Heinz-Maier-Leibnitz-Preis 1998 für Nachwuchswissenschaftler

Wissenschaft macht Spaß!



Dr. Doris Kolesch, wissenschaftliche Assistentin am Institut für Theaterwissenschaft, ist für ihre schon in jungen Jahren erbrachten außergewöhnlichen wissenschaftlichen Leistungen mit dem Heinz-Maier-Leibnitz-Preis für Nachwuchswissenschaftler ausgezeichnet worden. Der mit 30.000 DM dotierte Maier-Leibnitz-Preis wird gemeinsam vom Präsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und dem Bundesminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie an jährlich sechs Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aller Forschungsbereichen verliehen, die nicht älter als 33 Jahre sind.
Doris Kolesch ist 1965 geboren. Betrachtet man die Liste ihrer Publikationen, würde man ihr aber durchaus 20 Jahre mehr zubilligen. Ihre bisherigen Veröffentlichungen reichen fast für ein Wissenschaftlerleben aus. Kolesch hat bereits über 20 Aufsätze veröffentlicht, vier wissenschaftliche Bücher geschrieben und drei mit herausgegeben.
Neben der Vielzahl ihrer Publikationen kann Kolesch aber auch auf eine eindrucksvolle wissenschaftliche Karriere verweisen. Sie meint es wörtlich, wenn sie sagt: "Ich arbeite gern und viel  aber vor allem, weil es mir Spaß macht". Nach ihrem Einser-Abitur studierte sie als Stipendiatin der Studienstiftung des Deutschen Volkes in Mainz Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft, Philosophie und Romanistik. Als DAAD-Stipendiatin ging sie nach Paris, wo sie u.a. bei Jacques Derrida an der Ecole Normale Supérieure studierte. Mit erst 24 Jahren legte sie ihre Magister-Prüfung ab - mit Auszeichnung. Seitdem ist sie in der universitären Lehre und Forschung tätig: Nach ihrem Abschluß wurde Kolesch wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz. Fünf Jahre später promovierte sie, wieder mit einem herausragenden Ergebnis. Ihre Dissertation zum Thema "Das Schreiben des Subjekts. Zur Inszenierung ästhetischer Subjektivität bei Charles Baudelaire, Roland Barthes und Theodor W. Adorno" bekam nicht nur die Note summa cum laude, sondern wurde auch 1994 mit dem Preis für herausragende Dissertationen der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ausgezeichnet. Anschließend arbeitete sie als Postdoktorandin sowohl in der Organisation als auch in der Lehre des von Prof. Erika Fischer-Lichte geleiteten Mainzer Graduiertenkollegs zum Thema ?Theater als Paradigma der Moderne:"Drama und Theater im 20. Jahrhundert". Nach der Berufung Fischer-Lichtes an die FU 1996 folgte Kolesch ihr als wissenschaftliche Assistentin.
Aber ihr Wirken beschränkt sich durchaus nicht nur auf den universitären Bereich der Theaterwissenschaft. Neben Lehre und Forschung war Kolesch an der Berliner Volksbühne als wissenschaftliche Beraterin tätig.
So zahlreich wie ihre Publikationen und Tätigkeiten sind auch die verschiedenen Themen, mit denen sich Kolesch beschäftigt. Zwar befaßt sie sich, wie sie sagt, "insbesondere mit Theorie und Ästhetik von Literatur und Theater seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert", doch sind ihre Arbeiten grundsätzlich interdisziplinär angelegt. Sie versucht, in ihren Veröffentlichungen innovative Ansätze und Zugangsweisen zu finden und sich auch nicht im ?Elfenbeinturm? der Universität zu verstecken. So haben zum Beispiel ihre beiden Monographien zu der französischen Autorin Marguerite Duras und zu dem französischen Intellektuellen Roland Barthes nicht nur als Forschungsliteratur große Bedeutung, sondern überschreiten, indem sie sich gerade auch an ein nicht-wissenschaftliches Publikum richten, die Grenzen der Universität. Koleschs Ziel ist es, anspruchsvolle wissenschaftliche Forschung einem möglichst breiten Personenkreis in gut lesbarer und verständlicher Weise zu präsentieren. Trotz der Bemühung um Allgemeinverständlichkeit ist es ihr zudem noch gelungen, mit dem Buch über den französischen Denker Roland Barthes eine vollkommen neue Lesart und Interpretation seines Werks vorzulegen.
Zur Zeit arbeitet Kolesch an ihrer Habilitation. In dieser Arbeit wird sie sich mit dem Zusammenhang von theatralen Ereignissen, Wahrnehmungsformen und Affektreaktionen seit dem 18. Jahrhundert beschäftigen und versuchen, eine ästhetische Re-Konstruktion der Bewertung von Lust und Katharsis zu leisten. Für September bis Dezember 1998 ist Doris Kolesch auf Vorschlag von Prof. Paul M. Lützeler als Fellow zu einem Forschungsaufenthalt an das Kulturwissenschaftliche Institut in Essen eingeladen.

Iris Kampf
 


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