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12 Eine gelbe Kugel für Indien

Die Nebel lichten sich. Vor unseren Augen taucht nun tatsächlich eine Landschaft auf, die den Verheißungen Silvio Gesells entspricht. Hier und da werden Häuser gebaut und ältere Wohnungen liebevoll renoviert. Ganze Dächer sieht man unter dem Kristallblau der Solaranlagen verschwinden. Der Arbeitsmarkt ist leergefegt, aber nicht wie heute, sondern umgekehrt: Industrie und Handwerk gehen in die Schulen, um attraktive Lehrstellen anzubieten. Zwei Jahre vor der Schulentlassung liegen den Kindern die ersten Stellenangebote vor. Junge Menschen spüren auf Schritt und Tritt, daß sie gebraucht werden, erwünscht sind und einer gesicherten Zukunft entgegenschreiten.
Die Hotels sind fast überall ausgebucht. Journalisten, Gewerkschafter, Wirtschaftsprofessoren und Minister aus aller Welt gehen staunend und fragend durch Städte und Dörfer, um sich von den Auswirkungen der Geld- und Bodenreform ein eigenes Bild zu machen. Kinderreiche Familien, die in den meisten Nachbarländern noch immer mit den kleinsten und schäbigsten Wohnungen abgespeist werden, können sich bei uns jetzt Wohnungen leisten, die dem Platzbedarf der Familien entsprechen.
Vor dem Standesamt rangeln sich die Banken- und Sparkassenvertreter um das Recht, dem jungen Paar ein besonders günstiges Finanzierungsangebot für den neuen Hausstand überreichen zu dürfen. Die Kriminalitätsrate sinkt immer noch; die Gefängnisse und Arbeitsämter leeren sich zusehends. Da gibt es dann auch schon mal Härtefälle; und so manch einer muß sich nach einer neuen beruflichen Aufgabe umsehen oder sehnt sich nach der "guten alten Zeit" zurück.
Frauenhäuser gibt es nun nicht mehr, sind aber zum Teil in Auffang- und Zwischenlager für prügelkranke Ehemänner verwandelt worden, denen anschließend in speziellen Heimen geholfen wird. Diese Entwöhnungsanstalten werden übrigens von der Schnaps- und Brauindustrie finanziert. Überall werden Strommasten umgelegt. Nicht etwa von Terroristen, sondern von Spezialisten der alternativen Energiewirtschaft. Manche Gegenden sind hinterher kaum noch wiederzuerkennen.
An manchen - nicht vorhersehbaren - Tagen herrscht bei den Sparkassen Hochbetrieb. Das Deutsche Währungsamt, vormals Deutsche Bundesbank, hat diesen Ansturm auf die Bankschalter durch eine gelbe, blaue, rote oder grüne Kugel ausgelöst, die vor den Augen der Nation - ähnlich wie beim Ziehen der Lottozahlen - nach ein paar Umdrehungen der Lottomaschine in den Schacht gefallen war. Wird z.B. eine gelbe Kugel gezogen, müssen innerhalb einer noch festzulegenden Frist alle Banknoten mit einer gelben Kontrollnummer gegen neue, gültige Banknoten ausgetauscht werden. Banknoten mit gelben Nummern werden danach nur noch mit einem hohen Abschlag in Zahlung genommen; nach einem Monat sind sie gänzlich verfallen. Ansonsten geht das Leben aber seinen gewohnten Gang. Wer früher Mundgeruch hatte, wird ihn vermutlich immer noch haben, denn alles kann die Geldreform natürlich nicht leisten.
Die Besucher aus dem Ausland geben in der Regel nach ein paar Tagen den Versuch auf, wenigstens einen gravierenden Nachteil dieser sonderbaren Geldordnung zu finden. Weder haben sie eine Überhitzung der Konjunktur festgestellt, noch ist es ihnen gelungen, eine Person ausfindig zu machen, die von den Segnungen der neuen Geld- und Verteilungsgerechtigkeit prinzipiell ausgeschlossen worden wäre. Dem Währungsamt ist es bisher gelungen, die Geldwertstabilität in der von Silvio Gesell vorausgesagten Präzision zu sichern. Mit anderen Worten: Das Preisniveau bleibt stabil.
In die Familien der Reichen und Superreichen ist wieder Ruhe eingekehrt. Sie können es z.T. noch immer nicht fassen, aus dieser Geld- und Bodenreform so gut wie ungeschoren davongekommen zu sein, merken jetzt aber auch, daß es gar nicht so einfach ist, das viele Geld vor dem Abschmelzen zu bewahren. Sie müssen jetzt arbeiten - wie andere Menschen auch, da das Geld ja nicht mehr für sie "arbeitet". Wer dennoch den Müßiggang vorzieht, lebt dann eben von der Substanz und läßt einen Teil des Vermögens durch Eigenbedarf dahinschmelzen. Wäre die Lebenszeit eines Kapitalisten nicht so tragisch begrenzt, könnte so manch einer von ihnen 700 Jahre oder auch länger von seinem zusammengerafften Vermögen gut leben.
Da es jetzt auch allen Kindern zumindest finanziell gut geht und die Elendsquartiere Zug um Zug in begehrte Wohnlagen verwandelt werden (mit dem Geld, das die Reichen und Superreichen jetzt zinslos der Wirtschaft zur Verfügung stellen), müssen sich die Kinder der Reichen nicht mehr ihres Reichtums und die Kinder der vormals Armen nicht länger ihrer Armut schämen. Voller Argwohn und Neid blicken die übrigen Länder der EU auf diesen deutschen Alleingang, den sie zunächst als unverantwortliches Experiment, dann aber als das deutsche Wunder bezeichnen, denn der vorausgesagte Zusammenbruch läßt schon verdächtig lange auf sich warten, wird von Tag zu Tag unwahrscheinlicher und entpuppt sich schließlich als reines Wunschdenken der Kapitalisten.
Belgien macht schließlich den Anfang. Dazu mag beigetragen haben, daß Silvio Gesell im belgischen St.Vith geboren und dort aufgewachsen ist. In Brüssel beginnt sich die Einsicht durchzusetzen, daß die Natürliche Wirtschaftsordnung auf alle Länder übertragen werden kann und langfristig auch nicht zu verhindern wäre. Spekulanten und andere Schmarotzer sehen ihre Felle davonschwimmen, denn schon setzt sich in Holland eine Partei durch, die mit dem Versprechen, den Zins allmählich abzuschaffen, die absolute Mehrheit erringt. Die Schweiz, schon immer eine Hochburg der Freiwirtschaft, scheitert in einer ersten Volksabstimmung nur knapp mit 49,6 % Jastimmen, weil das große Kapital panikartig fast eine Milliarde Franken in den ungleichen Wahlkampf warf, um das Rad der Geschichte noch einmal aufzuhalten.
Delegationen aus den GUS-Staaten, die - getrieben von einer nach Gerechtigkeit und Wohlstand schreienden Bevölkerung - keine Zeit mehr zu verlieren haben, sondern schnell zur Sache kommen möchten, machen regelrecht Jagd auf Spezialisten der Freiwirtschaft, denen lukrative Beraterverträge angeboten werden. Wird Deutschland jetzt von Asylanten aus aller Welt überflutet? Nicht in dem Maße, wie es eigentlich zu erwarten gewesen wäre, denn der deutsche Staat hat gleichzeitig damit aufgehört, Arbeitslosigkeit, Ausbeutungsmethoden und Kriegswaffen in ärmere Länder zu exportieren. Eine vom Zins befreite Entwicklungshilfe ermutigt und befähigt potentielle Asylanten, die Heimat mit der eigenen Kraft zu düngen.
Die UNO warnt zwar zu recht vor dem Irrglauben, mit der Zinszertrümmerung alle Probleme dieser Welt lösen zu können, spricht aber gleichzeitig die Empfehlung aus, den Zins weltweit zu ächten und durch Reformen und Gesetze wie die Pest aus der Welt zu schaffen. Für Indien käme diese Reform sozusagen in letzter Minute. Dieses herrliche Land bedroht sich selbst durch eine Übervölkerung, die mit den bisher zur Verfügung stehenden Mitteln und Methoden wohl nicht mehr beherrscht werden kann und darum unweigerlich in die Katastrophe führen wird, es sei denn, man würde die Rolle der Frau im südindischen Bundesstaat Kerala einer näheren Betrachtung unterziehen! Die Frauen in Kerala stehen den Männern gleichberechtigt gegenüber und können z.B. über die Zahl der Kinder selbst entscheiden. Dieser Vergleich liefert einen ersten Hinweis auf die Lösung der bisher als nicht lösbar erscheinenden Übervölkerungsproblematik in Bangladesch, Pakistan und Indien: Es muß die Rolle der Frau gestärkt werden! Nicht mit frommen Sprüchen oder europäischen Moralvorstellungen, sondern - so abwegig es zunächst auch erscheinen mag - mit zinsbefreitem Geld, über das die Frauen frei verfügen können.
Wenn es überhaupt jemals gelingen sollte, den indischen Subkontinent (und nicht nur den!) noch rechtzeitig vor sich selbst zu retten, dann wird es für dieses Wunder nur einen Namen geben: Silvio Gesell! Ich habe diesen Vorbeiflug an einem der größten Probleme dieser Erde hier mit eingeflochten, um jene zu beschämen, die noch nicht einmal für möglich halten, daß das kleine Deutschland von seinen gefährlichsten Zecken, der Bodenrente und dem Zins, befreit werden kann. Uns Europäern bleibt ja möglicherweise und hoffentlich noch etwas Zeit, die Reformen Gesells in die Tat umzusetzen. Es darf aber weder der Erfolg ausbleiben, noch darf ein Übergreifen der Natürlichen Wirtschaftsordnung auf andere Erdteile hinausgezögert werden, denn für z.B. Indien ist die Zeit für das ruhige Nachdenken und lässige Planen ja praktisch schon abgelaufen. Das ist eigentlich schade, nein schlimm, denn alles wäre so viel einfacher, wenn uns die Zeit nicht so drängen würde. Aber vielleicht ist ja gerade dieser Zeitdruck der allerletzte Knoten im Ariadnefaden, der uns nun endlich vom Zins befreit und aus dem Labyrinth hinaus ins Freie führt.


Was Europa heute zu leisten vermag

Glaubt man unseren Spitzenpolitikern, ist Wachstum wichtig, besonders natürlich das Writschaftswachstum. Hätten wir nur genug und immer noch ein bißchen mehr davon, könnte der rülpsende Wirtschaftsriese Europa endlich in ein nur noch furzendes Ungeheuer verwandelt werden, vor dem die ganze Welt Respekt haben würde. Wer will das eigentlich? Nun. das Geld der Reichen und Superreichen sucht und erzwingt sich Anlagemöglichkeiten, um sich über die Rendite und den Zins weiter aufblähen zu können. Sie haben dann anschließend noch mehr Geld zur Verfügung und brauchen dann eben auch noch mehr Wirtschaftswachstum, um auch dieses Geld wieder rentabel anlegen zu können. Das leuchtet ein.
Eine weitgehend zerstörte Umwelt und 20 Millionen Arbeitslose sind das Resultat dieses kapitalen Wahnsinns und der stolze Beitrag Europas im friedlichen Wettstreit der Völkergemeinschaft.