Alte Bücher, neue Bücher – Eine Lobby für die Germanistik-Bibliothek
Bierdeckel in einer lauen Mainacht

 

In einer Mainacht 1996 fing alles an. Zwei Germanistikstudenten saßen zusammen in einem Straßencafé, vor sich den sogenannten Menetekelbrief. Er beinhaltete die Hiobsbotschaft, daß der Etat der Germanistenbibliothek im Vergleich zum Vorjahr auf ein Drittel reduziert worden war. Das wollten Tim Jung und Lorenz Obleser nicht einfach hinnehmen. Sie wollten eine Lobby für die Bibliothek schaffen. Als sie das Lokal verließen, hatten sie einen Packen Bierdeckel voll geschrieben. Aus diesen Notizen entstand bereits am 10. Juni 1996 die Satzung für den als „Förderkreis Bibliothek Germanistik“ eingetragenen Verein – mit Tim Jung als Vorsitzendem.

Diese prompte Reaktion auf die radikalen Sparmaßnahmen hat für die 190.000 Bände umfassende Bibliothek einiges bewirkt. So wurden 40 Hochschullehrer für Patenschaften von Zeitschriften gewonnen, die Bibliotheksleiter Christian Büttrich sonst hätte abbestellen müssen. Die stolze Zahl von 630 laufenden Zeitschriften – neben den Fachpublikationen auch kulturpolitische Zeitschriften – mußte trotzdem auf 550 absinken.

Lesungen, zumeist mit Nachwuchsautoren, machen die größte germanistische Institutsbibliothek Deutschlands regelmäßig zum Veranstaltungsort. Anläßlich des dreijährigen Bestehens des Vereins las John von Düffel aus seinem mehrfach ausgezeichneten Debütroman „Vom Wasser“.

Am meisten bare Münze bringt der Bücherbasar ein. Zweimal wöchentlich belebt er den Keller der Rostlaube. Der ständig anwachsende Bücherfundus zählt einige zigtausend Bände. Feilgeboten werden Buchspenden von Studierenden, Professoren und Bibliotheksnutzern aus ganz Berlin. Aber auch Verlage beteiligen sich, wie der von Klaus Wagenbach, der durch eine Honorarprofessur mit der FU verbunden ist. Ab zwei oder drei Mark ist keineswegs nur germanistische Literatur käuflich, sondern Lesestoff aus allen Fachgebieten. 1.000 DM pro Woche spielt der Förderkreis mit dem Basar ein.

200 Mitglieder zählt der Verein inzwischen. Es sind auch Spenden aus dem Ausland, die die Identität der Bibliothek bekräftigen, wie die Beiträge von Literaturprofessorinnen aus Stanford/ Kalifornien und Pavia/ Italien. Alle Aktivitäten zusammen haben die stolze Summe von 110.000 DM eingebracht. Das Geld investiert Christian Büttrich in neue Bücher: Die Gesamtausgabe anläßlich Martin Walsers 70. Geburtstag war das erste Werk, das den Spendenstempel des Förderkreises trug.

Vollständig können die EtatKürzungen jedoch nicht ausgeglichen werden. „Uns geht es in erster Linie darum, auf die Notsituation aufmerksam zu machen und unseren Protest konstruktiv in unsere Arbeit einzubetten“, sagt Tim Jung, Gründer und bis vor kurzem Vorsitzender des Fördervereins. Und Christian Büttrich sieht in den regen Aktivitäten zwar einen „Beitrag zur Standortsicherung zwischen Potsdam und Viadrina“. Er hofft allerdings, daß der „personelle Abbröckelungsprozess“ keinen weiteren Tribut fordert. So sind zum Beispiel die Öffnungszeiten seiner Bibliothek – es sind mit den Juristen die längsten an der FU – nicht mehr lange gesichert, weil Angestellte der Ausleihe in den Ruhestand gehen und studentische Hilfskräfte abgebaut werden. Dabei ist man schon näher zusammengerückt und hat gemeinsam mit der Niederländischen und Romanischen Philologie einen Ausleihservice eingerichtet. Erschwerend für den Büchereinkauf ist auch, daß die Fachbibliotheken immer mehr Aufgaben der Universitätsbibliothek abdecken sollen. Denn diese muß ihren Sparbeitrag dadurch leisten, daß sie sich auf den Erwerb von Referenzliteratur und interdisziplinäre Literatur konzentriert und sich aus dem Einkauf der Fachliteratur zurückzieht. Doch wie soll die eine für die andere Bibliothek einstehen, wenn beide sparen müssen?

Unter dem Motto „Alte Bücher – neue Bücher“ fand Anfang Juli ein literarischer Sommertreff mit über 30 Verlagen und dem bewährten Bücherbasar statt. Volker Ludwig steuerte als Ehemaliger mit seinem Grips Theater einen Auftritt bei. Auf der Suche nach Alumni hat Bibliotheksleiter Büttrich auch andere Prominenz ausgemacht. So Frank Lüdecke, einst studentische Hilfskraft in der Bibliothek, heute Kabarettist und Geschäftsführer beim Düsseldorfer Kom(m)ödchen. Wenn alles gutgeht, wird Lüdecke zum nächsten Sommerfest im Jahr 2000 auftreten. Dieses Jahr war sein Terminkalender schon zu voll: Unter anderem war er beim Abschied für Roman Herzog verdingt.

Felicitas Wlodyga

 

Kontakt:
Dr. Christian Büttrich
Habelschwerdter Allee 45, 14195 Berlin,
Tel. 838 22 20, Fax 838 67 49.

Spendenkonto:
Berliner Volksbank (BLZ 100 900 00) Kontonummer 19044890.

Bücherbasar:
während des Semesters dienstags und donnerstags, in der Rostlaube der FU, Gang KL 30