Kurzfassung
Gewerkschaften sind Terra incognita der Rechtsextremismusforschung. Die verbreitete Auffassung,
dass Gewerkschaftsmitglieder ein Spiegelbild der Gesellschaft darstellen und daher aus denselben Gründen genauso anfällig für Rechtsextremismus sind wie Nicht-Mitglieder, ist empirisch niemals auf einer breiten Datenbasis überzeugend nachgewiesen worden. Wir gehen von der noch zu überprüfenden Annahme aus, dass GewerkschafterInnen generell durch besondere Einstellungen und Wertorientierungen geprägt sind, die mit der Organisationsstruktur und dem Organisationszweck der Gewerkschaften korrespondieren. Diese Mentalität kann Rechtsextremismus abwehren, bietet zugleich aber auch Ansatzpunkte für die Übernahme rechtsextremer Gedanken. Daher dürften sich einige Mitgliedergruppen als relativ immun, andere als anfällig für Rechtsextremismus erweisen. Jedenfalls stellt der Rechtsextremismus bei Gewerkschaftsmitgliedern ein eigenständiges Objekt der Rechtsextremismusforschung dar, bei dem sich die Adaption bzw. Abwehr von Rechtsextremismus nach speziellen Gesetzmäßigkeiten (im statistischen Sinne) vollziehen. Wenn sich Gewerkschaften gegen den Rechtsextremismus in den eigenen Reihen erfolgreich wehren wollen, sind sie mithin auf Untersuchungen angewiesen, die Auskunft darüber geben, welche Teile ihrer Basis aus welchen Gründen und in welchem Ausmaß anfällig für Rechtsextremismus sind und durch welche Merkmale ihr rechtsextremes Weltbild geprägt ist. Da derartige Untersuchungen nicht vorliegen, planen wir zum einen eine Befragung von jeweils 2000 Mitgliedern und Nicht-Mitgliedern, um Multiplikatoren, Adressaten, Inhalte bzw. Methoden und Orte zu identifizieren, die für Maßnahmen gegen Rechtsextremismus von Bedeutung sein könnten.Zum anderen planen wir eine auf der quantitativen Befragung aufbauende qualitative vertiefende Studie (leitfadengestützte Gruppendiskussionen mit BildungsteilnehmerInnen und Experteninterviews), um rechtsextreme Einstellungs- und Orientierungssyndrome unter Berücksichtigung der Subjekt-Perspektive zu erhellen und zu typisieren, ohne dass es dabei auf deren quantitative Verteilung ankäme.
Das Forschungsvorhaben ist für eine Laufzeit von 22 Monaten geplant.