen. Zum anderen will ich diese Arbeit insofern dem Charakter ihres Gegenstandes entsprechen lassen, als dass sie möglichst konkret sein soll. Deshalb vermeide ich es soweit wie möglich, im Mittelteil der Arbeit theoretische und methodologische Diskussionen zu führen und kläre diesbezügliche Fragen erst im Schlusskapitel. Wer mehr über meine theoretische und methodologische Positionierung erfahren möchte, sollte das letzte Kapitel vielleicht schon vorher lesen.
Ich hoffe, dass es trotz aller nötigen Wissenschaftlichkeit auch ein Vergnügen ist, diese Arbeit zu lesen – die Arbeit an und für diesen Text hat mir sehr viel Freude bereitet und diese Begeisterung für eine kritische soziologische Auseinandersetzung mit einem höchst konkreten Gegenstand möchte ich gerne vermitteln. Ich antworte gern auf persönliche Nachfragen und stehe auch für Vorträge und Führungen vor Ort zur Verfügung.
Fußnoten
- 1 Ich verdanke diese Einführung Douglas W. Maynard. Zur Konversationsanalyse vgl. insbesondere Atkinson und Heritage, Structures of Social Action. Studies in Conversation Analysis. S. 1-27.