ScienceFair Berlin 1999
Autonome FU Fighters und Erdbeben

 

"Forschung zum Anfassen" präsentierte die Freie Universität auch in diesem Jahr wieder in einer Ausstellung für die breite Öffentlichkeit. Vom 1. bis 3. Juli verlegten einige Dahlemer Wissenschaftler/innen ihre Wirkungsstätten von Dahlem auf den Breitscheidplatz. Zwischen Gedächtniskirche und Wasserklops zeigten sie in einer kleinen Zeltstadt, was in Laboratorien der FU und außeruniversitären Forschungseinrichtungen ausgetüftelt wird. Komplettiert wurde das Angebot durch einige besonders innovative Schülerprojekte des Wettbewerbs "Jugend forscht".

 

Die Informatiker der FU schicken ihre "Fighters" im August zur Fußballweltmeisterschaft nach Schweden

Foto: Dahl

 

Wie schon bei der ersten ScienceFair im vorigen Jahr auf dem Gendarmenmarkt war das Interesse der überwiegend jungen Besucherinnen und Besucher an den mehr als 20 Exponaten aus den Bereichen Mathematik, Physik, Chemie, Geologie, Biologie, Pharmakologie und Medizin außergewöhnlich groß. Zeitweise wimmelte es nur so von neugierigen Schülerinnen und Schülern. Einige Schulklassen nutzen sogar ihren "Wandertag" zum Besuch der ScienceFair, um den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bei der Arbeit über die Schulter schauen zu können.

Das Themenspektrum reichte von der Abgasreduzierung durch den Einsatz von Kohlenstoffwerkstoffen in Verbrennungsmotoren über umweltschonende Abwasserreinigung durch Photokatalyse bis hin zur Rohstoffexploration in der Tiefsee. Ergänzend dazu fanden Kurzvorträge und Expertenrunden mit Diskussionen zu den Themenschwerpunkten "Internet-Einkauf", "Sucht" und "Lernen mit neuen Medien" statt.

Als Publikumsmagneten erwiesen sich die sogenannten autonomen FU-Fighters, Roboter des Instituts für Informatik, die auf der ScienceFair für die Anfang August in Schweden stattfindende Weltmeisterschaft der Fußball-Roboter trainierten. Mit dem Spiel der zweibeinigen Kicker hat der Wettstreit allerdings nur gemein, daß diejenigen gewinnen, die die meisten Tore schießen. Doch auch das bisweilen recht ruppig geführte Match der rollenden Blechkisten, die einem Golfball nachjagen, folgt eigenen Regeln. So sind Bodychecks nur erlaubt, wenn ein Spieler gerade den Ball erkämpfen will. Die aus jeweils fünf Vehikeln bestehenden Teams werden von einem Zentralrechner über Funk gesteuert. Der Rechner bemüht sich, das Stellungsspiel und die Schußpositionen zu optimieren. Die außergewöhnlichen Reflexe und Spielzüge der FU-Fighters überraschen gelegentlich selbst die eigenen Programmierer.

Es gibt eine Vielzahl möglicher technischer Anwendungen, die von Forschungsergebnissen zum Roboterfußball profitieren können. Dazu zählen Haushaltsroboter, Fertigungsautomatisierung, Hilfesysteme für Behinderte, Autopiloten, Warnsysteme für Autofahrer wie intelligente Rückspiegel, Fernerkundungsroboter z. B. für den Weltraum und nicht zuletzt intelligentes Spielzeug.

Dynamisch ging es auch am Stand des Instituts für Mineralogie der FU zu. Hier rotierten Schwungräder, die durch Kolbenmotoren angetrieben wurden. Die Mineralogen demonstrierten im direkten Leistungsvergleich, daß die von ihnen entwickelten Kolben aus hochfestem Kohlenstoff den bisher in Motoren eingesetzten Kolben aus Aluminium oder Stahl in vielen Punkten überlegen sind. Da sich Kohlenstoff im Gegensatz zu Stahl und Aluminium durch Temperatureinwirkung kaum ausdehnt, sind die Reibungsverluste von Kohlenstoffkolben wesentlich geringer. Die wichtigsten bisher in Ottomotoren ermittelten Vorteile sind eine deutlich verminderte Emission von Kohlenwasserstoffen und Kohlenmonoxid sowie ein um ca. 3% geringerer Kraftstoffverbrauch.

Die Idee von Prof. Todt, dem Initiator der ScienceFair, den Menschen Forschungsleistungen im wörtlichen Sinne nahezubringen und Spaß mit Erkenntnis zu verbinden, wurde nicht nur durch die Fußballroboter eindrucksvoll demonstriert. Auch die Geophysiker der FU hatten sich etwas Originelles einfallen lassen, um Interesse für ihre Feldforschungen in den südamerikanischen Anden zu wecken. Mit kräftigen Fußauftritten konnten die Besucher der Science Fair selbst lokal begrenzte "Erdbeben" auslösen, die von einem hochempfindlichen Seismographen registriert und auf einem Monitor dargestellt wurden. In den Anden verfahren die Wissenschaftler nach dem gleichen Prinzip, allerdings hüpfen sie nicht persönlich durchs Gebirge, sondern erzeugen Erschütterungen z.B. durch Sprengungen. Aus den Reflexionsmustern der künstlich erzeugten Erdbebenwellen lassen sich u.a. Rückschlüsse auf die Art und Lage der Gesteinsschichten bis in über 100 km Tiefe ziehen. Das ist nicht nur für die Erkundung von Rohstofflagerstätten wichtig. Auch für die Weiterent-wicklung der Erdbebenprognostik, die heute noch in den Kinder-schuhen steckt, sind diese Grundlagenforschungen von großer Bedeutung.

Der ScienceFair ist es gelungen, anschaulich zu vermitteln, daß die Übergänge von der Grundlagen zur angewandten Forschung oft fließend sind. Sie ist mit ihrem Konzept auf dem besten Weg, sich zu einem "Markenzeichen" für erfolgreiches Wissenschaftsmarketing zu entwickeln.