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Evelin Brandt


Grafik1E. Brandt kleidet unabhängige Frauen ein

Sie verwechselt manchmal Uni und uni (üni), weil sie mit uni so viel zu tun hat und weil die Universität jetzt schon mehr als 10 Jahre hinter ihr liegt und nicht nur zeitlich "weit weg". Denn uni, das meint Stoffe ohne Muster, Textilien, das Material aus d em die Kleider sind, die Evelin Brandt entwirft, produziert und verkauft. Der Universitätsstoff der Studentin Brandt hingegen war die Medizin.

1972 hatte sie sich dafür an der FU eingeschrieben, zuvor schon zwei Semester Germanistik und Politikwissenschaft studiert - "nicht ernsthaft, hauptsächlich um in den Unibetrieb reinzukommen". Geld verdient sie sich durch Krankenhausarbeit und kommt so zur Medizin. Für das Studium aber ergeben sich bald andere Geldquellen. Von Urlaubsreisen aus Südostasien bringt sie bestickte Tücher und Blusen mit und verkauft diese, zunächst an Freundinnen, dann auf dem Flohmarkt, schließlich wird die Wohnung in der Goeth estraße teilweise zum Laden.

Das Studium bleibt - vorerst zumindest - die Hauptsache, der Kleiderhandel nur ein Job, nicht mehr. Weil die Blusen für die warme Jahreszeit waren und Evelin Brandt auch im Winter Geld verdienen muß, beginnt sie, eigene Sachen zu produzieren. Sie kauft sic h eine Strickmaschine, rattert nachts Teile herunter, die ihre Mutter später zusammennäht, tags lernt sie fürs zweite Staatsexamen. Die Scheine dafür hat sie alle beisammen. Ende 1984 soll's dann so weit sein. "Ich hätte mein Studium nie aufgegeben ohne kl are Alternative. Das Klamottengeschäft war doch eher eine windige, unsichere Angelegenheit, keine Lebensperspektive." Es kam anders.

Brandts erste Modemesse kurz vor dem geplanten Examen wird zum großen Erfolg. Die bestickten Blusen aus Indonesien bescheren ihr Aufträge über Aufträge. "Ich wußte gar nicht, was zuerst machen." Zuerst läßt sie die Medizin und gründet eine eigene Firma. Ob das Projekt laufen würde, war ungewiß. Buchhaltung, Rechnungswesen, Organisation - das mußte sie erst lernen. "Wir wußten ja kaum, was Mehrwertsteuer, was eine GmbH ist."

1989 brachte Evelin Brandt ihre erste eigene Kollektion auf den Markt - noch immer "völlig ahnungslos": "Ich wußte ja kaum wie ein Schnitt aussieht." Heute ist das anders. Die Firma macht zweistellige Millionenumsätze, beschäftigt 35 Leute - mit Ausnahme z weier Männer sind dies nur Frauen. Für Frauen entwirft Brandt auch ihre Kleider: "Ich mache einfach ästhetische, schöne Dinge." Schön ist für die Modemacherin dabei das, worin auch sie sich wohl fühlt. Ansprechen will sie mit ihren Sachen, die mittlerweile in ganz Westeuropa und in sieben eigenen Boutiquen in Berlin und Potsdam zu haben sind, Frauen mit ähnlichem Lebensgefühl, nämlich "unabhängig, unkonventionell". Sie weiß "wie gestelzt das klingt". Und versucht's anders zu erklären: "Frauen mit festen Zi elen, die für diese viel arbeiten, und so in der Lage sind, sie zu verwirklichen."

Die Firma sei wie eine große Familie. "Die typischen Firmenstrukturen und -hierarchien gibt es nicht." Streß aber gibt es trotzdem. Die 43jährige gerät außer Atem, wenn sie erzählt: " die Kollektion fertig kriegen, zweimal im Jahr sind Messen, oft bin ich unterwegs, in Paris auf der Messe - in Italien auf der Suche nach Stoffen".

Dabei kann sie Tag und Nacht durcharbeiten: "Es gab Zeiten, da habe ich keine Zeitung mehr gelesen, mich um nichts mehr kümmern können. Das war damals auch okay." Doch heute ist die Firma nicht mehr alles, andere Dinge sind wichtiger geworden: Zeit für sic h, den Sohn, für Freunde, für Hobbys - Lesen zum Beispiel und Schwimmen. Eine alte verfallene Villa am Stadtrand, die sie gekauft hat, soll restauriert werden: "Das ist eine Lebensaufgabe." Und eine Aufgabe braucht sie halt immer oder wie sie es ausdrückt: "irgendwas, wo ich so richtig drauf abfahre".


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