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Der "Notenausweis” des Wohlfahrtsausschusses in Wörgl

Der Wohlfahrtsausschuß gab folgende Beträge in Arbeitsscheinen an die Gemeindekasse ab:

am 31.7.1932 Sch. 1 600
am 6.8.1932 Sch. 500
am 6.8.1932 Sch. 100
am 20.8.1932 Sch. 2 300
am 28.8.1932 Sch. 1 300
am 2.9.1932 Sch. 1 500
am 17.9.1932 Sch. 1 200

Summa Schilling 8 500

Diese Summe wurde nicht einmal gebraucht, wie die nachfolgenden Ausweise zeigen:

Wie lächerlich - so denkt der Bürger, der nichts von der Bedeutung der Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes für die Wirtschaft ahnt - wie lächerlich klein sind doch diese Summen! Aber was ist mit Hilfe dieser Summen möglich geworden! Mit Hilfe der bei der Gemeinde eingehenden Rückstände, die jetzt bezahlt werden konnten, mit Zuschüssen aus der Arbeitslosenfürsorge und aus dem Notstandskredit des Bundes im Betrag von 12 000 Schilling konnte das vorgesehene Arbeitsbeschaffungsprogramm durchgeführt werden. Die ursprünglich vorgesehenen Beträge konnten sogar weit überschritten werden. Hans Burgstaller berichtet darüber:

«Das erste Bauvorhaben wurde am 11. Juli 1932 begonnen. Es umfaßte die Kanalisierung der Jahnstraße und Brixentalerstraße, die Straßenarbeiten an der oberen und unteren Bahnhofstraße, am Kirchplatz und an der Schachtnerstraße, sowie die Asphaltierung dieser Straßen mit Ausnahme der Brixentaler- und Schachtnerstraße. Die Arbeiten waren am 29. Oktober 1932 beendet.

Der Gesamtaufwand betrug 31 222.42 Sch.

Das zweite Bauprogramm umfaßte die Asphaltierung der Schachtner- und Brixentalerstraße, die Ausgestaltung der Premstraße, sowie die Rohr- und Randsteinerzeugung auf Lager. Der Gesamtaufwand betrug 43 385.61 Sch.

Außer diesen Arbeiten wurden noch durchgeführt:

Für die Notstandsarbeiten wurde daher aufgewendet ein Gesamtbetrag von 102 197.13 Sch.

Die Lohnzahlungen für diese Arbeiten erfolgten ausschließlich in Arbeitswertscheinen. Sie wanderten von der Gemeinde zum Baumeister, vom Baumeister zum Arbeiter, von diesem zum Händler oder Erzeuger und wieder zurück.»

Dr. Alfred Hornung will das nicht wahr haben. Er findet, das sei «ein ganz unwahrscheinlicher Erfolg» des doch «geringfügigen Schwundgeldumlaufs». Hornung verwechselt eben, wie das die Währungsspezialisten der alten Zeit immer wieder tun, den Geldbestand mit dem Geldumlauf. Um den Geldbestand in einem Jahr zu erhalten, braucht man bloß die Ausweise der Notenbank zu kennen - um den Geldumlauf zu erfahren, müßte man diesen Geldbestand multiplizieren mit der Zahl der Handänderungen, welche diese Summe im gleichen Jahre erfahren hat. Hier kann man nur mit Mutmaßungen, mit Beobachtungen und Feststellungen arbeiten. Hornung schreibt selber, daß die Arbeitswertscheine durchschnittlich in der Woche 2 mal in die Gemeindekasse zurückgeflossen seien. Wenn sie dazwischen noch je 3 mal, in der Woche also 6 mal die Hand gewechselt haben, so macht das für jeden Schilling noch 6 weitere Zahlungen, zusammen also 8 in der Woche oder 52 mal 8 im Jahr = 416 im Jahr....

Der langjährige Präsident des Generaldirektoriats der schweizerischen Nationalbank, Prof. Dr. G. Bachmann schätzte in seinen Vorlesungen an der Hochschule in Zürich, daß der Franken als Konsumgeld in den Händen des Volkes etwa 200 mal im Jahr die Hand wechsle. Man sieht hier, daß die Tauschleistung des Geldes in Wörgl mehr als doppelt so hoch eingeschätzt werden müßte als die Tätigkeit eines normal umlaufenden Frankens. Der österreichische Schilling aber lief 1932 nicht einmal normal um, sondern blieb in der Hand jedes Menschen liegen, der ihn nicht unbedingt sofort ausgeben mußte, in Erwartung eines weiteren Preisabbaus! Wie groß da die Unterschiede sein können, ergibt sich aus den Angaben der Schweizerischen Nationalbank über das Verbleiben eines Frankens auf dem Girokonto dieser Bank: es schwankt zwischen 0,6 - 0,8 Tagen in den Jahren des Preisanstieges 1910/13 und 1927/29 einerseits und 18,5 - 30,0 (!) Tagen in den Jahren des erwarteten Preisrückganges 1932 (!) und 1938 andererseits! Der Unterschied in der Umlaufsgeschwindigkeit verhält sich also wie 1 zu 50! Mit andern Worten: Der "Geldumlauf" oder "Notenumlauf", wie unaufmerksame Bankfachleute und Nationalökonomen den Geldbestand oder Notenstand eines Landes bezeichnen, kann sich im Verhältnis von 1: 50 in seiner Größe verändern, ohne daß dies in den Zahlen ihrer Statistik zum Ausdruck kommt!

Die Nationalökonomen, welche über Wörgl schrieben, haben festgestellt, daß der Notenstand der Nationalbank in Wien im Jahre 1932 auf jeden Österreicher durchschnittlich 153 Schilling ausgemacht habe, während im Mittel der 12.5 Monate vom August 1932 bis 15. September 1933 pro Kopf der Wörgler Bevölkerung durchschnittlich nur 5490 Schilling in Arbeitswertscheinen umliefen, pro Kopf also höchstens 1,3 Schilling. Wenn man aber in Betracht zieht, daß diese Arbeitsscheine umgelaufen sind, während das österreichische Staatsgeld träge auf den weiteren Preisabbau wartete, so bekommt diese Sache ein anderes Gesicht. Die 5490 Schilling vermitteln, wenn sie im Jahr 416 mal die Hand wechseln, was stimmen kann, in 13,5 Monaten jeder für 464 Schilling Umtausch von Waren oder von Arbeitskräften oder von Zahlungen. Das macht für die 5490 Schilling in Freigeld 2 547 360 Schilling! Diesen wirklichen Geldumlauf bezeichnet Hornung als «geringfügig»! Setzen wir neben diese Tätigkeit des Wohlfahrtsausschusses von Wörgl mit seinem Freigeld die arbeits- und umsatzhindernde Untätigkeit der österreichischen Nationalbank, des Dr. Kienböck und seiner «Vereinigung für gesunde Währung» in Österreich, so erhalten wir das folgende Bild:

Monat Notenstand Preisstand Arbeitslosigkeit
August 1932 915 107 334
September 902 108 345
Oktober 903 108 370
November 880 107 410
Dezember 914 107 450
Januar 1933 872 106 478
Februar 859 105 480
März 919 104 456
April 912 104 423
Mai 898 105 392
Juni 893 106 381
Juli 903 105 375
August 900 105 366

In Deutschland sank der Notenstand in der gleichen Zeit von 3817 auf 3625 Millionen und der Preisstand von 120 auf 119, die Zahl der Arbeitslosen kann nicht mehr genau angegeben werden, weil die Statistik die Ausgesteuerten nicht zählt... In der Schweiz wurde der Notenstand von 1561 auf 1419 Millionen gesenkt, der Preisstand von 137 auf 131; infolge dieser Deflation stieg die Zahl der Arbeitslosen von 7,6 auf 7,8 % der Beschäftigten oder von 1932 auf 1933 von 54 366 auf 67 867

In Wörgl aber sank die Zahl der Arbeitslosen in der gleichen Zeit um 25 %! Diese Angabe stammt nicht etwa vom Bürgermeisteramt, sondern von Dr. A. Hornung!


Auszug aus: Fritz Schwarz: Das Experiment von Wörgl; 1951
Dieser Text wurde ins Netz gebracht von: W. Roehrig. Weiterverbreitung ausdrücklich erwünscht.
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