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Welche Probleme werden wie gelöst?

Medien- und Telekommunikationsregulierung teilen ein gemeinsames Ziel: Sie sollen die im Grundgesetz (Art. 5 Abs. 1 GG) garantierte Kommunikationsfreiheit   sicherstellen.gif Dieses Grundrecht ist als Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe in die Inhalte und Modalitäten der Kommunikation konzipiert. Daneben tritt für den Rundfunk eine besondere Regulierungsermächtigung an den Gesetzgeber, an der das Bundesverfassungsgericht eine komplexe Grundrechtsdogmatik aufgehängt hat. Regulierungsziel ist nicht, Schranken für die Medienbetätigung oder ihre Inhalte zu errichten, sondern eine positive Ordnung zu etablieren, die der Vielfalt der Meinungen auch im Rundfunk Raum schafft. ,,Dabei wird die Medienfreiheit nicht nur auf die Kommunikatoren - etwa die Journalisten - oder gar die Medienunternehmer bezogen, sondern auch auf die Rezipienten und ferner auf den Prozeß der öffentlicher und privater Meinungsbildung insgesamt.``gif Medienregulatorische Schranken werden allein dazu gesetzt, konkurrierende Rechtsgüter wie Persönlichkeits- und Urheberrecht zu schützen. Die konkrete Gestaltung der Medienordnung steht unter den Prämissen Vielfaltssicherung und Begrenzung von Meinungsmacht.

Demgegenüber hat sich in der Telekommunikationsregulierung kein vergleichbar deutlicher Bezug zum Grundrecht der Kommunikationsfreiheit festgesetzt. Sie bearbeitet - abstrakt gesehen - vielmehr das Thema, in welchem Verhältnis Markt, Staat und öffentliche Unternehmen stehen und stehen sollten - eine Frage, die eigentlich erst dadurch zum Thema wurde, daß die lapidare Vorschrift des Artikels 87 Abs. 1 Satz 1 GG ihre Überzeugungskraft verlor. Sie lautete bis zur Postreform II:

,,In bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau werden geführt der auswärtige Dienst, die Bundesfinanzverwaltung, die Bundespost und nach Maßgabe des Artikels 89 die Verwaltung der Bundeswasserstraßen und der Schiffahrt.``gif

Karl-Heinz Ladeur (1991) führt die Existenz großer öffentlicher, rechtlich oder faktisch monopolistischer Unternehmen auf die Idee universeller, gleicher Versorgung durch ein großes technisches Systemgif zurück, das ökonomisch als ,,natürliches Monopol`` betrachtet wird. Ein natürliches Monopol entsteht demnach immer dann, wenn aufgrund hoher ,,versunkener`` Investitionskosten ein Vorteil durch die Aggregation von Angebot und Nachfrage entsteht. Das ist ein Effekt, der ähnlich auch bei Strom- oder Gasversorgung auftritt. ,,Die Rationalität dieser natürlichen Monopole stößt allerdings an ihre Grenzen, wenn es Verzweigungsmöglichkeiten gibt, die nicht mehr allein nach dem etablierten ingenieurwissenschaftlichen Paradigma des ,großen Systems` entscheidbar sind. Hier zeigt sich, daß die Ausgestaltung oder Beschränkung der Alternativen des Kunden einerseits und die damit zwangsläufig notwendig werdende öffentliche Preisaufsicht[...] andererseits zu perversen Effekten führen kann oder muß: Der Anreiz, Gewinne zu machen, wird nicht mehr allein über den Markt, sondern vor allem über die öffentliche Aufsicht gesteuert und kompensiert; diese muß dann nach politisch definierten Kriterien Gewinne zuteilen oder - vor allem - beschränken[...].``gif

Die Formulierung des ,,öffentlichen Interesses`` an der Bildung öffentlicher Unternehmen und bei Regulierungsentscheidungen rückt in dieser Perspektive ins Zentrum des Problems, dessen Lösungen in Form materieller und verfahrensmäßiger Regeln gefunden werden. Beiden Bereichen ist dabei ein Element der Grundversorgung eigen: Das öffentliche Interesse hinter der Telekommunikations-Regulierung zielt auf die Grundversorgung mit Telekommunikations-Dienstleistungen (und organisierte die Telekommunikation als Teil der staatlichen Daseinsvorsorge); im Rundfunkbereich geht es um die Garantie einer Grundversorgung mit Information und Unterhaltung (deren Garanten nach der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts die Länder sind). Daneben steht - ebenfalls in beiden Bereichen - ein Element der Abwehr gegen Bedrohungen der Kommunikationsfreiheit durch Machtkonzentrationen, als ein neues Element, das erst mit der Öffnung der Märkte virulent wurde.

Diese Parallelität der Regulierungsziele legte eigentlich nahe, die Bearbeitung der beiden Themenbereiche auch im politischen System zusammenzufassengif. Dem stehen jedoch hierzulande zwischen Bund und Ländern entlang der Grenzen zwischen Medien und Telekommunikation verteilte Kompetenzen entgegen; eine Verteilung, die aus vielen Gründen fraglich wird. Einer der Gründe - die technische Entwicklung - wird im folgenden Kapitel ausführlich dargestellt.


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Martin Recke
Fri May 17 20:40:57 MET DST 1996