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Klick zur Gesell Research Society (Japanisch)
Holzarbeit von
 Yûji Urashima

Gesell Research Society Japan


"Angesichts des Zerbröckelns der Berliner Mauer und des Zusammenbruchs der Sowjetunion haben all jene, die unbeirrt der Unterdrückung der Freiheit und der Menschlichkeit durch den totalitären Kommunismus widerstanden haben, guten Grund, sich in ihren libertären Vorstellungen bestätigt zu fühlen..."

Mit diesem Satz beginnt ein Artikel, den die Gesell Research Society Japan im Herbst 1995 in der ersten Nummer von Jiyû Keizai Kenkyû ('Freiwirtschaftliche Untersuchungen') abdruckte. Etwa drei Jahre zuvor war diese Gesellschaft gegründet worden. Die Teilnehmer trafen sich auf der Grundlage ihrer gemeinsamen Wertschätzung der Keynes'schen Wirtschaftstheorie und besonders dessen Einschätzung des "zu unrecht übersehenen Propheten Silvio Gesell".

Eiichi Morino, der Initiator der Gesell Research Society, hatte schon viele Jahre zuvor von Gesell gehört, aber es war schwierig, an Literatur heranzukommen. Auf Japanisch gab es nicht viel und erst als sich im Zuge der Grünen-Bewegung der 80er-Jahre auch Ökonomen wieder mit Gesell zu beschäftigen begannen, verbesserte sich die Situation allmählich. Immerhin waren dann schon mal wenigstens fremdsprachige Texte zu bekommen. Eine wertvolle Quelle war in diesem Fall die Herausgabe des Gesamtwerks von Silvio Gesell im Gauke-Verlag durch Werner Onken. Seit vielen Jahren stehen die beiden in Kontakt und tauschen Informationen über die neuesten Entwicklungen aus. Eine weitere Kontaktlinie ergab sich durch die Schule der Post-Keynesianer, die sich vor allem in Ländern wie Frankreich, Italien und den USA konstituierte und eine Gelegenheit bot, sich erneut mit der Bedeutung Gesells auseinander zu setzen.

Eiichi Morino

Eiichi Morino

geb. 1949 in der Präfektur Kanagawa. Nach Abschluss des Doktorkurses in Wirtschaftswissenschaften an der Staatl. Universität Wirtschaftsanalytiker. Jetzt Leiter der Gesell Research Society. Herausg. von Jiyû Keizai Kenkyû. Zahlreiche Veröffentlichungen.
Jiyuu Keizai Kenkyuu Die Mitglieder der anfangs kleinen Gesell Research Society sammelten zunächst Material und diskutierten es. Im Lauf der Jahre häufte sich einiges an und man entschloss sich, eine vierteljährlich erscheinende Zeitschrift herauszugeben, in der nach und nach japanische Übersetzungen von Gesell und verwandten Autoren einem grösseren Publikum zur Verfügung gestellt werden sollten und um das Nachdenken über alternative Formen der Wirtschaft zu fördern. Unter den Autoren, die übersetzt wurden, finden sich Namen wie D. Dillard, G. Bartsch, S. Fernandez, M. Herland, M. Myers, P. Pye, E. Glötzl, M. Kennedy, W. Onken, M. Seccareccia, P. Pascallon, Fritz Schwarz, B. Lietaer u.a. und natürlich - Silvio Gesell. Daneben veranstaltet die Gesell Research Society Informationsvorträge überall im Land und ein fortlaufendes Seminar, zu dem sich mindestens einmal im Monat die Interessierten treffen. Klick zur GRSJ
1997 begann das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Japan, NHK, Recherchen für den Film über Michael Ende und dessen Ansichten zur Wirtschaft durchzuführen. Den Namen Silvio Gesell hatten die NHK-Redakteure zum ersten Mal von Michael Ende gehört und sie waren überrascht, als sie herausfanden, dass es in Japan eine Gesell Research Society gab. So war es ein grosser Vorteil, dass das NHK-Team auf den bereits angesammelten Wissensfundus dieser Society zurückgreifen konnte. Eiichi Morino war dann auch massgeblich am Zustandekommen des Drehbuchs für den Film und das anschliessend veröffentlichte Buch zum Film beteiligt. Nachdem der Film erstmals im Mai 1999 im Fernsehen gezeigt wurde, stieg das Interesse an alternativen Wirtschaftsformen in Japan deutlich an. Inzwischen wurde der Film einige weitere Male wiederholt und Ende Februar 2000 kam das Buch zum Film heraus, das im Juli bereits in der 4. Auflage erschien. Das grosse Interesse, das der Film auslöste, führte dazu, dass nun auch eine Fortsetzung geplant ist. Michael Ende würde sich gefreut haben, so in etwa mochte er sich das wohl vorgestellt haben.
Das wachsende Interesse an alternativen, regionalen Wirtschaftsformen brachte die Gesell Research Society auf die Idee, im Internet eine Mailinglist einzurichten, um allen Interessierten ein Gesprächs- und Austauschforum zu bieten. Die Gesell-Mailinglist wurde im Juni 1999 eröffnet. Zu dieser Zeit stiess ein junger Student, Miguel Yasuyuki Hirota, aus Fukuoka zur Gesell Society, der über Michael Ende bereits einige Arbeiten geschrieben hatte. Er übernahm dann als kanrijin" - als Moderator - die Betreuung der Mailinglist. Bis Ende Januar hatten sich etwa 85 Teilnehmer eingeschrieben, inzwischen ist die Teilnehmerzahl auf fast 300 angestiegen. Aufgrund des grossen Anklangs gibt es inzwischen zur Entlastung der Mailingliste zwei regionale Ableger, die "Kansai-Gesell-ML" (Westjapan) und die "Kanagawa-ML". Die Themenpalette in den sehr lebhaften Austauschrunden ist breit: Für und Wider verschiedener Tauschring-Systeme oder Lokalwährungen, erneuerbare Energieformen, natürliche, d.h. chemiefreie Landwirtschaft, die Stellung der Frau in der Gesellschaft, die Überschuldung der 3. Welt, was bedeutet Informationsgesellschaft?", Informationsaustausch über Neuigkeiten aus der weiten Welt - oder aus der Nachbarschaft, Veranstaltungshinweise usw. Und zwischendurch kommt natürlich auch immer wieder Gesell zur Sprache. 

Eine Teilnehmerin der Mailingliste - kokiriko (ihr Künstlername) - hatte die Idee, die Robinsonade von Silvio Gesell als Manga (jap. comic strip") zu zeichnen. Die Robinsonade, die Gesell selbst auch als Prüfstein für seine Theorie verstanden wissen wollte, zeigt sehr anschaulich, wo der grundlegende Fehler in unserem bestehenden Geldsystem liegt. Dieses Manga gibt es inzwischen auch in deutscher und englischer Übersetzung im Internet unter Geldreform.de. Weitere Übersetzungen ins Spanische und Portugiesische sind bereits in Arbeit und noch mehr sind geplant. Es gibt auch Ideen für Mangas über weiterführende Themen. Eine erste Reaktion auf das Manga gibt es schon. Kürzlich meldete sich ein neuer Teilnehmer in der Mailingliste an, der erzählte, dass er über Ende und das Robinson-Manga zur Mailing-Liste gekommen sei. Nach der Lektüre des Manga meinte er, es sei doch sehr merkwürdig, dass nicht schon viel früher jemand auf diesen grundlegenden Punkt beim Geld hingewiesen hätte...

Weitere Informationen auf Englisch, Spanisch und Japanisch sind auf der Homepage von Yasuyuki Hirota zu finden.

Robert Mittelstaedt

 
   
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