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Markus Wende

Die Eingabe des Wortes „Scientology” in eine der gebräuchlichen Suchmaschinen fördert mehr als 40.000 Treffer, zumeist in englischer Sprache, zutage. Eine fast unendlich große Zahl von Religionen mit zum Teil Tausenden von Seiten bevölkert das Internet. Und während die Auftritte der traditionellen Religionsgemeinschaften und ihrer Denominationen noch weitgehend in den Kinderschuhen stecken, fällt auf, dass gerade die so genannten „Sekten” sehr stark präsent sind.

Was in den Anfängen als Jux einiger Studenten im „Usenet” entstand, die eine Newsgroup zur selbstkreierten Göttin „Monica” schufen, entwickelte sich schnell zu einer Reihe von Diskussionsforen. Mit modernen Browsern und einer Software zur Übertragung von Audio- und Videosequenzen kann man sich multimedial zu den verschiedenen Gemeinschaften, deren Wertsystemen und ihren Kritikern informieren. Man kann religiöse Dienstleistungen in Anspruch nehmen wie die online-Beichte oder einfach beten: „Please enter your prayer”.

Bislang war primär die gedruckte Literatur Gegenstand des Faches Religionswissenschaft. Neben der Bearbeitung der Werke von Religionsgründern und Philosophen beschäftigte man sich mit den Erkenntnissen, die zum klassischen Wissensschatz unserer abendländischen Kultur gehören. In den letzten Jahrzehnten kam die Feldforschung dazu; hierbei wird zumeist auf Quellen aus dem Bereich der Ethnologie zurückgegriffen. Untersuchungen zu einer Darstellung oder Selbstdarstellung der verschiedenen Religionen in den „Neuen Medien” sind dagegen noch die Ausnahme.

Während die Vermarktung der Religionen in der Werbung zunehmend an Bedeutung gewinnt, haben umgekehrt auch in einer Zeit allgemein sinkender Religiosität – in Berlin sind gerade noch ein Drittel der Menschen formal Mitglieder der großen Kirchen – viele Religionsgemeinschaften den Wert einer positiven Selbstdarstellung für die Verbreitung der eigenen Ideologie entdeckt. Mit der Entstehung der so genannten „neuen Religionen” ist es in den USA zur Selbstverständlichkeit geworden, in Rundfunk und Fernsehen präsent zu sein.

Höhepunkt dieser Entwicklung ist der Betrieb eigener Fernsehstationen durch verschiedene charismatische Gemeinden innerhalb der Vereinigten Staaten. Und Fernsehprediger wie Billy Graham erreichen eine Massenwirksamkeit, von der die Religionsgründer früherer Epochen nur träumen konnten. Neben Rundfunk und Fernsehen nutzen seit einigen Jahren zahlreiche religiöse Gemeinschaften das Internet als Kommunikations- und Verkündigungsmedium. Man scheint erkannt zu haben, dass der durchschnittliche Internet-Nutzer sich sehr gut in die Mitgliederstruktur ihrer Gemeinschaften einfügt: Relativ jung, gebildet, meist als Single lebend und mit gutem Einkommen, stellt er den geeigneten Kandidaten für die Werbung der jeweiligen Organisation dar. Wenn man davon ausgeht, dass viele „Computerfreaks” unter Kontaktarmut leiden, erscheint ein möglicher Erfolg religiöser Indoktrination umso wahrscheinlicher.

Als wohl erste größere religiöse Gemeinschaft wird dieses mit erheblicher Perfektion von der chinesischen Falun Gong betrieben. Besucht man deren deutschen Server falundafa.de, kann man sich mit der Lehre der Gruppe und mit verschiedenen Techniken vertraut machen. Animierte gif-Dateien, Videos und Lehrbücher ermöglichen dem Interessenten, Falun Gong zu erlernen, ohne jemals persönlichen Kontakt zu der Gruppe gehabt zu haben. Ein Motiv für den Internetauftritt war sicher, auf diese Weise die Zensur der staatlichen Behörden in China zu umgehen. Technisch sind der Entstehung globaler Religionsgemeinschaften auf Internet-Basis fast keine Grenzen mehr gesetzt – ob sich jedoch die unmittelbare „Gemeinschaft der Gläubigen” und der persönliche Kontakt zum Priester ersetzen lassen, bleibt fraglich.

Der religiöse Supermarkt wird immer größer und unübersichtlicher. Das Internet ist dafür ein starker Motor – und eine neue Herausforderung für eine moderne Vergleichende Religionswissenschaft.

Der Autor studiert Vergleichende Religionswissenschaft und arbeitet an einer Magisterarbeit zum Thema Religionen und das Internet (mwende@zedat.fu-berlin.de)

Eine eher zufällige und keinesfalls wertende Auswahl interessanter Links:

Religionen und Kulte:

http://www.Christusrex.org (Vatikan)
http://www.ekibb.net (ev. Kirche Berlin-Brandenburg)
http://www.westernwall.org (Klagemauer mit webcam-Übertragung)
http://www.iskcon.net (Hare Krishna)
http://www.dianetics.org (Scientology)
http://www.opusdei.com (kath. Orden Opus Dei)
http://www.falundafa.de (Falun Gong)

"Sekteninformationen”: http://www.religio.de

Fast jede Religionsgemeinschaft hat ihren eigenen Server, die Adressen ändern sich jedoch häufig. Daher ist es angebracht, sich über die Hyperlinks der Suchmaschinen auf die gewünschten Seiten bringen zu lassen. Empfehlenswert sind kombinierte Suchen, da die alleinige Eingabe z.B. von „Scientology“ etwa 40000 Querverweise bringt – gibt man jedoch „Scientology + Sekte” ein, so reduziert sich dieses erheblich.

 
 
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