Wirtschaftwissenschaft

Banken als Manager


(Foto Ausserhofer)

Um die Rolle von Banken als ,,Unternehmensübernehmer`` und Sanierer geht es in dem Forschungsprojekt ,,Reorganisationskapazität, die Verhandlungsmacht von Banken und Kreditbesicherung bei unvollständigen Finanzierungsverträgen`` von Dorothea Schäfer und Lutz Kruschwitz am Institut für Bank- und Finanzwirtschaft der Freien Universität Berlin. Seit Oktober 1998 untersuchen sie im Rahmen des DFG-Forschungsprogramms ,,Effiziente Gestaltung von Finanzmärkten und Finanzsituationen``, inwiefern es sich für Banken Deutschland lohnt, Reorganisationskapazität aufzubauen.
Unter Reorganisationskapazität ist das entsprechende Management-Know-how und die Branchenkenntnis zu verstehen, die notwendig sind, um ein Unternehmen zu sanieren. In Deutschland sind die Banken oft gezwungen, Unternehmen selbst zu sanieren, da der Sekundärmarkt für Unternehmen hierzulande - verglichen mit  den USA - sehr illiquide ist. Es gibt zu wenig Unternehmen, die in der Lage sind, ein anderes notleidendes Unternehmen aufzukaufen und zu rekonstruieren. Dies gilt vor allem im Bereich der Klein- und mittelständischen Betriebe.
Große Banken in Deutschland investieren schon längere Zeit in Reorganisationskapazität, indem sie sogenannte work-out-groups aufbauen. Die Sanierungsexperten werden eingeschaltet, sobald ein Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten geraten ist. Gerade in Zeiten wachsender Kreditausfälle ist zu erwarten, daß die spätere Sanierungsmöglichkeit die Kreditvergabeentscheidung im wachsenden Maße beeinflussen wird. Banken dürften folglich ihre Investitionen in work-out-groups eher noch verstärken als vermindern.
Als ,,jüngeres Phänomen`` bezeichnet Kruschwitz, daß Daten gesammelt werden und versucht  wird, die Reorganisation und Sanierung von notleidenden Unternehmen durch Banken systematisch zu erfassen. Was nach Meinung von Schäfer jedoch fehlt, ist eine gezielte theoretische und empirische Forschung zu diesem Thema. Hier schließt die Studie von Dorothea Schäfer und Lutz Kruschwitz an. Sie wollen die Rolle der Banken als Unternehmensübernehmer und -sanierer theoretisch durchleuchten und anschließend die Ergebnisse anhand von Fallstudien überprüfen.
Zu Beginn der Forschung soll ein Vergleich der Insolvenzrechtsregime Deutschlands und der USA Aufschluß über die Unterschiede hinsichtlich der Steuerungs- und Kontrollrechte von Banken bei Nichtbedienung der Kredite geben. Bei diesem Vergleich wird Deutschland als Prototyp eines bankdominierten, die USA als Prototyp eines marktdominierten Systems betrachtet. Im Ergebnis der Untersuchung sollen jene Bestandteile des Kreditvertrages herausgefiltert werden, die bestimmen, ob sich die Investition in Reorganisationskapazität lohnt und somit die Entscheidung der Banken für den Erwerb von Sanierungs-Know-how beeinflussen. Das Augenmerk wird dabei nicht nur auf den expliziten Bestandteilen des Vertrages, wie z.B. den Kreditsicherheiten, liegen. Insbesondere soll herausgearbeitet werden, wie sich das Bankensystem und das Insolvenzrecht als implizite Bestandteile der Kreditvereinbarung auf die Sanierungsentscheidung der Bank  auswirken.
Zu den untersuchten Kontroll- und Steuerungsrechten gehört neben zahlreichen anderen Gesichtspunkten auch die Prioritätsregel. Sie bestimmt, welche der Gläubiger im Falle eines Firmenkonkurses zunächst bedient werden. In den USA wird z.B. im Konkursfall die absolute Priorität der Gläubiger relativ häufig verletzt, d.h., die Aktionäre erhalten trotz Konkurs regelmäßig einen positiven Anteil am verkauften oder sanierten Unternehmen, wohingegen in Deutschland in der Vergangenheit die Prioritätsregel ziemlich strikt eingehalten wurde. Aktionäre gehen hierzulande beim Konkurs normalerweise leer aus . Das mag sich nach Inkrafttreten des neuen deutschen Insolvenzrechts am 1. Januar 1999 ändern. Da es naturgemäß an Erfahrungen mit dem neuen Insolvenzrecht fehlen muß, betreten die beiden Forscher hier absolutes Neuland.
Christine Lander


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