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Ein politisches Meisterstück

Durch die vielen vorbereitenden Besprechungen des Bürgermeisters mit den einzelnen Ausschußmitgliedern konnte eine lange Diskussion erspart werden. Die Leute wußten genau, um was es ging. Alle stimmten geschlossen dem Vorschlag zu.

«Diese Schwundgeldsache hat es fertig gebracht, in diesem über und über politisierten Österreich dem Schicksal zu entgehen, ein Politikum zu werden: alle das Notgeld betreffenden Beschlüsse wurden im Gemeinderat jeweils einstimmig, mit Unterstützung aller Parteien beschlossen.»

Nicht nur aller Parteien, so ergänzte und berichtigte Redaktor Hans Burgstaller seinen Schweizer Kollegen Dr. Alex von Muralt, damals in Wien, der dies in Schweizer Zeitungen berichtete, «sondern auch aller Weltanschauungen».

In der "Illustration”, der großen Pariser Illustrierten, erschien am 9. September 1932 eine ausführliche Reportage von Dipl.Ing. Claude Bourdet (ETH. Zürich); er schrieb unter anderem ebenfalls:

«Nicht nur die bekanntesten Kaufleute der Ortschaft wurden für das revolutionäre Programm gewonnen, sondern auch der katholische Ortspfarrer, der Kommandant der Heimwehr, ein überzeugter Reaktionär mit dem Gehaben des alten Militärs - alles in allem - eine wahrhaftige ,Nationale Union'.»

Eine Ausnahme machte einzig eine bestimmte Art von Politikern:

«Die sozialistischen Parteiführer wollen in Tirol, wie überall, von der Freigeld-Lehre nichts wissen, und haben den Bürgermeister oft gedrängt, von dieser fragwürdigen, im Parteiprogramm nicht vorgesehenen Schwundgeld-Sache abzustehen. Unterguggenberger läßt sich aber nichts vorschreiben.»

Liegt in diesen Worten des Berner Religiössozialen von Muralt nicht eine leise Ironie? Sie wäre berechtigt. Die Sozialdemokraten haben wirklich eigenartig gehandelt, als sie diese Maßnahmen gegen den Streik des Kapitals abgelehnt haben, gegen den Streik des Geldes, mit dem das Kapital die Ausbeutung der Arbeit sichert und verewigt. Aber der Vorwurf ist nicht gerecht, wenn er nur gegen die Sozialisten gerichtet ist. Er gilt noch mehr für die Bürgerlichen. Denn weil die Bürgerlichen den Streik des Kapitals gegenüber der Arbeit nie zu brechen gewußt haben, gaben sie den Kommunisten den Weg frei zur Diktatur über das Proletariat, die nun die Diktatur des Geldsacks ablöste - statt daß man das Geldwesen in Ordnung gebracht und dem bürgerlichen Staat durch den festen allgemeinen Preisstand eine solide Grundlage gegeben und ihn gleichzeitig aus den Fesseln des streikenden Kapitals befreit hätte.


Auszug aus: Fritz Schwarz: Das Experiment von Wörgl; 1951
Dieser Text wurde ins Netz gebracht von: W. Roehrig. Weiterverbreitung ausdrücklich erwünscht.
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