FU|Nachrichten extra

Der neue Präsident der Freien Universität:
Prof. Dr. Peter Gaehtgens

Als Peter Gaehtgens nach dem Konzert des Collegium Musicum in der Kleinen Philharmonie auf die Bühne eilte, um den Musikern spontan für den Abend zu Ehren der Europäischen Rektorenkonferenz zu danken, war seiner Rede anzumerken, daß sich hier zwei wichtige Welten des Mediziners Gaehtgens zu einer zusammenfügten: die der Musik und die der Universität. Seit dem schweren Autounfall seines Amtsvorgängers Johann W. Gerlach im Februar 1998 hat Gaehtgens als Erster Vizepräsident - damit Stellvertreter des Präsidenten - dessen Funktion übernommen, ohne zunächst wissen zu können, wie lange er den schwer erkrankten Präsidenten ersetzen müßte. Weltläufig repräsentierte er die Freie Universität während zahlreicher Jubiläumsfeierlichkeiten 1998, tanzte auf dem ersten FU-Ball, obgleich er das Tanzen im Grunde nicht mag. Im Akademischen Senat wußte er die hochschulpolitischen Gruppen auf die notwendigen anstehenden Reformen zu einigen: Die Neustrukturierung der Fachbereiche, die seit 1. Januar 1999 wirksam ist, wurde von der Mehrheit des Akademischen Senats ebenso beschlossen wie die Neuordnung des Bibliothekswesens, die Teilgrundordnung nach der Erprobungsklausel und die neue Zusammensetzung des Kuratoriums. Die Freie Universität in Forschung und Lehre fit für den immer stärker werdenden Wettbewerb der Hochschulen zu machen, ist eines der Hauptanliegen Gaehtgens´. "Dahlem muß als überregional bedeutender Standort von Wissenschaft der Öffentlichkeit wieder ins Bewußtsein gerückt werden, die dazu verführt wird, die Wissenschaftsparks in Berlin-Buch oder Adlershof als die einzigen Zentren von Innovation und Zukunfskompetenz zu betrachten", fordert Gaehtgens in einem Tagesspiegel-Artikel. Schließlich sei die Freie Universität für Wissenschaftler und Studierende aus allen Ländern eine der attraktivsten deutschen Hochschulen.

Für das Präsidentenamt kommt Gaehtgens nicht nur zugute, daß er das Amt seit über einem Jahr ausübt, sondern die Freie Universität und deren Gremienkultur seit Jahren kennt. Der Vater eines Sohnes und Ehemann einer Frauenärztin nahm 1983 den Ruf als C4-Professor an das Physiologische Institut der Freien Universität an und wurde 1987 zum Geschäftsführenden Direktor des Instituts gewählt. 1991 folgte der Sprung ins Präsidialamt: Gaehtgens wurde Vizepräsident für den medizinischen Bereich, trat aber 1994 aus Protest gegen die Fusion des Rudolf-Virchow-Klinikums mit der Charité von seinem Amt zurück. 1995 bis 1997 leitete Gaehtgens als Dekan den neugebildeten Fachbereich Humanmedizin. Überzeugend gelang es dem gebürtigen Dresdner, dem Steglitzer Klinikum Benjamin Franklin – trotz oder gerade wegen des Verlustes des Virchow-Klinikums – eine neue Identität zu geben.

Sensibel geworden für die Notwendigkeit, daß eine Universität auch eine Seele braucht, um im Wettbewerb zu bestehen, hat Gaehtgens die Erfahrungen aus dem Fachbereich Humanmedizin auf die gesamte Freie Universität übertragen. Aus dem Stand heraus sorgte er im vergangenem Jahr für die Organisation der 50-Jahrfeier, regte die Einführung von Semester-Begrüßungsfeiern an, brachte das Ernst-Reuter-Stipendienprogramm auf den Weg und rief das Ambassador-Kolleg ins Leben. "Eine Universität denkt über sich nach", lautete für Gaehtgens nicht untypisch das Motto der 50-Jahrfeier. "Ich bin nur ein als Präsident amtierender Vizepräsident", definierte Gaehtgens immer wieder seine Funktion und ließ lange offen, ob er für das Präsidentenamt zur Verfügung stünde.

Dabei mag eine Rolle gespielt haben, daß Gaehtgens sich dem eigenen Fach, der Vegetativen Physiologie, in besonderem Maße verpflichtet fühlt. Der frühe Morgen gehört nach wie vor dem Institut in der Arnimallee, wo Gaehtgens Doktoranden betreut, Vorlesungen und Seminare hält. In seinem Fach gilt Gaehtgens als Koryphäe. Gaehtgens, der nach einem längeren Forschungsaufenthalt am California Institute of Technology, Pasadena, 1971 im Fach Physiologie an der Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln habilitierte, erhielt 1972 den Hochhaus-Preis, 1986 den Abbott Microcirculation Award und 1990 den Malpighi Award der European Society for Microcirculation. Er war an der Gründung von zwei Sonderforschungsbereichen, eines Graduiertenkollegs und einer Forschungsgruppe der Deutschen Forschungsgemeinschaft beteiligt und ist heute noch deren Mitglied. Vielfältige wissenschaftliche Arbeiten auf seinem Forschungsgebiet der Physiologie des Kreislaufsystems und insbesondere der Mikrozirkulation fanden ihren Niederschlag in zahlreichen Veröffentlichungen. Seine wissenschaftlichen Leistungen waren auch die Grundlage seiner Aufnahme als Mitglied in die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.

Das Präsidentenamt wird es mit sich bringen, daß sich der Forscher Gaehtgens aus der Medizin ein wenig zurückziehen wird, um die Freie Universität gewohnt weltläufig in das kommende Jahrtausend zu bringen.

Felicitas von Aretin