Akademischer Senat führt wissenschaftlichen Ehrenkodex an der FU ein
Kein Platz für schwarze Schafe

 

Ein Fall von schwerwiegendem Forschungsbetrug versetzte vor zwei Jahren die deutsche Wissenschaftslandschaft in Aufruhr: Die Ulmer Krebsforscher Prof. Dr. Friedhelm Herrmann und Prof. Dr. Marion Brach hatten über Jahre große Teile ihrer wissenschaftlichen Arbeiten im Bereich Molekularmedizin gefälscht. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) deckte 1997 diesen Betrug auf: Ende 1997 gab sich die Max-Planck-Gesellschaft eine Verfahrensordnung für wissenschaftliches Fehlverhalten, dem kurz danach die DFG folgte. Die Glaubwürdigkeit der deutschen Forschung stand – so zumindest schien es – vor einer harten Probe. Gleichzeitig aber hat der Forschungsskandal einen Aspekt wissenschaftlichen Arbeitens in den Mittelpunkt gerückt, der wichtiger ist als schnelle Forschungsergebnisse: die Ehrlichkeit der abgelieferten Resultate.

Als erste Berliner Universität hat sich nun auch die Freie Universität auf den zunächst altmodisch anmutenden Begriff der "Ehre" besonnen: "Universitäten als Stätten der Forschung, Lehre und Nachwuchsförderung sind zur Wahrung eines hohen Standards verpflichtet. (...) Die Universität hat die Aufgabe, ihre Studierenden zu Ehrlichkeit und Fairneß in der Wissenschaft zu erziehen." So steht es im Vorwort der Satzung "Ehrenkodex: Satzung zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis", die der Akademische Senat der FU am 16. Juni 1999 verabschiedet hat. Die FU folgt damit einer Leitlinie der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die diese Ende 1997 nach dem Forschungsskandal ausgesprochen hatte. Die Mediziner der FU, so der Prodekan für Forschung am Fachbereich Humanmedizin der FU, Prof. Dr. Rudolf Tauber, schreiben bereits seit März 1998 den Ehrenkodex für alle wissenschaftlichen Arbeiten vor.

Der Ehrenkodex führt folgende "Regeln guter wissenschaftlicher Praxis" ein, die für "alle wissenschaftlich Tätigen und die Studierenden der Universität" verpflichtend gelten. Neben der vollständigen Dokumentation von Forschungsresultaten wird Ehrlichkeit im Hinblick auf Beiträge von Kooperationspartner/innen, Mitarbeiter/innen und Konkurrent/innen gefordert. Dies bedeutet einen Ausschluß von Ehrenautorenschaften. Der Ehrenkodex fordert Zusammenarbeit und Leistungsverantwortung in Arbeitsgruppen. Dies verlangt regelmäßige Besprechungen der laufenden wissenschaftlichen Arbeiten sowie eine umfassende Betreuung des wissenschaftlichen Nachwuchses durch erfahrenes Lehrpersonal. Alle Autoren/ Autorinnen sind für jeden Teil gemeinsamer Veröffentlichungen verantwortlich. Primärdaten müssen in der Institution für zehn Jahre sicher aufbewahrt werden, in der sie entstanden sind.

Alle diese Regeln setzen einen wichtigen Umstand voraus: Studierende, Nachwuchswissenschaftler/innen, Examenskandidat/innen sowie Doktorand/innen aller Fachbereiche müssen eine frühzeitige Unterweisung durch erfahrene Wissenschaftler ihrer Disziplinen erhalten. Die FU stellt sich damit in die Eigenverantwortung für die Qualität ihrer wissenschaftlichen Aktivitäten.

"Wissenschaftliches Fehlverhalten liegt vor, wenn in einem wissenschaftlichen Zusammenhang bewußt oder fahrlässig Falschangaben gemacht werden, geistiges Eigentum anderer mißbraucht oder die Forschungstätigkeit anderer beeinträchtigt wird. Entscheidend für die Bewertung des Fehlverhaltens sind jeweils die Umstände des Einzelfalls" – so die Regeln. Als Ansprechpartner dienen gewählte Vertrauenspersonen auf Fachbereichs- und Universitätsebene. Auf Vorschlag des Dekanats wählt der Fachbereichsrat eine Person des Fachbereichs. Nicht gewählt werden können Mitglieder des Dekanats, des Klinikumvorstandes sowie des Universitätspräsidiums. Die Vetrauenspersonen führen die Vorprüfung bei möglichem Fehlverhalten durch.

Bei einem begründeten Verdacht auf wissenschaftliches Fehlverhalten übergibt die Vertrauensperson des Fachbereichs den Fall an eine Kommission zur förmlichen Untersuchung. Diese für drei Jahre vom Präsidium zu bestellende Kommission gehören eine unabhängige Person, je ein/e Fachgruppenvertreter/in für die Geistes- und Sozialwissenschaften, Naturwissenschaften und die Medizin an. Ein/e Hochschullehrer/in mit der Befähigung zum Richteramt oder Erfahrungen mit außergerichtlichen Schlichtungen gehört ebenfalls der Kommission an. Die Kommission wird nur bei Anrufung tätig. Die Sanktionen reichen im Fall eines Beweises von entsprechendem Fehlverhalten bis zum Entzug akademischer Grade, Entzug der Lehrbefugnis oder anderer disziplinarischer Maßnahmen.

An der FU gab es bisher geringfügige Fälle von wissenschaftlichem Fehlverhalten, so Harry Grafunder aus der Abteilung Rechtsangelegenheiten. So übernahm beispielsweise ein Doktorand Schaubilder aus einer anderen Forschungsarbeit, ohne die entsprechenden Quellen anzugeben. Auch unklare Angaben zu Autoren oder Co-Autoren einer Arbeit kommen immer wieder vor. Mit dem jetzt verabschiedeten Kontrollmechanismus will die FU derartigen Vorkommnissen umfassend vorbeugen.

Handelt es sich bei den bekanntgewordenen Betrugsfällen um "Einzelfälle" ? Der Präsident der DFG, Ernst- Ludwig Winnacker, äußerte sich im vergangenen Jahr zuversichtlich, daß es sich nicht um zahlreichere Vorkommnisse handele. Das deutsche Wissenschaftssystem habe auf die bekannten Fälle konsequent und schnell reagiert. Ein Blick nach Übersee macht dennoch deutlich, daß in den USA die Anzahl der Fälle von Forschungsbetrug gestiegen ist.

Die FU verdeutlicht mit der Verabschiedung eines wissenschaftlichen Ehrenkodex, daß sie für ehrliche Forschungsarbeit verantwortlich zeichnen will. Durch die verpflichtende Satzung zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis stellt sie klar, daß für "schwarze Schafe" in der Forschungslandschaft kein Platz sein darf.

Frauke Müller

Foto: David Ausserhofer