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Kirchengrabung

Dorfkirche Thyrow
(Lkr. Teltow-Fläming)

Diese Kirche hatte eine bewegtere Baugeschichte, als man zunächst nach dem ersten Augenschein vermuten würde. Eine Ausgrabung in der Kirche brachte zwar viele neue Befunde, jedoch wurde dadurch die Baugeschichte auch nicht einfacher. Sie ist trotzdem besser bekannt als die der meisten anderen mittelalterlichen Kirchen des Teltow. Im Mauerwerk des Schiffs und im nachträglich angebauten Chor wechseln regelmäßige und recht unregelmäßige Bereiche miteinander ab. Dies ist wohl mit Um- und Wiederaufbau zu erklären.

Lage: Das Dorf liegt 4 km nördlich von Trebbin. Die Kirche befindet sich inmitten des Friedhofs auf dem Dorfanger.

Ortsgeschichte: Die Burg Thyrow wird bereits 1355 erstmals urkundlich erwähnt. Ältere Namensformen sind Thure, Ture, Thüre oder auch Theure. 1375 zählte das Dorf 59 Hufen, davon waren 3 freie Pfarrhufen. Anscheinend gab es zwei 4-Hufen-Güter ("4 coniuncti"). Eines dieser 4-Hufen-Güter gab 1 Wispel Roggen, 1 Wispel Hafer, einen Schilling und 8 Schöffel Gerste als Pacht. Das andere 4-Hufen-Gut wie auch die übrigen Hufen mußte 44 Groschen, 6 Schöffel Roggen, 6 Schöffel Hafer und 2 Schöffel Gerste an Pacht bezahlen. Besitzer des Dorfes mit allen Rechten war Erich Falke, der es als Mitgift der Gattin erhielt. Der Bergfried und der Damm des Dorfes wurden 1414 von den v. Maltitz dem Erzbischof Günther von Magdeburg übergeben. Der Ort gehörte danach zur Vogtei Trebbin. Der Damm mit Zoll sowie drei Höfe und 10 Hufen waren Anfang des 16. Jahrhunderts im Lehensbesitz der Familie Vogt. Der Damm und Zoll wurde dann 1529 von Merten Vogt an die Stadt Trebbin verkauft. Seit Ende des 16. Jahrhunderts waren die v. Wilmersdorf im Besitz der Güter, die ehemals der Familie Vogt gehört hatten. Dieser Besitz wurde 1817 z.T. an die Stadt Teltow verkauft.

Baustruktur: Die Kirche besteht aus einem Schiff (14,00 m x 9,55 m) mit eingezogenem Chor (7,00 m x 7,00 m) und westlichem Dachturm. Ursprünglich war die Kirche ein Apsissaal (möglicherweise mit Querwestturm); die Apsis wurde in gotischer Zeit abgerissen und durch einen eingezogenen Chor ersetzt. Die Westseite wurde im 19. Jahrhundert neu aufgeführt. Die Abweichung der Kirche von der Ost-West-Richtung beträgt magnetisch ca. 20° nach Südosten (Oktober 1999).

Mauerwerksausführung: Die Quader des Schiffs sind im unteren Teil sorgfältig behauen, relativ groß und recht gleichförmig. Die Lagenhöhe beträgt im Schiff etwa 24-26 cm. Es können einzelne Auskeilungen beobachtet werden. Die Nordostecke des Schiffs macht den Eindruck, als ob hier einmal repariert worden ist. Die Ecksteine der Südostecke des Schiffs sind z.T. sehr groß, gut behauen und verzahnt. Auch hier ist wohl repariert worden, da sich die Ecksteine nicht mit den weiteren Lagen des Schiffs verzahnen. Etwa 40 cm unterhalb der alten Fenster folgt ein fast unregelmäßig gemauerter Bereich mit verhältnismäßig kleinen Feldsteinen. Die Qualität der Mauerwerksarbeit am Chor verändert sich ebenfalls von unten nach oben. Die unteren 5 Lagen sind gut behauen. Auf der Nordseite folgt dann eine Lage mit sehr großen, nur gespaltenen Feldsteinen. Darüber kommen zwei Lagen gut behauener Quader und darüber eine Zone mit kleinen, nur auf der Außenseite bearbeiteten Steinen (ohne deutliche Lagen). Diese Zone ist auf allen drei Außenseiten des Chors zu beobachten. Auf dieser Zone sitzen die Fenster. Nach oben folgen fünf Lagen schlecht behauener Quader. Die Ostgiebel des Schiffs und des Chors sind aus verhältnismäßig kleinen, unbearbeiteten, unsortierten Feldsteinen und Ziegelbruch hochgezogen worden; Lagen sind nicht sichtbar. Die Ostseite des Chors ist im Bereich der zugesetzten Fenster stark verändert.
Die Feldsteinlagen des Chors stoßen auf die östliche Schiffwand und sind nicht mit dieser verzahnt. Die Westwand besteht aus Backstein (24,5 x 11,5 x 6 cm).
Der Mauerstärke wurde am Südportal gemessen und beträgt dort ca. 110 cm.

Mörtel und Putze: An vielen Stellen haben sich Reste eines steinsichtigen Fugenputzes mit Doppelritzung erhalten.

Portale und Fenster: In der Ostseite sind zwei zugesetzte, vermutlich segmentbogige Fenster erkennbar. Leider ist der Bogenbereich nicht erhalten und folglich die Höhe nicht bestimmbar. Der Zusetzbereich erscheint "frisch" gemauert. Die Fenster sind im "Kreisinventar" von 1941 noch eingezeichnet und wurden vermutlich bei der Renovierung von 1962/4 erst zugemauert. Die Breite beträgt etwa 75 cm. Zwischen beiden zugesetzten Fenstern ist ein sehr stark veränderter Bereich, in dem vermutlich ein drittes Fenster beseitigt worden ist.
Die Südseite weist in ihrem westlichen Teil zwei kleine, rundbogige Fenster mit schlecht behauenen Bogensteinen auf. Auch die Leibungssteine sind nicht sehr sorgfältig gearbeitet. Die Fenster messen ca. 125-130 cm in der Höhe und 50-55 cm in der Breite. Das große Südportal ist gedrückt-spitzbogig, und es ist einmal abgetreppt. Der flache Spitzbogen hat bis zu 40 cm starke Leibungsteine und endet in einem Scheitelstein; die Abtreppung ist ca. 30 cm tief. Dem Portalbogen folgt in der Wand ein Begleitbogen aus flachen Quadersteinen (liegende "Läufer"). Der innere abgetreppte Spitzbogen ist verputzt, Details sind nicht erkennbar. Innen ist das Portal flach-segmentbogig. Über dem Eingang ist ein kurzes Schutzdach angebracht, dessen Achse quer zum Schiff verläuft. Im östlichen Teil der Südseite des Schiffs befinden sich zwei große, mit Ziegeln gemauerte, korbbogige Fenster. Die Sohlbank des östlichen Fensters hat großformatige Ziegel (29 x 13,5 x 9 cm), die vermutlich von einem älteren Umbau stammen. Die restlichen Ziegel sind jedoch kleinformatig und entsprechen wohl dem Gewände der korbbogigen Fenster der Nordseite. Links neben dem östlichen Fenster ist eine sehr deutliche senkrechte Kante zu sehen, die wahrscheinlich von einem älteren Fenster herrührt. Die Südseite des Chors hat ein Priesterportal mit einem aus einem einzigen Stein gearbeiteten, rundbogigen Türsturz. Die Breite des Portals ist mit 65 cm sehr gering. Die Gewändesteine sind mit den Mauersteinen verzahnt. Innen ist das Priesterportal flach-segmentbogig. Zwei kleine rundbogige Fenster sind offensichtlich "neu" gemauert worden. Der eine Bogen besteht aus Feldsteinen, der andere Bogen aus Ziegeln. Vermutlich befinden sie sich an der Stelle von 2 alten Fenstern.
Die Nordseite des Chors weist wie die Südseite zwei kleine, rundbogige Fenster mit Butzenscheiben auf, die jedoch ebenfalls "neu" gemauert sind. Im Schiff sind dagegen zwei originale, kleine, rundbogige, hochsitzende Fenster. Hier konnte nur die Breite von 55 cm erfaßt werden. Die Höhe dürfte jedoch ca. 125 cm betragen (wie Südseite). Die Bögen der kleinen, originalen Fenster bestehen aus schlecht behauenen Feldsteinen. Die östlichen Schrägen dieser Fenster sind deutlich flacher als die relativ steilen westlichen Schrägen. Zwei große, mit Ziegeln gefaßte korbbogige Fenster liegen im östlichen Teil des Schiffs. Das Gewände dieser Fenster ist aus Backstein (Format: 26,5 x ? x 6,5 cm). Das Nordportal ist etwa zur Hälfte zugesetzt, und im oberen Teil befindet sich ein rundbogiges Fenster, das dem ursprünglichen Bogen des Nordportals folgt. Das Portal hatte grob behauene Bogen- und Randsteine. Sie sind nicht so glatt wie die Leibungssteine des Südportals.
Die Westseite hat ein etwas nach Süden versetztes rechteckiges Portal jüngeren Datums (vermutlich 1883).

Innenbögen: Der Chorbogen im Innern ist deutlich spitzbogig. Der Bogen setzt bereits tief unten an und weist noch den Chorschrankenansatz auf. 

Turm: Der Turm ist ein Dachturm mit einer Westwand aus Ziegeln, die drei anderen Seiten bestehen aus Ziegelfachwerk. Auf allen Seiten befindet sich je ein Schallfenster. Die sechsseitige Helmspitze ist mit Schiefer gedeckt. Sie schließt mit der Kombination Weltkugel und Kreuz. Die Windfahne, die ursprünglich auf der Spitze angebracht war, trug die Jahreszahl 1794 (nach Kubach & Seeger).

Dächer: Die Kirche hat Satteldächer auf Schiff und Chor. Der Chor ist mit Doppelbibern gedeckt, das Kirchenschiff mit Römern.

Decke: Die Kirche hat eine dunkle hölzerne Flachdecke mit freiliegenden Querunterzügen.

Innenausstattung: Der untere Teil der Nordostecke des Chors ist durch eine Mauer im Winkel von 45° abgetrennt. Darin befindet sich eine Sakramentsnische. Die Ausstattung der Kirche ist schlicht. Altartisch, Kanzel und Taufstein sind wie die Wände weiß getüncht. Unter der barocken Westempore mit einem Orgelprospekt aus dem 19. Jahrhundert ist die Winterkirche untergebracht.

Rekonstruktion und vermutete Baugeschichte:

Die Kirche hat, nach der Mauerwerksausführung, den Grabungsbefunden und den Öffnungen zu urteilen eine sehr bewegte Geschichte. Die Mauerwerksausführung wechselt z.T. mehrmals von unten nach oben. Auffällig ist, daß das halb zugesetzte Nordportal rundbogig und das Südportal gedrückt-spitzbogig ist. Die Portale stehen sich nicht genau gegenüber, was für einen spätromanischen Bau sehr ungewöhnlich ist. Die Gewändesteine des jetzt halb zugesetzten Nordportals sind nicht mit den unteren, gut geschichteten und gut gequaderten Lagen verzahnt. Der obere Teil (der Bogen selbst) schließt sich in einem Bereich mit unregelmäßiger Mauerung. Der Spitzbogen des großen und dekorativen Südportals endet in einem "Scheitelstein" und wird von einem zweiten Bogen aus flachen Quadersteinen begleitet. Dieses Portal wirkt für eine so kleine Kirche schlicht überdimensioniert und paßt eigentlich nicht zu einem spätromanischen Apsissaal. Dieser "Mischstil" läßt sich zwar auch an der Kirche in Stahnsdorf beobachten und würde für einen Baubeginn in den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts sprechen. Eine spätere Änderung oder der Einbruch des Portals während des frühgotischen Umbaus ist aber nicht auszuschließen. Ebenfalls nicht ganz passend  zu einem Apsissaal sind die rundbogigen Fenster, deren Gewände aus sehr grob behauenen Quadern gemauert sind, die senkrecht auf dem Bogen stehen. Dies deutet daraufhin, daß die Fensterleibungen verputzt waren. Auch das Höhen-/Breiten-Verhältnis der Fenster von 125 x 55 cm spricht nicht unbedingt für einen spätromanischen Bau. Wahrscheinlich stammen die Fenster ebenfalls aus der gotischen Veränderung, die im Zuge des Abrisses der Apsis und des Anbaus des Chors durchgeführt wurde.

Die Rekonstruktion der Baugeschichte wird erheblich erschwert durch die sich widersprechenden Angaben der Ausgräber Grebe (1965) und Fiedler (1966), die jeweils für Chor und Schiff nicht übereinstimmende Bodenprofile liefern. Die Angaben von Grebe und Fiedler sind nicht nur miteinander nicht vergleichbar, sondern selbst innerhalb der einzelnen Grabungsberichte finden sich Widersprüche. Auch stimmen die Interpretationen der Autoren z.T. nicht mit ihren eigenen Befunden überein.
Besonders schwierig ist die Datierung eines alten Lehmfußbodens im Kirchenschiff, der Vegetationsreste getragen haben soll, was bedeuten würde, daß die Kirche ein Zeit lang ohne Dach als Ruine gestanden hätte. Eine offenbar von diesem Lehmboden (nach Fiedler aber bereits vor Aufbringung des Lehmbodens) eingetiefte Brandschuttgrube (beide Ausgräber interpretieren sie als Herdfeuer) enthielt angeblich Keramik des 13. und 14. (nach Fiedler auch des 15.) Jahrhunderts. Fraglich ist ferner, ob der genannte Lehmfußboden des Schiffs mit einer Lehmschicht im Rechteckchor gleichzusetzen ist, die sich oberhalb einer weiteren Herdstelle befand (Fiedler), deren genaue Lage aber nicht beschrieben wird (lt. Fiedlers Abb. 2 lag sie genau über dem ergrabenen Apsisfundament, aber aus Abb. 1 ist dies nicht ersichtlich). Die einfache Schlußfolgerung, daß der Apsissaal eine Ruine war, in der gekocht wurde und Pflanzen wuchsen, ehe man sich zum Wiederaufbau der Kirche - jetzt mit Chorquadrat statt mit Apsis - entschloß, ist bei genauer Betrachtung der beschriebenen Befunde nicht haltbar. Auch die Phasen unterschiedlicher Mauerwerksausführungen an der Kirche lassen sich aus den Befunden nicht einfach als Zerstörungen und Wiederaufbau belegen.
Eine von Grebe angekündigte ausführliche Erläuterung der Grabungsergebnisse ist bezeichnenderweise nie erschienen. 

Ende 12. Jahrhundert: vermutlich erste Holzkirche. Die Fundamente der Steinkirche schneiden nach Grebe (1965) bereits einige Gräber an. Das heißt, daß an dieser Stelle bereits vor dem Bau der Steinkirche ein Begräbnisplatz war und möglicherweise eine Holzkirche oder -kapelle. Direkte Nachweise in den Grabungsbefunden fanden sich jedoch nicht. 

Anfang 13. Jahrhundert: Bau eines Apsissaals mit ?Nord- und/oder ?Südportal (und Querwestturm?). Die Apsis ist durch die Grabung im Kircheninneren nachgewiesen worden (siehe ursprünglicher Grundriß) (Grebe, 1965, Fiedler, 1966), der Abriß eines "Turms aus Bruchsteinen" 1883 wird von Pomplun (1960) erwähnt. Ob dieser Turm ein ursprünglicher Querwestturm war oder ein später angebauter eingezogener Turm oder überhaupt nur ein Dachturm, läßt sich allerdings nicht mehr feststellen.Vermutlich hatte der Bau je vier Fenster auf Nord- und Südseite des Schiffs. Die Apsis dürfte die üblichen drei Fenster gehabt haben. Merkwürdig ist, daß das heutige Schiff keine Spur eines Priesterportals zeigt, das zu diesem Apsissaal gehört haben könnte bzw. gehört haben müßte. Es gibt aber kleine Apsissäle, die kein Priesterportal hatten, sondern lediglich ein Gemeindeportal, das vermutlich vom Geistlichen mitbenutzt wurde. Merkwürdig ist außerdem, daß nach dem Grabungsbefund das Fundament unter dem alten Apsisbogen durchgehend ist (nach Grebe; bei Fiedler wird dieser Befund nicht erwähnt). In der Regel ist das Fundament unter Apsis- und Triumphbogen unterbrochen, jedoch können solche Verhältnisse wie in Thyrow gelegentlich auch bei anderen Kirchen beobachtet werden. Es wäre denkbar, daß der untere Teil des Schiffs ein Neuaufbau oder Teilneubau auf alten Grundriß ist. Dadurch wäre auch erklärbar, daß kein zum Apsissaal passendes Priesterportal gefunden wurde.

2. Hälfte 13. Jahrhundert: Abriß der Apsis und Anbau eines eingezogenen Chors mit einer rundbogigen Priesterpforte auf der Südseite des Chors. Vielleicht ist auch der untere Teil des Schiffs ein Neuaufbau auf altem Grundriß (s.o.) und stammt aus dieser Zeit. Die Qualität der Mauerwerksausführung im Chor ist sehr unterschiedlich. Sicherlich wurden auch die Blendquader der abgerissenen Apsis wieder verwendet, was die teils sehr gute Behauung der Quader erklärt, teils sind die Steine aber nur grob gequadert oder nur gespalten. Der eingezogene Chor erhielt an dem geraden Ostabschluß eine Dreifenstergruppe von schmalen, spitzbogigen Fenstern. Nord- und Südseite hatten je zwei kleine, wahrscheinlich gedrückt spitzbogige und hochsitzende Fensterchen. Wahrscheinlich stammen auch die je vier Fenster auf der Nord- und Südseite des Schiffs aus dieser Zeit, da sie in einem Bereich der Mauer liegen, der unregelmäßiges Mauerwerk aufweist. Dieser Bau hatte im Chor einen Plattenfußboden, im Schiff vermutlich noch einen Sandfußboden. Die Dachpfannen des Plattenfußbodens stammten wohl vom Vorgängerbau.
Der Zeitpunkt des Ersetzens der Apsis durch einen eingezogenen Chor ist nicht absolut datierbar; wir favorisieren die 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts, weil keine der um 1300 oder später entstandenen Kirchen der Region mehr einen eingezogenen Chor aufweist, es handelt sich bei diesen Bauten stets um einfache Rechtecksäle.

Anfang (?) 14. Jahrhundert: Anlegen der Herdstellen im Schiff und im Chor über dem Apsisfundament. Diese Interpretation ist nur richtig, wenn eine Herdstelle tatsächlich auf dem Apsisfundament lag (Diskussion siehe oben). Die Kirche wurde zu jener Zeit offenbar nicht als Sakralraum genutzt. Merkwürdig und nicht zu erklären ist die Datierung der in den Herdstellen gefundenen Keramikreste (je nach Ausgräber) vom 13. bis zum 15. Jahrhundert. Über einen derart langen Zeitraum wurde die Feuerstelle bestimmt nicht benutzt bzw. lag die Kirche sicher nicht ungenutzt; die Interpretation der Funde ist hier vermutlich zum Teil nicht korrekt.

14./15. Jahrhundert: Einbringung eines Lehm-Stampfbodens im Kirchenschiff und im Chor. Je nach Interpretation der Keramikfunde in den von diesem Boden aus abgeteuften (Grebe) bzw. unter diesem Boden befindlichen (Fiedler) Herdstellen ist dieser Boden zwischen dem Anfang des 14. (Grebe) und der Mitte des 15. Jahrhunderts entstanden (Fiedler). Ein von Fiedler gefundener Rest von Vegetation (Moose) läßt nach Ansicht dieses Autors darauf schließen, daß die Kirche irgendwann zwischen der Anfertigung dieses Bodens und dem später darüber auf einer Sandschicht verlegten vermutlichen Holzfußboden ein Zeit lang Ruine war bzw. kein Dach hatte.
Der Wechsel der Mauerwerksausführung in Chor und Schiff könnte für eine teilweise Zerstörung und einen Wiederaufbau der Kirche im 14. Jahrhundert sprechen, aber die Befunde der Ausgräber weisen zwischen dem Lehmfußboden und der überlagernden ausgleichenden Sandschicht keinerlei Brand- oder Schutthorizont nach. Nur ein Brand oder ein Einsturz des Kirchendachs infolge jahrzehntelanger Verwahrlosung könnte aber eine tiefgreifende Zerstörung der Kirche verursacht haben. Außerdem werden ausgerechnet von Fiedler die Keramikfunde aus der den Lehmboden unterlagernden Herdstelle bis ins 15. Jahrhundert datiert.
Vielleicht ist also dem Vegetationsrest auf dem Kirchenboden keine größere Bedeutung zuzumessen; Moose wachsen an ungestörten Stellen auch bei geringer Beleuchtung.

15. Jahrhundert (?): Mauerung der Giebel, erste Vergrößerung der Fenster durch teilweises Beseitigen der Schrägen (Nachweis großformatiger Ziegel an der Basis des östlichen Fensters der Südseite).

Zerstörung im 30-jährigen Krieg (ergrabene Brandschicht). Das Dorf wurde 1625 von Wallensteinischen Truppen geplündert und in Brand gesetzt.

2. Hälfte 17. Jahrhundert: Wiederaufbau. 

"Barock" (1719?): Deutliche Vergrößerung der zwei östlichen Fenster auf der Nord- und Südseite des Schiffs. Auch im Chor wurden ein Fenster auf der Nord- und Südseite sowie zwei Fenster auf der Ostseite segmentbogig verändert. 

Zeitlich unbestimmt: Zusetzen der Priesterpforte, Zusetzen des Nordportals, Entfernen des Kanzelaltars (im Kreisinventar von 1941 wird er noch beschrieben).

Nachgewiesene Umbauten und Instandsetzungen:

1719 fertigte Aswig Hahn, Tischler aus Trebbin, eine neue Kanzel und einen Altar. Einbringung eines neuen Dielenbodens im Schiff.

1794: Erneuerung des Turms, vermutlich stammt auch der Ziegelfußboden im Chor aus dieser Zeit (Grebe, 1965).

1883: Abriß des Turms "aus Bruchsteinen", Neubau der Westwand aus Ziegeln, Errichtung eines Dachturms aus Fachwerk (Pomplun). Bau der Orgel.

"Erneuerung" 1962-65 mit "Rekonstruktion der Priesterpforte" (Wiederöffnung). Vermutlich Zusetzen der beiden segmentbogigen Chorfenster auf der Ostseite und Rückbau der Chorfenster auf Nord- und Südseite zu je zwei rundbogigen Fenstern ohne Schrägen.

1964: Kirchengrabung.

Vergleiche: Der ursprüngliche Kirchenbau läßt sich am ehesten noch mit der nicht mehr existierenden Kirche in Klein Ziethen vergleichen, die ebenfalls ein Apsissaal war. Dort waren ebenfalls je vier Fenster auf Nord- und Südseite vorhanden. Das Gemeindeportal war auf der Südseite, das Priesterportal auf der Nordseite. Die Abmessungen der Thyrower Kirche sind vor allem in der Länge um einiges kleiner, in der Breite aber nur geringfügig kleiner. Möglicherweise hatte die Kirche von Thyrow aber ursprünglich einen Querwestturm und war damit deutlich länger als heute.

Bemerkungen: Kubach & Seeger (1941) datieren die Kirche ins "13./14. Jhrt.", während sie im Werk "Bau- und Kunstdenkmale in der DDR" (1978) und im "Dehio" ins 13. Jahrhundert gestellt wird. Noch präziser ist die Angabe im "Kunstführer durch die DDR" (1973) und Pomplun (1960) mit "2. Hälfte des 13. Jahrhunderts". Das Werk "Brandenburgische Dorfkirchen" (1978) gibt lediglich "mittelalterlich" an.

Es ist schon etwas merkwürdig, daß in keinem der einschlägigen neueren Werke die 1965 (Grebe) und 1966 (Fiedler) publizierten Befunde der Ausgrabung in der Kirche berücksichtigt sind. Über die sehr unterschiedliche und von unten nach oben wechselnde Mauerwerksausführung wird ebenfalls ohne Kommentar hinweggegangen. Erstaunlich ist auch, daß das teilweise vermauerte Nordportal z.T. nicht erkannt worden ist.
Im Bauschutt der Ausgrabungen fanden sich Ziegel des Formats 28 x 14 x 7 cm und Dachpfannen des Formats 28 x 12 x 2 cm (Fiedler, 1966). Diese stammen aus der Brandschuttschicht, die die Zerstörung im 30-jährigen Krieg (wohl 1625) hinterlassen hat bzw. aus dem später erfolgten Wiederaufbau. Sie könnten also älter als 1625 sein. Das Ziegelformat ist fast identisch mit dem Ziegelformat, das 1615 beim Bau des Chors der St. Gertraud-Kapelle in Belzig benutzt wurde. Auch für die 1596/97 errichtete Kirche in Kleinmachnow wurden z.T. ähnliche Ziegelformate verwendet (dunkelrote Ziegel im höheren aufgehenden Mauerwerk). Für das Dachpfannenformat liegen bisher nur wenige Vergleichsdaten vor.

Literatur: Fidicin (1857): Die Territorien der Mark Brandenburg Band I, S.138/9, Spatz (1912): Unser Teltow, Band 3, S.308-310, Schultze, J. (1940): Das Landbuch der Mark Brandenburg, S.98, Kubach & Seeger (1941): Die Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Mark Brandenburg, Kreis Teltow, S.41/2, Pomplun (1960): Der mittelalterliche Dorfkirchenbau auf dem Teltow, S.31, Mertens (1973): Romanische Saalkirchen, S.151, Gericke, Schleif & Wendland (1974): Brandenburgische Dorfkirchen, S.155, Piltz (1975): Kunstführer durch die DDR, S.147, Enders & Beck (1976): Historisches Ortslexikon für Brandenburg, Teil IV Teltow, S.198/9, Die Bau- und Kunstdenkmale in der DDR (1978), S.457, Mehlhardt (1977): Märkische Dorfkirchen Teil 69 Thyrow, Potsdamer Kirche, 10, (v.11.3.1979) (ohne Seitenzählung), Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler Bezirke Berlin/DDR und Potsdam (Dehio/Potsdam) (1983), S.432, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler Brandenburg (Dehio/Brandenburg) (2000), S.1051.



Außenansicht

Ansicht der Südseite


Die Nordseite des Chors mit stark wechselnder Qualität der Mauerwerksausführung


Südportal



Innenansicht

Nordostteil des Chores mit der Sakramentsnische


Die südliche Bereich des Chores mit der zugesetzten Priesterpforte


Westempore mit Orgel



Grundriß


Grundriß (nach Kubach & Seeger, 1941)



Ursprünglicher Grundriß

Grundriß mit ergrabener Apsis (nach Grebe, 1965)


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©Theo Engeser und Konstanze Stehr, Jühnsdorf, 1999-2003