Gerichtsurteil Zahnklinik

Licht am Ende des Tunnels?


Die FU-Zahnmedizin hat in den letzten Jahren ein Wechselbad von Entscheidungen und Perspektiven erlebt, das seinesgleichen sucht. Nach langem Ringen wurde vor zwei Jahren durch das "Neuordnungsgesetz der Zahnmedizin" der damalige Fachbereich Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der FU aufgehoben, die Zahnklinik Nord in die Charité und die Zahnklinik Süd in das Universitätsklinikum Benjamin Franklin (UKBF) eingegliedert. Schon davor hatte der vormalige Wissenschaftssenator wiederholt die Schließung der FU-Zahnmedizin ins Spiel gebracht. Nichts ist so beständig in Berlin wie der Wechsel - und so geriet in den Vorarbeiten zum Haushaltsstrukturgesetz im Frühjahr 1996 der Schließungsvorschlag erneut in die Debatte. Im März wurde trotz aller Gegenargumente die Aufhebung des Studiengangs Zahnmedizin mit dem Haushaltsstrukturgesetz vom Abgeordnetenhaus beschlossen.

Geschenk zum 40sten Geburtstag der Zahnklinik in der Aßmannshauser Straße: Die (angehenden) Zahnmediziner dürfen weiter bohren.
Von da an bestimmte die rechtliche Auseinandersetzung das Schicksal der FU-Zahnmedizin. Zunächst ließ das Verwaltungsgericht trotz der beschlossenen Streichung einige Studienbewerber zum Sommersemester 1996 zu. Entscheidend aber war die Verfassungsklage der Oppositionsfraktionen im Abgeordnetenhaus und der FU, in der u.a. die Verfassungsmäßigkeit der Aufhebung des Studiengangs Zahnmedizin in Frage gestellt wurde. Zum einem sei das Verfahren zu kritisieren, da die Universität an einem Aufhebungsbeschluß eines Studiengangs hätte maßgeblich beteiligt werden müssen. Zum anderen seien die Rechte der Studienbewerber auf einen Ausbildungsplatz vor einem Aufhebungsbeschluß durch einen sorgfältigen Abwägungsprozeß zu respektieren. Der habe aber erkennbar nicht stattgefunden. Details der mündlichen Verhandlung, in der die Dürftigkeit der Vorbereitung des Gesetzes anhand zahlreicher Einzelheiten offenkundig wurde, können hier nicht dargestellt werden.

Im Ergebnis entschied der Verfassungsgerichtshof am 31.10.96, daß die Aufhebung des Studiengangs Zahnmedizin "mit der Verfassung von Berlin unvereinbar und nichtig" ist. Dieser Richterspruch schließt zwar grundsätzlich eine Wiederholung des politischen Entscheidungsvorgangs mit einem verbesserten Verfahren mit demselben Ergebnis nicht aus. Dennoch - eine nicht unerhebliche politische Niederlage mußte die Staatsseite hinnehmen.

Was folgt daraus? Zunächst wurden alle Schritte eingeleitet, um für das laufende Semester über die ZVS noch Studienanfänger zuzulassen. Der Status quo ante ist damit wiederhergestellt, wenngleich unter zusätzlichem Aufwand, zum Beispiel unter zeitlicher Verschiebung des Ablaufs von Lehrveranstaltungen. Kw-Vermerke gibt es jetzt nicht mehr. Aber offen bleibt, wie die Staatsseite mit den bereits verhängten Einsparvorgaben umgehen wird. Wie soll die Zahnmedizin betrieben werden, wenn das Geld dafür nicht da ist?

Erfahrungen mit anderen Vorgängen lassen befürchten, daß der aus der Zahnmedizin erwartete Betrag von 15 Mio DM nun "auf andere Weise" erbracht werden soll. Das wird angesichts der ohnehin bestehenden Einsparauflagen (z.B. 90 Mio. DM bis zum Jahre 2003 für die Hochschulmedizin) nicht möglich sein.

Hier - wie an anderer Stelle - muß geltend gemacht werden, daß das Land eine Einsparerwartung mit einer von vornherein rechtlich unhaltbaren Strukturentscheidung verknüpft hat, so daß das UKBF nicht mit dieser Summe belastet werden kann. Insofern ist es Angelegenheit des Senats, diese Einsparungen an anderer Stelle umzusetzen. Sie sind - ebenso wie der Betrag von 45 Mio. DM, die durch eine erhoffte, aber nicht erreichbare Kostendeckung in den Polikliniken erbracht werden sollte - als zusätzliche Belastung des gesamten Wissenschaftsetats anzusehen, nicht aber der Universitätsmedizin und schon gar nicht des UKBF allein.

Wenn - wie das Urteil des Verfassungsgerichtshofs zeigt - der FU-Studiengang Zahnmedizin auch durch den Gesetzgeber nicht in einem Hau-Ruck-Verfahren aufgehoben werden kann, dann muß das Land verpflichtet werden, ihn durch eine angemessene laufende Finanzierung möglich zu machen.

Zunächst ist die Entscheidung des Verfassungsgericht eine Bestätigung lange vorgetragener Bedenken gegenüber einer Hochschulpolitik, die nur noch von der Finanzplanung diktiert wird, ohne rechtliche Rahmenbedingungen und inhaltliche Konsequenzen abzuwägen. Damit bleibt zunächst eine Einrichtung erhalten, die mit viel Aufwand in einen baulichen Zustand versetzt wurde, der seinesgleichen in Deutschland sucht. Es wird an den Nutzern dieser Einrichtung liegen, durch sparsame Haushaltsführung, weiterhin durch konzentrierte Anstrengungen in der Lehre und durch energische Steigerungen der Betriebseffizienz den Kostenaufwand zu senken, der mit dem Studiengang Zahnmedizin in einer Klinik verbunden ist, die für den zahnmedizinischen Betrieb weitaus besser gerüstet ist als irgendeine andere in Berlin.
Peter Gaehtgens

Professor Peter Gaehtgens ist Dekan des Fachbereichs Humanmedizin.


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