Die vier Jahreszeiten

ein Bilderzyklus von Joos de Momper

Herbst

Inhalt

    Herbst
    Landsitze im Herbst
    Herbstfeuer am Dorfrand
    Holzeinschlag und Schweinemast im Herbst

Herbst

Auch der Herbst wurde durch Allegorien veranschaulicht. Cesare Ripa empfiehlt in seinem erstmals 1593 erschienenen Emblembuch "Iconologia" als Sinnbild des Herbstes folgende Möglichkeiten der Personifikation: "Autunno. Eine Dame reifen Alters, füllig und reich gekleidet, die auf dem Kopf einen Kranz von Trauben und Weinlaub tragen soll und in der rechten Hand ein Füllhorn mit vielerlei Früchten. Man male sie als reife Frau, weil die Jahreszeit des Herbstes als Reifezeit (Mannesalter) des Jahres bezeichnet wird, während derer die Erde bereit ist, die von der sommerlichen Hitze gereiften Früchte herzugeben, auch die Samen und Blätter, die gleichsam müde geworden sind, sich zu vermehren ... Üppig und reich gekleidet stelle man sie dar, weil der Herbst reicher ist als andere Jahreszeiten. Der Kranz aus Wein und das Füllhorn voller Früchte bedeuten, dass der Herbst Trauben, Früchte und alle Dinge zum Nutzen der Sterblichen im Überfluss hat ... Man kann den Herbst auch darstellen als Bacchus, beladen mit Wein, dazu ein Tiger, der, hochspringend, ihm den Wein aus der Hand reissen will, oder man kann eine Bacchantin (Begleiterin des Gottes Bacchus) malen in der gleichen Art, wie man eine Pomona darzustellen pflegt" (Ausgabe von 1630, Bd. III, 99-100)

Sehr beliebt war die Personifikation des Herbstes in Gestalt antiker Gottheiten, die charakteristische Arbeiten der Herbstmonate wie Weinlese und Ernte von Winterobst versinnbildlichen konnten.

So personifizierte Virgil Solis um 1500 - in einer seiner beiden Jahreszeitenfolgen - den Herbst in Gestalt der Pomona, die in beiden Händen Äpfel oder Birnen hält. Pomona ist die römische Göttin der Baumfrüchte, deren Verführung durch Vertumnus der römische Dichter Ovid in seinen Metamorphosen beschrieb (XIV, 623 ff.). Hinter ihr erscheint Bacchus (griechisch: Dionysos), der Gott des Weines, des Rausches und der Fruchtbarkeit. Beide thronen auf einem von Ziegenböcken gezogenen Triumphwagen, der begleitet wird von Bacchus´ stets trunkenem, doch weisem Lehrer Silen auf seinem Esel, von Vertumnus und anderen.

Antonio Tempestas beschränkt sich in seinem Kupferstich von 1592 auf den Gott Bacchus, der weinselig auf einem traubenbeladenen Wagen lehnt. Das Bildfeld wird hier gerahmt durch die Tierkreiszeichen der zugehörigen Monate zwischen Grotesken (einem seit der Renaissance gebräuchlichen Ornament aus Rankenformen und Lebewesen, benannt nach den "Grotten", verschütteten Räumen antiker Paläste in Rom mit entsprechendem Dekor). Unten erscheinen noch männliche und weibliche Begleiter des Bacchus: Silene, bocksbeinige Halbgötter, und eine Mänade, auch Bacchantin genannt.

Personifikationen aus der Myhtologie, den Geschichten aus der antiken Götter- und Sagenwelt, und solche, die - nach Art von Cesare Ripas Vorschlag - verweisende Attribute (Kennzeichen) vereinen, waren weit verbreitet. Doch konnte auch ein sittenbildliches Motiv, etwa die Weinkelter, zum Sinnbild des Herbstes ausgestaltet werden. In seiner zweiten Folge personifiziert Virgil Solis den Herbst als Winzer, der frischen Most kostet und Trauben emporhält. Ein zweiter steht in der Kelter, mit den Füssen Trauben pressend, während ein dritter Nachschub in der Kiepe heranträgt. Diese Form wurde aus den Monatsfolgen übernommen.

Pieter Brueghel verzichtet völlig auf Personifikationen und Allegorien in der 1570 publizierten Jahreszeitenfolge, die er 1565 begann und die nach seinem Tod von Hans Bol durch Herbst und Winter vervollständigt wurde. Thema sind bei Brueghel die charakteristischen Tätigkeiten der Menschen - ganz im Sinne seiner eigenen Monatsbilder, die er 1565 für den Antwerpener Niclaes Jonghelinck malte. Die unterschiedlichen Aktivitäten werden aus Nahsicht auf eng gefülltem Bildfeld detailreich beschrieben. Dieses neue sittenbildliche Konzept der Jahreszeitendarstellung wurde von Hans Bol fortgeführt. Er charakterisiert den Herbst durch Schlachtefest, Weinkelter und - im Hintergrund - das Schlagen von Brennholz als Vorsorge für die kalte Jahreszeit. Dies waren gängige Motive der Monatsfolgen, wie auch ein Blick auf Virgil Solis´ Serie verdeutlicht. Nur schildert Solis als Bild des Novembers die Flachsverarbeitung anstelle des Holzschlagens.

Joos de Momper hat sich offensichtlich an der Stichfolge von Brueghel und Bol orientiert. Doch schildert er als Landschaftsmaler weite Landschaftsräume anstelle von Brueghels nahgesehenen Schauplätzen. Auch hierfür gab es schon Vorbilder bei Brueghels Nachfolgern: etwa in in den gemalten Jahreszeitenfolgen von Jacob Grimmer aus dem Jahr 1575 in Budapest oder von Lucas van Valckenborch aus den Jahren 1585-87 im Wiener Kunsthistorischen Museum. Schon hier, besonders eindrucksvoll jedoch bei Momper, haben die jahreszeitlich bedingten Stimmungen landschaftlicher Natur das gleiche Gewicht wie die menschlichen Aktivitäten.

Stimmung spielt auch im Stich des Jan van de Velde von etwa 1622 nach Buytewechs Vorzeichnung eine wichtige Rolle. Das zur Neige gehende Jahr wird hier gleichgesetzt mit der Dunkelheit des Herbstabends. Es handelt sich also um eine Kombination von Jahreszeit und Tageszeit. Die Nachtstimmung, vom lodernden Feuer spärlich erleuchtet, verleiht der alltäglichen Schlachteszene eine gleichsam "romantische" Note.

Schon in Jahreszeitendarstellungen ist unterschwellig die Spannung enthalten zwischen der steten Wiederkehr gleicher Lebensabläufe und der Vergänglichkeit des Irdischen im Verrinnen der Jahres- und Lebenszeit. Pointierter noch macht dies der 1651 verstorbene Dichter Heinrich Albert in seinem humorvoll besinnlichen Gedicht über den Kürbis zum Thema. Das Wachsen und Vergehen einer Pflanze und ihrer Frucht wird direkt mit dem Gedanken an den Tod verbunden:

Ein Kürbis spricht

Mit der Zeit ich kommen bin,
Fall´ auch mit der Zeit dahin.

Mensch, hierinnen sind wir gleich,
Du magst schön sein, jung und reich:
Unsre Pracht kann nicht bestehn,
Beide müssen wir vergehn.

Nun ich jung noch bin und grüne,
O, so hält man mich im Wert!
Bin ich welk und nicht mehr diene,
Wer ist dann, der mein begehrt?

Mensch, ich kann es leichtlich gläuben,
Dass Du wünschst, ich möchte bleiben;
Nicht dein Will, auch meiner nicht,
Gottes Wille nur geschicht.

Dem Herbst verlangt nach mir,
Mich zu verderben;
Dem Tod, o Mensch, nach dir,
Auch du musst sterben.

Die Zeit und wir vergehn;
Was wir hie stehen sehn
In diesem grünen Garten,
Verwelkt in kurzer Zeit,
Weil schon des Herbstes Neid
Scheint drauf zu warten.

Ich und meine Blätter wissen,
Dass wir dann erst fallen müssen,
Wenn der rauhe Herbst nun kümmt:
Aber du, Mensch, weisst ja nicht,
Obs nicht heute noch geschicht,
Dass dir Gott das Leben nimmt?

Ob ich gleich muss bald von hier,
Kriegst du dennoch Frucht von mir;
Wenn man dich, Mensch, wird begraben,
Was wirst du für Früchte haben?

O, ich habe schon vernommen,
dass mein Feind, der Herst, wird kommen,
Dessen Raub ich werden soll:
Lieber Mensch, gehab dich wohl!


Landsitze im Herbst

Der Herbst ist eine unwirtlich trübe Jahreszeit. Vor rauhen Herbststürmen, die die letzten Blätter von den Bäumen reissen, vor Regen, Nebel und Kälte verkriechen sich die Städter in ihren geheizten Kontoren, Werkstätten und Wohnräumen. So kann Momper auf die Darstellung von Stadt und Bürger verzichten. Stellvertretend schildert er einen herrschaftlichen Landsitz zwischen kahlen Bäumen an einem Wasser. Solche Herrschaftshäuser bewohnte der Landadel. Doch wurden manche von ihnen, wie das Land selbst, aufgekauft von reichen Bürgern, sogenannten Patriziern, die auf Grund ihres Einkommens und Vermögens in den regierenden Rat einer Stadt gewählt werden konnten. Sogar ein Malerkollege Mompers, der hochangesehene Peter Paul Rubens, konnte 1635 für sich und die Seinen als Sommerfrische die Herrschaft Steen zwischen Brüssel und Mecheln erwerben. So glichen sich niederer Adel und städtisches Patriziat in Anspruch und Lebensstil einander an.

Vermutlich bildet Momper einen bestimmten herrschaftlichen Landsitz ab, der nicht erhalten ist; ein ganz ähnliches Bauwerk an einem Teich ist nämlich auf dem Stich Nr. 11 einer Folge von 12 Ansichten aus der Umgebung Antwerpens zu finden, die Adriaen Collaert nach Vorzeichnungen des 1590 verstorbenen Jacob Grimmer gestochen hat. Auch Mompers Freund, der Maler Jan Brueghel der Ältere, zeigt im Hintergrund mehrerer seiner Bilder das Schloss Mariemont als "Architekturporträt", so wie es die Erzherzöge Albrecht und Isabella, Regenten der spanischen Krone in den südlichen Niederlanden, 1600-1608 im Süden des Landes errichtet hatten.


Herbstfeuer am Dorfrand

Jedes Jahr wieder beginnt nach der schweren Mühe des Erntens das grosse Aufräumen aller Abfälle vor Einbruch von Frost und Schnee. Was nicht als Nahrung und Futter, als Schütte im Stall, zur Abdeckung der Beete oder zur Kompostgewinnung tauglich ist, wird zusammengetragen und angezündet. Für Kinder sind Herbstfeuer eine helle Freude. Man kann Stück für Stück in die Glut werfen, den züngelnden Flammen zuschauen und sich die klammen Finger wärmen. Im Dorf sind unterdessen andere damit beschäftigt, ihre Ernteerträge mit Planwagen zu nahen Märkten zu fahren, bevor der Herbstregen die Strassen aufweicht. Bald wird Gemeinschaftsleben nur noch am Herdfeuer stattfinden - in den ärmlichen Hütten und Häusern, die sich um die Dorfkirche scharen.


Holzeinschlag und Schweinemast im Herbst

Nach Erntedank ist es hohe Zeit, Brennmaterial für den Winter zu beschaffen. Die Bauern fahren ins Holz, in den Gemeindeforst. Sie schlagen Bäume, zerhacken die Stämme zu Scheiten und sammeln Reisig zum Feueranzünden. Zugleich werden die Schweine zur Eichelmast getrieben, bevor sie zu Weihnachten geschlachtet werden. Sicher haben auch damals schon die Bauern dorfnahe Bäume - als wichtigen Windschutz im flachen Land - geschont. Doch muss ein Maler die "Einheit des Ortes" wahren, wenn er auf planer Tafel mit Hilfe von Linear- und Luftperspektive die Illusion eines Landschaftsraumes schaffen will. Was für den Betrachter kenntlich sein soll, muss nahe beeinander dargestellt werden.

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