Medizinstudium im Ausland

Academic Year in Philadelphia


Das Biomedical Science Exchange Program (BMEP) wurde 1979 durch Prof. Dr. Hilmar Stolte von der Medizinischen Hochschule Hannover und Dr. John W. Boylan von der State University of New York/ Buffalo ins Leben gerufen, um den wissenschaftlichen Austausch zwischen Europa und Nordamerika vor allem auf medizinischem Gebiet zu fördern.

Seitdem der erste Student vor 20 Jahren in die USA flog, hat sich einiges getan. Heute wird das Programm durch den DAAD unterstützt. Jährlich haben etwa 25 Studenten der biomedizinischen Studiengänge die Möglichkeit, ein akademisches Jahr in den USA zu verbringen, das sich aus experimenteller und klinischer Tätigkeit zusammensetzt.

Das Programm beginnt jeweils im August mit einem Einführungsforum auf Mount Desert Island im Bundesstaat Maine. In Zusammenarbeit mit dem Mount Desert Island Biological Laboratory (MDIBL), dem Jackson Laboratory und Hochschullehrern amerikanischer Universitäten finden dort Diskussionsrunden, Laborbesichtigungen und auch einige "Nachhilfestunden" in amerikanischer Landeskunde statt.


Am Anfang des Biomedical Science Programs steht Maine. Hier gibt es für die deutschen Teilnehmer auch einige Nachhilfestunden in amerikanischer Landeskunde, bevor sie an die verschiedenen Medical Colleges ausströmen (vorne im weißen T-Shirt: Angela Pietsch).

Für die Auswahl des Studienortes gibt es verschiedene Kriterien. Traum der meisten Studierenden ist es, an eine der Ivy League Hochschulen zu gehen. Dort ergeben sich jedoch oftmals Schwierigkeiten bei der Organisation von Praktika. Einige Universitäten lassen überhaupt keine Ausländer zu. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, daß eine gute Betreuung, Spaß und Lerneffekt nicht unbedingt davon abhängen, ob man nun in Farmington oder New Haven studiert, sondern eher vom persönlichen Engagement.

Für die wissenschaftliche Arbeit bietet sich an, schon vorhandene Beziehungen des Doktorvaters zu nutzen und so auf einem vertrauten Gebiet zu arbeiten. Es ist aber auch möglich, sich an eine der Arbeitsgruppen vermitteln zu lassen, mit denen schon jahrelang gute Kontakte bestehen.

Ich verbrachte das Jahr in Philadelphia an der Thomas Jefferson University, deren medical school eine der ältesten des Landes ist. Zunächst arbeitete ich im Labor von Prof. Devendra M. Kochhar, Embryopharmakologe und Kollege meines Doktorvaters Prof. Dr. Hans-Joachim Merker. Ich erlernte die für die In-Situ Hybridisierung notwendigen Methoden. Mit diesen ist es zum Beispiel möglich, den Einfluß verschiedener Faktoren, hier Retinoiden, auf die Genexpression und damit die Organogenese bei Mäuseembryonen zu beurteilen. Von Retinoiden, Vitamin-A-Abkömmlingen, die auch in der Aknetherapie eingesetzt werden, weiß man seit langem, daß sie teratogen sind (Mißbildungen bewirkend). Wie genau sie jedoch auf molekularer Ebene wirken, ist noch nicht ausreichend bekannt und Mittelpunkt der Arbeit Prof. Kochhars.

Im Anschluß verbrachte ich einen Monat in der Dermatologie und acht Wochen in der Gynäkologie. Die Arbeit dort läßt sich mit dem Aufwand und Anspruch des Praktischen Jahres der deutschen Medizinerausbildung vergleichen. Deshalb mag vielen eine Famulatur dort praxisorientierter erscheinen. Dabei ist zu beachten, daß sich die ärztlichen Aufgaben in Deutschland grundsätzlich von denen in den USA unterscheiden. Viel mehr Routinearbeiten, wie zum Beispiel das Blutabnehmen, werden von Krankenschwestern erledigt. Auch gibt es in den USA nicht so ein gut funktionierendes Hebammensystem wie in Deutschland. Die Studenten werden deshalb umfangreicher in der Geburtshilfe ausgebildet als hier.

Ein Problem besteht bei den meisten Universitäten darin, daß ausländischen Studenten nur die Teilnahme an den Praktika des dortigen letzten Studienjahres erlaubt wird. Die Grundkurse der großen Fächer aber werden oft bereits im dritten Studienjahr absolviert. Das bedeutet unter Umständen, daß man nur an speziellen Praktika teilnehmen kann, etwa Gynäkologische Endokrinologie oder Neugeborenenintensivmedizin.

Auf seinem Wunschgebiet sollte man also zumindest Basiskenntnisse besitzen. Das sonst nötige Aneignen von grundlegenden Dingen kostet viel Zeit und macht unselbständiger. Gerade die relativ selbständige Arbeit, das Tragen einer gewissen Verantwortung hat mir viel Spaß gemacht. Erstaunlich fand ich den Umfang der begleitenden akademischen Ausbildung. Tägliche Fortbildungen waren die Regel. Dabei lag der Schwerpunkt vor allem auf Weiterbildung. Im "journal club" wurden beispielsweise neue Therapiestudien oder Veröffentlichungen zu aktuellen Fällen diskutiert. Hierbei ist besonders das 4. Studienjahr angesprochen, eigene Fälle zu recherchieren, Behandlungsschemata zu entwerfen und das erarbeitete Material vorzustellen. In manchen Abteilungen gab es sogar tägliche, von Assistenten betreute Visiten, die eigens für und von Studierenden durchgeführt wurden.

Alles in allem waren acht Monate in Philadelphia eine sehr anregende Erfahrung, die ich nur weiterempfehlen kann. Natürlich stellen das Krankenhaus, das Labor nur Teile dieser Erfahrung dar. In Erinnerung bleiben besonders all die Eindrücke, die ich außerhalb des Unialltags gesammelt habe.

Kleiner Tip: Der Kontakt zu den "Einheimischen" gelang am besten über die Praktika selbst und über d a s amerikanische Steckenpferd schlechthin - den Sport. Wer sich für eine längere Zeit an einer amerkanischen Universität aufhält, sollte auf alle Fälle in der "gym" vorbeischauen.

Angela Pietsch

Informationen zur Bewerbung für das Biomedical Science Exchange Program gibt Birgit Heller, BBEO-Büro am Virchow-Klinikum.Tel.: 450 - 76088 (Mi, Do 10 -12 Uhr).
Anmeldeschluß ist jeweils der 30. November.


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