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Ulrich Matthes


Die Frage nach dem Lampenfieber wurde ihm schon hundertmal gestellt - für Ulrich Matthes durchaus keine blöde Frage. "Das nimmt zu!", erstaunt dann auch die Antwort des Schauspielers, denn: "Die Unbefangenheit, die man als junger Schauspieler einer großen Rolle gegenüber hat, die hat man als 'erwachsener' Schauspieler nicht mehr. Man weiß, was man alles vermasseln kann."

Ulrich Matthes muß es wissen: Bereits mit Mitte Zwanzig stand er auf der Bühne, spielte die Titelrollen in Kleists Prinz Friedrich von Homburg und Joshua Sobols Weiningers Nacht. Heute ist er 38 und gehört zu den gefragtesten Bühnenschauspielern seiner Generation. Seit '92 hat Matthes ein Engagement an der Berliner Schaubühne, das bald zu Ende geht. Als Kostjas in Tschechows Möwe und mit einem Kleist-Soloabend war er in den letzten Wochen noch einmal zu sehen.

Fünfzehn Jahre als Schauspieler hat er inzwischen "auf dem Buckel". Dabei hatte der Berliner nach dem Abitur eigentlich andere Pläne. Er entschied sich für ein Studium an der FU: Anglistik und Germanistik; Berufsziel: Lehrer. Daß es anders kam, hat mit einem Theaterbesuch in Zürich zu tun. Gespielt wurde Die Frau des englischen Dramatikers Edward Bond, erinnert sich Matthes. "Da saß ich drin und dachte: Ich will da rauf! Ich will mir keine schlauen Gedanken in Anglistik-Seminaren mehr machen, was der Bond nun damit sagen will. Ich wollte spielen!" Für Matthes "ein absolut elementares Erlebnis", das sich von allen Theaterbesuchen davor und danach unterschied.

Erste schauspielerische Erfahrungen hatte Matthes schon als 12jähriger bei der Verfilmung einer Wolf-Dietrich Schnurre-Erzählung gemacht. Diese Rolle zog zwar weitere in Film und auch im Theater nach sich, doch seine Eltern stoppten das nach einer Weile. Matthes ist heute froh darüber, denn so habe er sich Jahre später ganz bewußt für den Beruf des Schauspielers entscheiden können. Nach fünf Semestern und bestandener Zwischenprüfung gibt er das Studium auf, nimmt ein gutes Jahr lang privaten Schauspielunterricht, spielt dann am Renaissance-Theater, am Kleinen Theater und neben Harald Juhnke im Theater am Kurfürstendamm.

1983 kommt das erste feste Engagement. Ab in die Provinz: nach Krefeld. Hier entdeckt ihn Günther Beelitz und engagiert ihn an sein Düsseldorfer Schauspielhaus. Matthes spielt vier Hauptrollen in einem Jahr. Von dort geht er '86 nach München, zuerst ans Residenztheater und zwei Jahre später an die Kammerspiele. "Ich habe immer versucht, mich an Theatern fortzuentwickeln, von denen ich das Gefühl hatte, sie fordern mich wieder neu, anders oder mehr", erklärt Matthes die Wechsel. Vorläufig letzte Station war die Schaubühne, die Matthes, einer der Protagonisten des Ensembles um Andrea Breth, nach fünf Jahren auch wieder verläßt. "Die Arbeit mit der Breth war sehr wichtig und gut und beglückend. Ich habe ihr viel zu verdanken, aber Distanz kann auch wichtig sein."

Matthes, bisher in Film und Fernsehen eher selten gesehen, möchte jetzt mehr filmen. Das heißt für ihn im Gegensatz zum Theater, "mal wieder ganz pur sein zu können und nichts "spielen" zu müssen, mal wieder nur zu "sein"." Im letzten Jahr hat er einen Film mit dem Berliner Regisseur Tom Tykwer gedreht, der im Herbst in die Kinos kommt: Winterschläfer. Im Sommer steht er dann in einer großen europäischen Produktion über Hölderlin vor der Kamera.

Doch ganz ohne das Theater geht es nicht. Blickt er heute zurück, tut es ihm manchmal leid, nicht mehr eindeutig junge Rollen gespielt zu haben wie zum Beispiel Romeo oder den Ferdinand aus Kabale und Liebe. "Dafür bin ich jetzt schlicht zu alt." Und so sucht Matthes nach neuen Herausforderungen: Im Moment plant er seine erste Regiearbeit. Anfang nächsten Jahres soll es soweit sein, aber nicht in Berlin. Mehr verrät er nicht.

Eine neue Erfahrung wartet da bestimmt auf ihn: das Lampenfieber des Regisseurs.

Christina Engel


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