© Staatliche Museen zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz
Giampietro di Marco di Franco Silvio (um 1495 Venedig - 1551 Venedig)
Die Ehebrecherin vor Christus
Leinwand, 102 x 144 cm Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie; Kat. Nr. 196.
Bei dem Gemälde Die Ehebrecherin vor Christus handelt es sich um
ein Querformat mit Halbfiguren vor dunklem Grund. Das Thema des Bildes wird
bereits in dem Inventar von 1638 genannt: "Un quadro sopraporto di mezze figure
di grandezza del naturale con lhistoria dellAdultera avanti à
Christo con li Farisei dipinto in larg. pal. 7 alto pal. 5 in circa di mano
di Giorgione di Castelfranco senza cornice." Zwar läßt sich das Gemälde
aus stilistischen Gründen der venezianischen Schule der ersten Hälfte
des 16. Jahrhunderts zuweisen, die Zuschreibung an Giorgione kann jedoch nicht
aufrechterhalten werden. Nachdem es von Delaroche noch Sebastiano del Piombo
gegeben wurde, galt es in der Forschung lange als Werk des Pordenone oder auch
des Rocco Marconi, der seit 1516 verschiedene Versionen desselben Themas angefertigt
hat. Heute wird Giampietro Silvio als Maler des Berliner Bildes benannt.
Wie schon Leon Battista Alberti in seinem Malereitraktat De pictura
(1435) empfiehlt, ist auch auf dem Berliner Gemälde die einer historia
angemessene Anzahl von zehn Figuren abgebildet. Im Vordergrund befinden sich
der zentral ausgerichtete Christus und die Ehebrecherin, die von Pharisäern
umringt werden. Wie im Neuen Testament (Joh 8, 1-11) überliefert wird,
forderten die Pharisäer Christi Zustimmung, die Ehebrecherin nach dem mosaischen
Gesetz steinigen zu dürfen. Christus schrieb jedoch vor sich in den Sand:
"Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie.", womit
er der Gnade den Vorrang vor dem Gesetz einräumte. Eben diesen Moment zeigt
das Berliner Gemälde: Während einer der Pharisäer noch über
die Schuld der Frau zu diskutieren versucht, wehrt Christus mit einem Segensgestus
die Schuldzuweisung ab. Die anderen Pharisäer und Schriftgelehrten zeigen
unterschiedliche Affekte des Verwunderns und Staunens über die Worte Christi.
Iris Wenderholm
Bibliographische Hinweise:
Erworben mit der Sammlung Giustiniani 1815. Erster Vorbesitzer Marchese Vincenzo
Giustiniani.
Salerno 1960 (Inv. 1638), II, S. 136, No. 26. Delaroche 1812, No. 50.
Landon 1812, S. 117, No. 55, 1.
J. A. Crowe G. B. Cavalcaselle, A history of painting in Italy, Umbria,
Florence, and Siena from the second to the sixteenth century, 6 Bde., London
1903-1914, Bd. IV, S. 345 f., 629. B. Berenson, Italian Pictures of
the Renaissance, 1932, S. 329. Marco Tanzi: "Una nuova Adultera
del Silvio", in: Scritti per lIstituto Germanico di Storia dellArte
di Firenze, hg. v. Cristina Acidini Luchinat, Florenz 1997, S. 307-310 .