Initiative der Professoren ist gefragt - Auf der Suche nach Mentorenprogrammen an der FU
Der Professor, das unbekannte Wesen?

Persönlicher Kontakt zwischen Studierenden und Professoren wird an der FU offenbar kleingeschrieben - zumindest an der Anzahl von Mentorenprogrammen gemessen, die die Professoren der Universität anbieten. Dabei bieten sie oft wichtige Orientierung für Studium und späteren Beruf an. Da hatte Diemut Oppart, Studentin im 7. Semester Erziehungswissenschaften, Glück: Sie hat einen Platz im Mentorenprogramm von Prof. Dieter Lenzen ergattert. "Gerade am Anfang ist das ein Anker während des Studiums", erzählt sie. Man fühle sich unter Druck, besonders in den ersten Semestern bis zum Vordiplom. So empfand sie es als Erleichterung, daß sie in Lenzens Mentorium auch außerhalb der Lehrveranstaltungen Fragen stellen konnte. Sie lobt außerdem die unkomplizierte Atmosphäre der Treffen: "Es lagen Bücher herum und Veröffentlichungen, da konnte man einfach mal hineinschauen." - für sie der erste Kontakt zur Forschung ihres Professors. Mit Erfolg: Seit einiger Zeit arbeitet sie bei ihm als wissenschaftliche Hilfskraft.

Planlos durch das Studium? Ein Mentorenprogramm könnte Abhilfe schaffen.

Foto: Ausserhofer

"Nur zwei Handvoll" der Professoren engagieren sich an der FU als Mentoren, vermutet Traugott Klose, Leiter der Abteilung Studium und Lehre. Das heißt, bei etwa 650 Professorinnen und Professoren sind diese Programme äußerst rar. Anders nämlich als bei den studentischen Tutoren, die in allen Fachbereichen die Studierenden in oft umfangreichen Betreuungsangeboten unterstützen, sind in Mentorenprogrammen die Professoren selbst gefragt: Sie laden eine Gruppe Studierender ein, um gemeinsam mit ihnen als erfahrener Berater, als "Mentor" den Studienalltag zu bewältigen. Und das tun sie im deutschen Hochschulsystem ausschließlich auf eigene Initiative. Anders ihre Kollegen in angelsächsischen Ländern: An britischen und nordamerikanischen Universitäten ist es selbstverständlich, daß die Türen der Professoren immer für die Studierenden offen sind und daß jedem während des gesamten Studiums ein Mentor zur Verfügung steht.

Der Erziehungswissenschaftler Lenzen beschreibt das Prinzip seines Mentoriums als "learning by doing". Er hat es den unterschiedlichen Bedürfnissen der Studierenden in drei Stufen angepaßt: Am Anfang des Studiums steht eine Orientierungsphase im Fach und im Studienalltag. "Die Studierenden fragen sich besonders in den ersten Semestern ‘Was kann ich überhaupt?’", berichtet Lenzen und bietet eine ‘Profilberatung’ zur beruflichen Orientierung an. Nach dem Vordiplom und mit fortgeschrittenem Studium beginne dann meist die Auseinandersetzung mit wissenschaftstheoretischen Fragen. Dafür bietet Lenzen ein Mentorium an, das "Lust auf Theorie" heißt. Schließlich folgt am Ende des Studiums als letzte Phase die Examensvorbereitung, und auch hier unterstützt Lenzen als Mentor eine Gruppe Studierender. Alle Mentorien Lenzens sind für die Studierenden selbstverständlich freiwillig. Sie sind aber begehrt und gerade am Anfang ist der Andrang auf das Programm so groß, daß die Teilnehmer ausgelost werden müssen.

Mehr Chancen auf die Betreuung in einem Mentorenprogramm hat dagegen, wer an der FU ein Politikstudium beginnt. Ginge es nach Prof. Friedemann Büttner, der zur Zeit das Mentorenprogramm und die Erstsemestereinführung am Fachbereich Politikwissenschaften neu organisiert, dann hätten alle Studierenden nach dem ersten Semester nicht nur an drei Mentorentreffen mit ihrem Professor teilgenommen, sondern dort obendrein die obligatorische Pflichtstudienberatung nach dem ersten Semester absolviert. Auch Büttner will in drei Phasen auf die Probleme der Studienanfänger eingehen. Beim ersten Treffen zu Semesterbeginn werden Pläne gemacht und Ziele und Erwartungen abgesteckt. Das zweite Treffen folgt nach etwa 6 Wochen. "Hier folgt erfahrungsgemäß eine Phase des Frustes bis hin zur Frage: Studiere ich überhaupt das richtige Fach?" erzählt Büttner. "Die Studierenden können sich bei dem Treffen so richtig ausschimpfen", sagt er, will aber zum Durchhalten motivieren. Wenn der erste Schein geschafft ist, sieht alles schon wieder ganz anders aus, weiß Büttner. Gemeinsam mit den Studierenden reflektiert er schließlich im dritten Treffen das erste Semester und gibt Tips zur weiteren Studienplanung - einen Schein für die obligatorische Studienbratung gibt es dann inklusive. Das Programm der Politikwissenschaftler ist noch im Aufbau, und Büttner appelliert an seine Kollegen, sich zu engagieren: "Wir erzeugen durch die Mentorien Zufriedenheit bei den Studierenden, und das ist leistungsfördernd."

Jedoch hängt die Nachfrage nach Betreuung und fachlicher sowie beruflicher Orientierung offenbar auch vom Studienfach ab. Besonders die Geisteswissenschaften zeigen häufig "überhaupt keine greifbare Berufsperspektive", sagt die Studentin Irmelin Ehrig. Sie studiert im 12. Semester Literaturwissenschaften und sucht zur Zeit nach Themen für die Prüfung. Zur Orientierung "hätte sie sich immer so etwas wie ein Mentorium gewünscht", sagt sie, zumal das Studium wenig verschult ist und viel Eigeninitiative braucht. Vom Angebot eines Mentorenprogramms hat sie noch nie etwas gehört. Dagegen sind bei den Studierenden der Naturwissenschaften Mentorien offenbar wenig gefragt. Das merkten die 21 Professoren des Fachbereichs Biologie, denn obwohl sie für die Studierenden Einstiegsgespräche anbieten, war das Echo auf die Mentorien gering. Prof. Elmar Hartmann erklärt das mangelnde Interesse jedoch mit dem dichtgedrängten Zeitplan des Studiums: "Gerade am Anfang des Studiums sind die Studierenden zeitlich stark ausgelastet", sagt er. Das im Vergleich zu den Geisteswissenschaften verschultere Biologiestudium biete außerdem kleinere Gruppen in Seminaren und vielfältige Exkursionsangebote. Das alles, so Hartmann, garantiere den ausreichenden Kontakt zwischen Lehrenden und Lernenden.

Weil "persönliche Beziehungen die qualitativ bessere Arbeit garantieren", lädt auch der Kanzler der FU, Wolf-Dietrich von Fircks, eine Gruppe Studierender regelmäßig zum Gespräch ein. Obwohl auch er mit der Gruppe die Tücken des Unialltags diskutiert, will der Verwaltungschef vor allem den offeneren Umgang und das Gespräch zwischen Lehrenden und Lernenden an der Universität fördern: "Alle Universitätsangehörigen sind gleichberechtigte Erwachsene, die sich nur im Ganzen unterschiedlich einbringen", betont von Fircks, und spricht sich für ein System der "offenen Türen" aus. Was allein ein persönlicher Brief bewirken kann, erfuhr er, als er die Studierenden zum ersten Treffen einlud. Einer berichtete: "Ich wollte mich schon exmatrikulieren, da kam der Brief mit der Einladung zum Mentorengespräch." Der Student ging zum Gespräch - und blieb an der FU.

Steffi Barbirz