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FU-N 1-2/2000
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Milleniums-Jahreszahl
aufgebaut durch gezieltes Verschieben von 47 zweiatomigen Kohlenmonoxid - Molekülen auf einer Kupfer - Unterlage.

Jedes Molekül wurde einzeln mit atomarer Präzision auf seinen Platz geschoben.

Die Höhe einer Ziffer beträgt 0.0000004 cm.



Vorschau


In den nächsten Ausgaben u.a.:

Experimente mit Berlins farbenreichster und brillantester Lichtquelle
Rasterelektronen - mikroskopaufnahme, Heliumexperimente

   

Jahr der Physik – FU-Physiker stellen ihr Fach vor
Gültigkeitsbereich Räume und Zeiten


Am 18. Januar eröffnete in der Berliner Urania die Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn das Jahr der Physik. Damit startete sie eine mehrjährige Initiative "Wissenschaft im Dialog". "Unser Ziel ist es, die Menschen für Wissenschaft und Forschung zu begeistern und den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Chance zu geben, ihre Arbeit vorzustellen und transparent zu machen", erklärte Bulmahn.

Diese Möglichkeit wollen die FU-Nachrichten dem Fachbereich Physik geben. Wir beginnen hier mit einer Eigendarstellung des Fachbereichs, die im Verlauf des Jahres fortgesetzt wird.


2000: Jahr der Physik
VON HELMUT GABRIEL


Ehrgeiziges Ziel der Physik ist es, die Vielfalt der Naturerscheinungen sowie deren Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten aufzufinden und durch wenige, allgemeine Grundprinzipien zu erklären, deren Gültigkeitsbereich Räume und Zeiten überstreicht, die für subatomare Systeme bis hin zum Kosmos gelten. In diesem Sinne stellt die Physik die Basis für praktisch alle Natur- und Ingenieurwissenschaften dar und wirkt sich auf weite Bereiche unseres täglichen Lebens aus. Die physikalische Forschung stellt somit ein buntes Spektrum verschiedenster, von der Grundlage bis zur Anwendung reichender Teildisziplinen dar, die in ihrer Gesamtheit nur von vielen unterschiedlichen Institutionen bearbeitet werden können. Im Berliner Raum mit seinen zahlreichen Forschungseinrichtungen wird dieses in hohem Maße erreicht. So liefert die Region die faszinierende Chance, wichtige wissenschaftliche Fragestellungen kooperativ in Forschungsverbünden zu bearbeiten, um sie so optimal nach unterschiedlichsten Aspekten auszuleuchten. Der Fachbereich Physik hat sich dabei der Aufgabe unterzogen, folgende Forschungsgebiete schwerpunktmäßig zu bearbeiten:

  • Metallische Materialien
  • Molekül-, Cluster- und Biophysik
  • Mathematische Physik

Die zentrale Einbindung dieser Themenfelder in kooperative Projekte, die dabei erzielten Forschungsergebnisse und ihre Bedeutung für die Qualitäten der Lehre fand wiederholt die Würdigung auswärtiger Gutachter und wurde deshalb besonders gefördert. Die Sonderforschungsbereiche (Sfb), um die sich der Fachbereich seit den frühen 70-er Jahren erfolgreich bemüht hat, sind hierfür ein prominentes Beispiel.


Am Fachbereich Physik angesiedelte Sonderforschungsbereiche

Die Mehrzahl der einzelnen Forschungsprojekte ist der Grundlagenforschung zuzuordnen, jedoch finden sich unter ihnen zahlreiche anwendungsorientierte und interdisziplinäre Untersuchungen. Das zeigen auch die wenigen Einzelbeiträge, auf die sich dieser knappe Bericht beschränken muss.


Festkörperphysik:
Von Menschen gemachte Strukturen auf kleinster räumlicher Skala


VON KARL-HEINZ RIEDER

Obwohl sich heute fast niemand der Benutzung des Personalcomputers entziehen kann, machen sich nur wenige Gedanken darüber, wie es dazu gekommen ist, dass die Leistungsfähigkeit eines modernen portablen Rechners hinsichtlich Rechengeschwindigkeit und verarbeitbarer Datenmenge die eines Großrechners der 70-er Jahre, der in einem Raum von Tanzsaalgröße untergebracht werden musste, noch um Größenordnungen übersteigt! Die Antwort liegt in einer mit enormer Geschwindigkeit fortschreitenden Miniaturisierung der informationsverarbeitenden und -übertragenden Strukturen, die zumeist auf Halbleiterbauelementen beruhen, sowie der informationsspeichernden Medien, die meist auf den magnetischen Eigenschaften von Metallen basieren. Was heute an Transistoren, Dioden etc. in einem PC auf Fingernagelgröße integriert werden kann, beanspruchte vor dreißig Jahren mehrere Kubikmeter! Was heute auf einer Compact-Disk gespeichert ist, brauchte damals mehrere Kilometer Magnetband!

Bei weiterer Verkleinerung werden die elektronischen Bau- und Schaltelemente Abmessungen erreichen, bei denen sich die physikalischen Eigenschaften der Materialien infolge von Quanteneffekten gegenüber jenen des Volumenmaterials drastisch verändern können. Der Untersuchung dieser Veränderungen widmet sich der Sfb 290: "Metallische dünne Filme: Struktur, Magnetismus und elektronische Eigenschaften". Präzise Aufdampftechniken erlauben es, Materialien auf verschiedene Unterlagen mit Dicken von nur wenigen Atomlagen aufzubringen. Dabei beeinflusst das Substrat die Atomanordnung im Film und damit die elektrischen und magnetischen Eigenschaften. So können beispielsweise Metalle, die in makroskopischer Form nicht magnetisch sind, in Dünnfilmform magnetische Eigenschaften aufweisen. Auch neue Materialkombinationen können hergestellt werden, die unerwartete Effekte des elektrischen Transports wie z.B. den Riesenmagnetowiderstand zeigen, der in Rekordzeit in der modernsten Magnet-Speichertechnologie zur Anwendung gelangte.

Es ist vorstellbar, letztendlich einzelne Atome zur Informations-Speicherung zu benutzen. Dazu müssten die Atome in bestimmter, vom Menschen vorgegebener Weise, angeordnet werden können. Ist es also möglich, einzelne Atome oder Moleküle am Schlaffitchen zu packen und dorthin zu transportieren, wo sie ihre Funktion ausüben sollen? Die Antwort lautet ja, wenngleich neben einer Gruppe am Fachbereich weltweit nur ein einziges anderes Labor die entsprechende Technik beherrscht. Das benutzte Instrument ist das Rastertunnelmikroskop, bei dem eine atomar scharfe Metallspitze über eine Oberfläche gerastert wird, wobei aufgrund des quantenmechanischen Tunnel-Effekts deren Struktur auf atomarer Skala sichtbar gemacht werden kann. Die Tunnelspitze kann aber auch soweit an einzelne Atome angenähert werden, dass die Wechselwirkungskräfte ausreichen, die Atome zu ziehen oder zu schieben. Mit dieser Technik ist im FB Physik die in der Abbildung wiedergegebene Struktur auf atomarer Skala hergestellt worden. Kein Wunder also, dass eine breite Öffentlichkeit von dieser Technik fasziniert ist. Dies erweist sich nicht nur im regen Interesse anderer Wissenschaftler, sondern auch in vielen Besuchen von Schülern und Laien, so dass die Berliner Festspiele entschieden haben, in ihrer Milleniumsausstellung eine Multimedia-Demonstration dazu einzurichten.


Moleküle im Licht ultrakurzer Laserpulse:
Ein Wettlauf mit der Zeit


VON LUDGER WÖSTE

Noch vor 100 Jahren war ein hochdotierter Preis für die Beantwortung der Frage ausgesetzt, ob sich ein Pferd beim Galopp zumindest mit einem Bein ständig am Boden befindet. Klarheit darüber brachte ein Foto: Es zeigte ein galoppierendes Pferd – abgehoben vom Boden. Möglich wurde dieses durch eine bahnbrechende Erfindung, den Schlitzverschluss einer Kamera. Damit wurde die Beobachtung von Bewegungsabläufen im Zeitbereich von Millisekunden (10-3 s) möglich. Mit der Entwicklung elektronischer Zeitmesssysteme, dem Einsatz von Blitzlampen und – ganz entscheidend – mit der Erfindung des Lasers fand dann im Bereich der Zeitmessung eine stürmische Entwicklung statt; und so folgte der Beobachtung im Bereich der Mikrosekunde (10-6 s) vor gut 50 Jahren die Messung der Nanosekunde (10-9 s) vor etwa 30 Jahren, sowie der Pikosekunde (10-12 s) vor ca. 20 Jahren. Seit etwa 10 Jahren existieren nun sog. Ultrakurzzeitlasersysteme, mit denen Pulsdauern im Bereich einiger Femtosekunden (10-15 s) erreicht werden können. In dieser kaum vorstellbar kurzen Zeit durchläuft das Licht, das in einer Sekunde nahezu die Distanz Erde/Mond überstreicht, gerade einmal die Breite eines Haares. Uns liefert dieses die Perspektive, den Ablauf chemischer Reaktionen auf atomarer Ebene in Echtzeit direkt zu beobachten. Ein Beispiel dafür ist die unsere Ozonschicht bedrohende Reaktion von (natürlichem) Ozon mit (vom Menschen verursachten) Chlor. Dabei nimmt ein Ozonmolekül (O3) ein Chloratom (Cl) auf, wodurch der Komplex in ein Sauerstoffmolekül (O2) und Chloroxid (OCl) zerfällt. Bei dieser Reaktion muss notwendigerweise für kurze Zeit der an sich instabile Komplex O3Cl, der sog. Übergangszustand, erzeugt werden. Femtosekundenlaser ermöglichten es, solche "Übergangszustände" erstmalig zu beobachten. Dieser wissenschaftliche Durchbruch wurde durch die Vergabe des jüngsten Nobelpreises für Chemie an A. H. Zewail gewürdigt.

Im Rahmen unseres seit 1 1/2 Jahren neu eingerichteten Sfb 450: "Analyse und Steuerung ultraschneller photoinduzierter Reaktionen" verfolgen wir das Ziel, Femtosekunden-Lichtpulse nicht nur zur Beobachtung molekularer Reaktionsprozesse einzusetzen, sondern diese mittels der eingesetzten Lichtpulse auch zu beeinflussen. Dabei wird üblicherweise ein erster Lichtpuls eingesetzt, der das System in Schwingung versetzt. Dabei können allerdings auch reaktive Pfade ausgelöst werden, die ein Auseinanderreißen bzw. eine Umlagerung der Atome im Molekül verursachen, und so das System chemisch verändern. Der Prozess soll durch spektral und zeitlich genau geformte Anregungspulse optimiert werden mit dem Ziel, bestimmte Produktzustände bei hoher Ausbeute zu erreichen. Der zeitliche Ablauf der mit dem Pumppuls ausgelösten Bewegung der Atome innerhalb des molekularen Verbandes wird dabei durch einen verzögerbaren weiteren Lichtpuls abgefragt. Dieser zwingt das System zur Fluoreszenz bzw. ionisiert es. So wird der ablaufende Prozess messbar, wobei durch Variation der Verzögerung zwischen den beiden Lichtpulsen die ablaufenden Prozesse genauestens stroboskopiert werden können. Neue theoretische Konzepte ermöglichen es dabei, zu einem vertieften Verständnis zu gelangen. Somit steht uns heute ein aussagekräftiges experimentelles und theoretisches Instrumentarium zur Verfügung, welches die faszinierende Perspektive eröffnet, die Dynamik chemischer Reaktionsabläufe nicht nur in Echtzeit zu beobachten und sie zu verstehen, sondern sie auch optimal zu steuern. Langfristig hoffen wir, auf diese Weise die Effizienz chemischer Produktionsprozesse verbessern zu können und neue Substanzen herzustellen, die nach bisherigen Vorstellungen nicht synthetisierbar waren.