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Unterguggenherger zieht Silvio Gesells «Natürliche Wirtschaftsordnung» zu Rate

Da las und las er wieder:

«Eine Wirtschaftskrise, also Absatzstockung und Arbeitslosigkeit mit ihren Begleiterscheinungen, ist nur bei weichenden Preisen denkbar ...

Nur wenn die Preise anhaltend und stark (meistens um 5 % jährlich) steigen, kann sich die Volkswirtschaft ohne Krise abwickeln. - Wie könnte die Wirtschaftskrise verhütet werden? In der Erklärung ihrer Ursache ist auch schon die Bedingung angegeben, die für die Verhütung der Wirtschaftsstockungen erfüllt werden muß, und diese lautet: ,Die Preise dürfen niemals und unter keinen Umständen fallen! Das ist die Bedingung, die erfüllt werden muß!'»

Das überlegte sich der Bürgermeister Unterguggenberger von Wörgl, wie so mancher das im Laufe der Jahre wohl überlegt hat - auch Dr. Kienböck, Prof. Dr. Bachmann, auch Dr. Schacht? Schon 1927 schrieb Dr. Schacht als Direktor der Deutschen Reichsbank in deren Jahresbericht:

«Der Zahlungsmittelumlauf eines Landes muß in einem abgewogenen Verhältnis zu dem Umfang der wirtschaftlichen Betätigung gehalten werden.- Ein Prüfstein für die Höhe des Zahlungsmittelumlaufs ist die Entwicklung des allgemeinen Preisniveaus.»

Im Jahre 1933 sagte Schacht in aller Öffentlichkeit:

«Die Deflationspolitik hat ein Drittel der deutschen Arbeiterschaft auf die Straße gesetzt! - Wenn man dieses Trauerspiel nicht wiederholen will, daß man auf der einen Seite Getreide ins Meer wirft und Kaffee verbrennt, während auf der andern Seite Millionen von Menschen hungern und frieren, so sollte man davon absehen, neue Deflationsmaßnahmen zu propagieren.»

Aber sich jetzt, zu Beginn der Krise, mit bestimmten Forderungen auf Schluß der Deflation, auf Bekämpfung der Geldhamsterung zu Worte melden? Es scheint in der Welt viel mehr Politiker zu geben als in den Parlamenten Platz finden können - sie scheinen sich daher auch in den Notenbanken und in der Verwaltung einzunisten. Denn, so sagte Abraham Lincoin: «Ein Politiker ist ein Mensch, der nie das Übel an seiner Wurzel packt, sondern immer nur dessen Folgen, aber niemals die Ursachen bekämpft - weil er sich nicht überflüssig machen will!»-

Es braucht allerlei, damit die Wirtschaftskrise in ihren Ursachen bekämpft wird: eine gescheite Persönlichkeit, die beobachten und Schlüsse ziehen kann, sodann guten Willen, um zu handeln, Klugheit, um die Angelegenheit den Umständen entsprechend anzupacken und Menschen dafür zu gewinnen, die auch zu helfen vermögen.

Das Entscheidende aber ist immer der Wille zum Helfen, der Wille zur Verantwortung.

Michael Unterguggenberger hatte den Willen zum Helfen und trug schwer an seiner Verantwortung.

Er ging vom einen zum anderen, um sie über seine Ansichten und Absichten aufzuklären. Das war eine schwere Aufgabe. Oft war er fast verzweifelt über die Begriffsstutzigkeit der einen - dann war er wieder überrascht, wie rasch ein anderer seine Gedanken auffaßte und darauf einging. Er gewöhnte sich schließlich ab, die Leute zum vornherein darauf einzuschätzen, wie sie seine Ideen auffassen würden: es kam zu oft ganz anders als er es geglaubt hatte. Da war z. B. ein angesehener, und aber sehr konservativer Mann, vor dem er sich beinahe fürchtete - er ging sofort auf die Frage ein und zeigte sich in der Folge als eine sehr gute Stütze. Aber dann war wieder ein Parteimann - der war widerspenstig wie ein alter Esel und nicht zu belehren, während ein Kollege der genau gleichen Richtung sofort Feuer und Flamme war und ein zuverlässiger Helfer wurde. War Unterguggenberger beinahe am Verzweifeln, so pflegte er vor sich hinzuschauen und in Gedanken versunken eine ganze Weile nachzudenken, fast zu träumen - dann schaute er plötzlich auf, blickte wie erwachend um sich, räusperte sich ganz kurz und sagte: «Es muß doch gehen!» - und ging wieder von neuem ans Werk.


Auszug aus: Fritz Schwarz: Das Experiment von Wörgl; 1951
Dieser Text wurde ins Netz gebracht von: W. Roehrig. Weiterverbreitung ausdrücklich erwünscht.
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