Am Otto-Suhr-Institut ist ein Streit um die Thesen von Bernd Rabehl entbrannt
Kulturkampf am OSI?

"Ich bin ein Extremist der Diskussion", erklärte der Politologe Prof. Dr. Wolf-Dieter Narr während einer Mitte Juni zum "Fall Rabehl" stattfindenden Diskussionsveranstaltung im Henry-Ford-Bau und fügte hinzu, "das Wort soll bis zur Neige gebraucht werden". Im überfüllten Hörsaal hatten alte SDSler, politisch Engagierte sowie Studierende mit und ohne Trillerpfeifen Platz genommen. Von Anfang an war die Stimmung im Saal aufgeheizt, was daran lag, daß das Thema das Otto-Suhr-Institut seit Monaten kontrovers beschäftigt.

So hatte der Soziologe Prof. Dr. Bernd Rabehl am Nikolausabend vergangenen Jahres vor der Münchner Burschenschaft Danubia eine Rede zum Thema "Nationalrevolutionäres Denken im antiautoritären Lager der Radikalopposition zwischen 1961/1980" gehalten, die wahrscheinlich nur deshalb für Aufsehen sorgte, weil sie in der rechten Wochenzeitung "Junge Freiheit" erschien – von Rabehl nicht autorisiert, wie er nicht müde wird zu betonen. In seiner Rede warnt Rabehl vor "Überfremdung" und einem durch Ausländer ausgelösten Bürgerkrieg in Deutschland. "Nicht primär die Asylanten- und Flüchtlingsströme aus der ganzen Welt bedrohen den ethischen und moralischen Zusammenhalt der zentraleuropäischen Völker, sondern der Import der Partisanenformationen der internationalen Bürgerkriege und Kriegsschauplätze geschieht durch den Zuzug hochorganisierter und gleichzeitig religiös oder politisch fundamentalistisch ausgerichteten Volksgruppen, die keinerlei Interesse haben, sich in den Gastländern zu integrieren oder sich ruhig zu verhalten", heißt es in der Danubia-Rede. Die Folgen seien "illegale Geschäfte", "Drogenhandel", "Bestechung", "Korrumpierung von Polizei und Behörden und", so Rabehl weiter, der "Aufbau einer eigenen Verwaltung inklusive Polizei, Recht und Moral".

Die Thesen des ehemaligen SDSlers und Mitstreiters des Studentenführers Rudi Dutschke sorgten am Otto-Suhr-Institut für Aufregung. Eine Gruppe von Studierenden überfiel Rabehls Seminar und stahl seine Aktentasche. Auf Flugblättern rief die Fachschaftsinitiative dazu auf, Rabehl die Lehrerlaubnis zu entziehen. Rabehls Kollegen setzten sich wissenschaftlich mit ihm auseinander. Der Parteienforscher Dr. Richard Stöss erklärte im "Tagesspiegel", Bernd Rabehl sei kein Rechtsextremist, aber seine Rede "strotzt von rechtsextremem Gedankengut". "Verfolgungswahn und Größenwahn bestimmen dieses Papier." Zu dem gleichen Schluß kommt auch der Politologie-Professor Hajo Funke, der sich in der StudentInnen-Zeitung des OSI äußert: "Rabehl beschwört eine Überfremdung mit falschen und aufgebauschten Beobachtungen". Auch Gretchen Dutschke hat sich inzwischen gegen die Vereinnahmung ihres Mannes durch Rabehl gewehrt.

Rabehl hingegen versteht die ganze Aufregung nicht und vermutet, daß "die Linke" einen Sündenbock braucht: "Es wird ein Pappkamerad aufgebaut, den man abschlachten will", erklärte er jüngst bei einer von ihm initiierten Diskussion in Lankwitz. "Ich bin kein Zuspitzer, ich bin nur Beobachter", sagte Rabehl in Lankwitz und fügte hinzu, daß er aus seinen Thesen kein politisches Handeln ableitet. Es müsse möglich sein, Tabuthemen anzusprechen. "Einige wollen die Meinungsfreiheit durch "political correctness" ersetzen", so Rabehl.

"Ich bin kein Nationalist. Ich habe eine Rede vor einer Burschenschaft gehalten – mit Zuspitzungen, die ich an einer Universität nicht machen würde. Ich wollte den Zuhörern verdeutlichen, daß die 68er eine national-revolutionäre Perspektive hatten. Und ich wollte sagen, daß wir damit gescheitert sind. Wenn jetzt einige Leute kommen und mir deshalb die Lehrerlaubnis absprechen wollen, geht das unter die Gürtellinie", äußerte Rabehl jüngst im "Tagesspiegel". Doch damit ist die Diskussion um die Thesen von Bernd Rabehl noch lange nicht zu Ende.

Felicitas von Aretin/Ulrich Crüwell