© Staatliche Museen zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz
Annibale Carracci (Bologna 1560 - Rom 1609)
Kreuzigung mit den drei Marien und dem Hl. Johannes.
1594
Öl auf Leiwand,33,8 x 23,4 cm.
Unten rechts signiert ANNIBAL CARATUS, links datiert MDXCIIII
Erworben 1815 in Paris mit der Sammlung Giustiniani. - Erster Vorbesitzer Kardinal Benedetto Giustiniani. Danesi Squarzina (Inv. 1621) 1997, Nr. 203. - Salerno (Inv. 1638) 1960, II, Nr. 53. - Delaroche 1812, Nr. 88. - Landon 1812, S. 27, Abb. 10, 1. - Verzeichniss 1826, Nr. 7.
Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie; Kat. Nr. 364, Abb. Nr. 2506.
Die signierte und 1594 datierte Kreuzigung von Annibale Carracci wird bereits in dem nach dem Tod des Kardinals Benedetto erstellten Inventar von 1621 erwähnt: "un quadrecto con nostro Signore in croce con la madonna alli piedi svenuta, con cornice dorate". Das Inventar Vincenzo Giustinianis als verzeichnet es als "Un quadretto piccolo d'un crocifisso con la Madonna tramortita due Marie, e S. Giovanni che piange dipinto in tela alta palmi 1 e 1/2 Larga palmi 1 incirca (di mano di annibale Caracci) con cornice intagliata tutta d'orata". Zudem wird das Gemälde in der Pinacotheca von Giovanni Michele Silos aus dem Jahr 1673 als ein Werk der Sammlung Giustiniani gerühmt (Epigramm CLXXXVII).
Nach dem Tode Benedettos und dem Übergang des
Gemäldes in die Sammlung Vincenzos wurde die Kreuzigung von Cornelis Bloemaert
gestochen. Der Künstler war mit dem Projekt der Galleria Giustiniana beschäftigt
und stand Vincenzo sehr nahe, in dessen Haus er während seines römischen Aufenthalts
wohnte. Der Stich von Bloemaert findet sich jedoch merkwürdigerweise nicht im
zweiten Band der Galleria Giustiniana, der sich der Gemäldesammlung Vincenzos
widmet. Dieser eigenartige Umstand wurde mit den Worten Baldinuccis in Zusammenhang
gebracht, der in der Vita von Bloemaert die von der katholischen Kirche als
unangemessen beurteilte Ikonographie von Annibales Kreuzigung hervorhebt: "Intagliò
poi la bellissima istoria della Crocifissione del Signore, dipinta da Annibal
Carracci, nella quale fra le altre figure si vede Maria santissima a piè della
Croce, quasi giacendo tramortita. Questo, che fu uno dei più bell'intagli, che
partorisse il bulino di questo artefice, fu mandato in Francia, a cagionde di
non aver mai voluto il maestro del Sacro Palazzo darne il publicetur, con dire,
esser questo contra la chiesa, che dice: stabat, non jacebat mater dolorosa"
(BALDINUCCI 1681-1728, Bd. V, S. 600). Die höchst dramatische Intensität der
Ikonographie ist jedoch keine Erfindung Annibales, denn dieser benutzte, wie
schon des öfteren festgestellt wurde, als Vorbild einen 1582 entstandenen Kupferstich
seines Bruders Agostino, der wiederum auf ein Altarbild von Paolo Veronese von
etwa 1570 für die Kirche S. Sebastiano in Venedig zurückgeht.
Die Datierung um 1594 macht das Werk zu einem Fixpunkt der stilistischen Entwicklung
Annibales während der Zeit kurz vor seinem endgültigen Umzug nach Rom. Über
die Inspiration an Veronese hinaus, die jedoch nachhaltig durch die Graphik
Agostinos vermittelt ist, findet sich in der Kreuzigung eine Veränderung gegenüber
der kompositionellen Struktur des Vorbildes. Damit bleibt Raum für eine Form
von Spiritualität, die ihren tiefen Gehalt vielleicht mehr der Pietà von Correggio
aus Parma als Veronese verdankt. Vor allem in den drei Figuren rechts und dem
Knienden links scheint Annibale die von Agostino überlieferte Bildfindung Veroneses
im parmensischen Sinne zu "korrigieren".
Das kleine Gemälde Annibales ist besonders aussagekräftig für den zutiefst religiösen
Charakter der Sammlung des Kardinals Giustiniani. Der Stil des emilianischen
Malers steht so stark im Einklang mit den lombardisch-venezianischen Vorlieben
des Besitzers, daß dies einige Überlegungen zur Beziehung zwischen Benedetto
Giustiniani und Annibale anregt. Wie Silvia Danesi Squarzina hervorgehoben hat,
stellt sich aus der dokumentarisch seit dem Inventar von 1621 belegten Anwesenheit
der Kreuzigung von 1594 in der Sammlung Giustiniani die Frage nach den frühen
Kontakten zwischen Benedetto und den Carracci, der vielleicht durch Vermittlung
des Kardinals Paolo Emilio Sfondrato zustande kam. Sfondrato, ein Förderer der
Carracci, war von 1591 bis 1593 Gesandter in Bologna und mit dem Kardinal Benedetto
befreundet, mit dem er einen Ecce Homo von Sodoma tauschte.
Iris Wenderholm
nach Caterina Volpi, in: Ausst. Kat. Caravaggio e i Giustiniani, Rom 2001, Kat.
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Bibliographischer Hinweis:
D. Posner, Annibale Carracci. A Study of the Reform of Italian Painting around
1590, 2 Bde., London 1971, Bd. I, S. 44-52 und Bd. II, Nr. 81, S. 34.